Kapitel 8

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Samiya

Samstag, 14. August

Ich höre, wie die Zündung eines Autos gestartet wird und kurz darauf auch, wie ein Auto losfährt. Nein!, realisiere ich und stehe sofort auf. Emin fährt gerade los und ich muss mich noch verabschieden! Wieso haben mich meine Eltern nicht geweckt? Ohne mich umzuziehen, schaue ich auf die Kommode, wo meine Eltern - Gott sei Dank - das Geschenk direkt hingetan haben. Ich greife danach und laufe eilend aus dem Haus. Während ich meine Pantoffel anziehen will, falle ich fast auf den Boden. Auch das noch!
Doch ich lasse alles beiseite und renne zum Tor, wo dieses bereits zu ist und meine Familie und seine Oma sich bereits versammelt haben und in die Ferne schauen. Nein! Das darf nicht sein! Hab ich ihn verpasst? Als ich am Tor stehe, frage ich nach und ja! Emins Familie ist bereits weg. Plötzlich hören wir ein Hupen und ich sehe den Wagen auf der anderen Seite vorbeifahren. Ich halte mit meiner Hand das Geschenk hoch, doch vergebens. Er sieht es nicht! Stattdessen winkt er, was ich ihm nachtue und dann nur noch sehe, wie sich das Auto immer weiter entfernt. Ich senke meinen Blick und laufe wieder ins Haus herein. "Ich konnte mich nicht einmal verabschieden!", nuschele ich, als ich wieder im Zimmer bin und auf dem Bett sitze. Ein paar Tränen verlassen meine Augen und kullern meine Wangen hinunter. Emin ist weg!, erinnert mich noch einmal meine innere Stimme. Ich muss die Sache erst einmal realisieren! Der Junge, der tagelang mit mir unter einer Decke gewohnt hat, ist jetzt weg. Einfach so! Ich konnte nichts dagegen machen. Ich hab ihm ein Geschenk gekauft und konnte es ihm nicht überreichen. Er wollte noch mit mir reden, doch ich hatte keine Zeit. Und jetzt, ausgerechnet heute verschlafe ich? Ist das zu fassen?! Ich blicke auf die Uhr und sehe, dass wir kurz vor acht haben. Die anderen sind wahrscheinlich noch draußen und reden. Es fühlt sich so komisch an, ohne ihn! Die Zeit mit ihm war immer so schön. Okay, vielleicht hat er mich an einem Tag schlecht behandelt, doch er meinte, dass ihn etwas dazu gebracht hat. Heute ist das allererste Frühstück ohne ihn und ich vermisse seine Anwesenheit jetzt schon. Was ist los mit mir? Seit wann will ich einen Jungen bei mir haben?! Emin was hast du mit mir gemacht? Wo bist du?! Ich weiß, dass er gerade auf dem Weg nach Istanbul ist, doch ich will es nicht wahrhaben. Es schmerzt! Es schmerzt, dass ich ihn vermutlich nicht mehr sehen kann! "Es tut mir so leid, Emin!", nuschele ich. "Ich wünschte ich hätte die Zeit gehabt, um mit dir zu reden!" Weinend lege ich mich auf das Bett. Es ist das zweite Mal, dass ich wegen ihm weine. Diesmal allerdings, da er nicht mehr da ist. Er war die Person, durch die der beste Tag meines Lebens, der beste wurde. Egal, was zwischen uns passiert ist, dieser Tag ist das was zählt! Er hat so viel Bedeutung, wie kein anderer in meinem Leben. Ich wünsche mir so sehr, ihn nochmal wiedersehen zu können. Ihn in die Arme schließen zu können und ihm sagen zu können, dass ich die Zeit mit ihm vermisse! Liebst du ihn? Wegen der Frage meiner inneren Stimme, ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. Nein, ich liebe ihn nicht! Aber er ist ein guter Freund von mir geworden, wenn nicht sogar mein bester Freund und das innerhalb eines Tages! Ich hätte nie gedacht, dass das mal in meinem Leben passieren wird. Bei all meinen Freundinnen hat es echt lange gedauert bis ich sie an mich ranließ. Und heute sind nur Sahra und Zeynep meine besten Freundinnen. Emin, du hast mich verändert! Ich erkenne mich selbst nicht mehr wieder, dank dir!

"Schwester?", fragt Cemre und kommt vorsichtig herein. "Hast du geweint?", fragt sie und schaut mich besorgt an. "Emin ist weg!", nuschele ich. "Ja, ich weiß!" "Ich konnte mich nicht einmal verabschieden!", gebe ich etwas wutentbrannt von mir. "Beruhig dich, Samiya! Er hat mir versprochen, dass er uns besuchen kommt!", sagt sie freundlich. Wirst du das wirklich, Emin? Ich weiß nicht, ob ich ihrer Aussage vertrauen kann. "Hat er das wirklich gesagt?", frage ich brüchig. "Ja, hat er." "Danke, Cemre!", sage ich und wische mir meine Tränen weg. Ich höre Schritte, welche näher kommen, weshalb ich meine Tränen allesamt auf einmal wegwische. Mein Vater kommt herein. "Ben Has Fırın'a gidecem Pohça almaya, geliyormusunuz?", fragt er uns. Cemre verneint und schaut zu mir. "Geh du!", sagt sie mir. Ich nicke. Ich brauche echt etwas Ablenkung. "Tamam!", sagt mein Vater und ich ziehe mich an. Ich achte gar nicht wirklich darauf, was ich anziehe, sondern nehme einfach das nächstbeste, was mir in die Hand fällt. Als ich fertig bin, bin ich sogar so deprimiert, dass ich nicht einmal mein Lieblingsparfüm auftragen will. Ich laufe mit meinem Vater raus und setze mich im Auto auf den Beifahrersitz hin.

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