Kapitel 25

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Samiya

Semiha Yankı - Sıcak Sımsıcaksın {Du bist soo warm} (1972)

Emin schließt die Tür. "Aklım almıyor! Warum? Warum tut man sowas?" Ich zittere vor Wut. "Ich wünschte, ich wüsste es. Aber mir geht es gut, elhamdulillah. Guck, ich kann schon so gut es geht gehen und auch mein Arm tut nicht weh, außer man drückt zu feste drauf." Sein Lächeln ist gerade so paradox. Man wollte ihn umbringen! Jemand hat es auf ihn abgesehen, doch dieser Junge lächelt sorgenlos. Ist das zu glauben? "Elhamdülillah, Emin. Aber ich kann es nicht vergessen. Jemand wollte dich umbringen!" Tränen steigen mir hoch, wenn ich wieder daran denke. Er hat gelitten! Gelitten wegen einer Person, die wir nicht einmal kennen. Wer konnte das tun? Welcher ehrenlose Hund konnte meinem Emin wehtun? Wer?! "Inşallah geberir hapiste!", bete ich für den Tod der Person. Wer auch immer mir meinen Emin wegnehmen will, soll selbst sein Leben verlieren. Soll er doch im Gefängnis abgestochen werden, mir egal! Er hat ihm wehgetan! "Hey.", sagt er sanft. "Denk nicht mehr daran." Ich schaue eindringlich zu ihm. Wie soll ich nicht mehr daran denken, Emin? Wie?! Plötzlich umarmt er mich und Gott, wie gut mir diese Umarmung tut! Ich liebe seine Umarmungen. Sie sind das beste Beruhigungsmittel! Da ich müde geworden bin, lege ich mich zusammen mit Emin hin, wobei er sich von mir löst und sich neben mich legt. Er nimmt mich in den Arm, wobei ich seine Brust als Kissen verwende. "Du bist mir nun mal wichtig, Emin. Oder willst du nicht, dass ich der Person am liebsten den Tod wünsche, nachdem er ihn dir beinahe kosten ließ?" Tränen stauen sich in meinen Augen auf. Wieso ist dieser Junge so selbstlos? Wieso kann er so leichtsinnig mit dem Tod umgehen? Und wie kann er barmherzig mit seinem Mörder sein? Das ist doch nicht mehr zu fassen! "Doch, natürlich. Aber ich will dich auch nicht traurig sehen. Das zerbricht mir auch das Herz. Du hast natürlich Recht, aber was bringt es uns wütend zu sein?" Seine so sanfte Stimme ist vollkommen antagonistisch zu meinem Inneren. Ich poche gerade, während er die Ruhe in Person ist. Er will mich beruhigen, schafft es teilweise auch, aber ich will nicht! Ich kann nicht ruhig sein bei diesem Thema, es geht nicht! Ich lächele leicht, als ich seinen süßen Gesichtsausdruck sehe. Den, den ich beinahe hätte nie wieder sehen können! "Wie kannst du so ruhig bleiben, obwohl du beinahe hättest sterben können?", frage ich ihn leicht fassungslos. Eine Träne kullert mir meine Wange hinunter. "Wenn ich sterbe, finde ich zu meinem Schöpfer. Wenn ich nicht gestorben bin, dann weil Er es nicht wollte." Wow! Sein Glaube ist so unbeschreiblich. Ich hätte damals nie ahnen können, wie sehr Religion ein Leben beeinflussen kann. Doch jetzt, nachdem ich Emin gesehen habe, habe ich erst wirklich verstanden, was Religion eigentlich bedeutet. "Dein Glaube fasziniert mich immer mehr!", sage ich staunend. Plötzlich ertönt der Ezan. Ich zucke kurz zusammen, ehe ich realisiere, dass es aus seinem Handy kommt. "Hier.", lächelt er. "Wenn man von Allah spricht." Er setzt sich hin, was ich auch tue. "Gebetszeit?" Man kennt sie, meine typischen Sicherheitsfragen. "Ja. Ich gehe die Gebetswaschung holen. Kommst du wieder mit oder bleibst du lieber hier?", fragt er grinsend. "Ich komme mit, aber Emin-", setze ich an, ehe ich ihm tief in die Augen schaue. "Kannst du mir das Gebet beibringen?", frage ich ihn vorsichtig. Kurz realisiert er meinen Satz, ehe sich ein wunderschönes Lächeln in seinem Gesicht bildet. "Aber selbstverständlich.", haucht er. Er ist gerade sehr überrascht von deiner Entscheidung! Das bin ich gerade auch.

"Komm.", sagt er lächelnd, als er die Tür öffnet. Ich greife ebenso nach seiner Hand, wonach wir ins Wohnzimmer laufen. "Anne, namaz kıyafetlerin nerde?", fragt er sie euphorisch. Sie blickt ihn nur verdutzt an. "Was willst du mit meiner Gebetskleidung?", fragt sie misstrauisch. "Samiya will mit mir zusammen beten." Er schaut mich mit einem riesigen Lächeln an. Ich nicke. Sofort weiten sich ihre Augen und sie fängt an vor Freude zu strahlen. "Sende mi kılıyorsun?", fragt sie mich lächelnd. Ich schüttele verlegen den Kopf. "Sie will, dass ich ihr es beibringe.", sagt er stolz. Gott, es muss für ihn so etwas schönes sein! Ich wünschte, ich wüsste auch, wieso es so ein schönes Gefühl ist, damit ich es auch fühle. Aber vielleicht verstehe ich es ja schon sehr bald? "Ich hole sie sofort raus, wartet hier.", sagt seine Mutter nun ebenso begeistert und huscht ins Schlafzimmer. "Hier, kızım. Habt viel Spaß und möge Allah eure Gebete jetzt schon annehmen." "Amin.", sagen Emin und ich synchron, ehe wir ins Bad laufen. Dort gibt mir Emin den Vorrang. "Ich nehme die Gebetswaschung eigentlich immer am Waschbecken, aber wegen den Umständen nehme ich zur Zeit das Bad. Wo ist es für dich angenehmer?" "Ich will das Bad. Was du gerade durchmachst, will ich auch spüren." Er lächelt daraufhin. "Ich weiß echt nicht, womit ich dich verdient habe.", gesteht er überfordert. Das denke ich mir auch, wenn ich dich sehe. "Aber gut. Dann setzt dich hier auf's Klo und lass das Wasser langsam laufen." Ich tue es. "Jetzt sagst du innerlich: Bismillahirrahmanirrahim, O Allah für dein Einverständnis nehme ich die Gebetswaschung." Ich murmele es nach, wonach Emin mich bittet meine Hände zu waschen, dreimal Wasser in den Mund zu nehmen und auszuspülen, dann dies dreimal in die Nase zu tun und danach dreimal mein Gesicht zu waschen. "Jetzt wäschst du erst deinen rechten Arm, bis etwa über die Elle." "Jetzt links?", frage ich. "Psht.", sagt Emin und hält seinen Zeigefinger vor den Mund. "Nicht reden.", flüstert er, ehe er nickt. Ouh, wusste ich nicht. Er schaltet den Hahn ab. "Jetzt nimmst du das Wasser in deinen Händen und wischst einmal über deinen Kopf, einmal über die Ohren und einmal mit dem Handrücken vom Nacken bis zum Hals." Er macht es vor, was ich ihm nachtue. Das macht eigentlich schon Spaß, denke ich mir. Er schaltet wieder den Hahn an und lässt das Wasser langsam laufen. "Jetzt einfach beide Füße komplett waschen, mit rechts zuerst.", informiert er mich. Als ich fertig bin, schalte ich das Wasser ab, Emin hält das Handtuch schon in seiner Hand bereit. Ich trockne mich ab. "Und? Wie fühlst du dich?", fragt er mich interessiert. "Ruhig. So, als wären alle Sorgen von meinen Schultern gefallen.", gestehe ich ihm. Er lächelt. "Genau so sollte es auch sein. Warte kurz noch auf mich." Ich nicke. Als auch er fertig ist, reiche ich ihm das Handtuch hin, wonach wir schon in sein Zimmer laufen.

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