Kapitel 26

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Edip Akbayram - Aldırma Gönül {Mach dir nichts draus, (mein) Herz} (1976)

Sonntag, 19. September

Ich seufze. "Samiya, ich kann nicht mehr!" Sie legt ihren Stift hin und schaut mich müde an. "Ich auch nicht.", flüstert sie, da ihre Stimme vor Müdigkeit eingeschlafen ist. Sie schließt ihre Augen. "Ich glaube das reicht." "Das glaubst du nicht nur, das ist Fakt.", sage ich leicht belustigt über ihre Aussage. Sie lächelt. "Vielleicht hast du ja recht?", sagt sie müde und lässt sich auf meine Schulter fallen. "Was hältst du davon, wenn wir ein Spiel spielen?" "Was für eins?", will sie strahlend wissen. Gott, dieses Mädchen hat sich einfach zu sehr angestrengt. Warum löst man auch zwanzig Matheaufgaben - komplett + Textaufgaben - in zwei Stunden? Das macht doch kein normal tickender Mensch! "Minecraft." Sie zieht ihre Augenbrauen zusammen. "Noch nie gespielt?", frage ich sie verdutzt. Sie schüttelt den Kopf. "Dann muss ich es dir zeigen." "Können wir nicht lieber schlafen?", nuschelt sie und schmiegt sich an meine Schulter. "Nach dem ganzen Mathe schlafe ich ganz sicher nicht.", stelle ich klar. Sie seufzt. "Na, gut. Dann zeig mal dein Craft-Ding.", gibt sie nach. "Minecraft.", korrigiere ich sie. Sie summt, augenverdrehend. Ich starte meinen Rechner und gehe auf das Spiel. Der Ladescreen von Mojang erscheint, ehe auch schon das Menü vorliegt. "Sieht nach einem echt langweiligen Spiel aus." Sie klingt gelangweilt. "Langweilig?", frage ich konsterniert. "Es ist die Kreativität als Spiel! Du wirst mich verstehen, hab nur Geduld." Sie gibt ironische Laute von sich. Ich öffne eine neue Survival Welt. "Mathe hat dir echt die Laune versaut.", stelle ich fest. "Es ist Mathe. Was erwartest du?" "Weniger hätte es auch getan.", erkläre ich ihr sanft. "Sag das meinem Mathelehrer. Seine Klausuren sind die Hölle auf Erden! Das gibt's kein zu viel lernen. Entweder lernt man genug oder zu wenig.", informiert sie mich. "Ich schätze, bei dir ist es nicht anders." Ich summe ein Ja. "Also? Wie sind eigentlich deine Noten, wenn du es so auf die leichte Schulter nimmst?" "Letzte Klausur zwei minus.", sage ich stolz."Ha! Ich habe eine eins minus! Guck, Lernen zahlt sich aus.", sagt sie siegerisch. Ich seufze. "Können wir das Thema bitte wechseln? Ich hasse es über Schule zu reden." Sie nickt. "Trotzdem lernst du mehr. Du bist eigentlich so gut, nur du brauchst mehr Übung." "Ich weiß."

"Was ist jetzt der Sinn des Spiels?", fragt mich Samiya, die jetzt von mir die Aufgabe bekommen hat, eine Nacht zu überleben. "Erstmal musst du Holz fällen." "Die armen Bäume, warum muss ich sie töten?", schmollt sie. Ich seufze leicht belustigt. "Willst du sterben?" "Nein.", grinst sie. "Dann musst du Bäume fällen.", informiere ich sie. "Und wie mache ich das?" "Du schaust auf den Baum, machst dann Links-Klick um den Baum zu fällen." Sie tut es. "Warum steht der Baum noch da?", fragt sie verwirrt. Ich schlage mit meiner Hand auf mein Gesicht, was sie lachen lässt. "Hä, was?" Sie schaut mich verwirrt an. "Gedrückt halten, nicht kurz drücken." "Ach so! Sag das doch gleich." "Ich hätte gedacht, dass sei offensichtlich.", rechtfertige mich. "Ne, nicht jeder ist so ein Nerd wie du.", sagt sie belustigt und schaut mich ebenso an. "Ein süßer Nerd." Sie tippt auf meiner Nase herum. "Ich mag diesen Begriff nicht.", murre ich. "Wieso? Nerd ist doch jemand, der schlau ist.", erklärt sie mir lächelnd. "Aber sozial desintegriert." Sofort versüßt sich ihr Blick, weil sie leicht traurig wird. "Habe ich dich verletzt?", fragt sie leicht weinerlich. "Bisschen.", nuschele ich. "Ich bin schon schüchtern, da will ich nicht auch noch von der Gesellschaft als Misfit betitelt werden." "Aww, tut mir leid. Das wusste ich nicht. Ich bin auch schüchtern, aber ich verstehe dich doch und außerdem bist du sozial doch voll integriert, oder nicht? Schau doch mal, wer neben dir sitzt. Das zeugt doch an sozialer Stärke.", erklärt sie mir. Ich weiß nicht, wie sie es immer schafft, doch sie nimmt mir immer wieder meine Unsicherheit. Dieses Mädchen ist unbezahlbar! Ich nehme sie in eine innige Umarmung. "Mein unsicherer Ritter.", lächelt sie. Ich löse mich von ihr und schaue in ihre Augen. "Du nimmst sie mir, Prinzessin. Du bist die Lösung meiner Unsicherheit." Ihre Augen fangen an zu leuchten. "Danke, Emin.", strahlt sie. "Kein Ding. Aber lass uns weiterspielen bevor die Nacht anbricht, sonst gibt's Probleme." "Was für welche?", fragt sie. "Zombies, Skelette und so. Monster halt." "Ouh. Ja gut, dann fälle ich jetzt den Baum." Sie baut einen Block ab. "Emin, der Baum schwebt." Ich lache. "Ja, du musst den ganzen Baum abfällen." Sie gibt entsetzte Laute von sich, ehe sie seufzt. "Was ist das bitte für ein Spiel?" "Samiya, los! Die Sonne geht schon unter." Sie beeilt sich. "Und was mache ich jetzt mit diesem ganzen Holz?", fragt sie hysterisch. "Du drückst auf E, um das Inventar zu öffnen. Dort- ach warte ich zeige es dir einfach." Ich greife nach der Tastatur und crafte eine Werkbank und dann alle wichtigen Werkzeuge aus Holz. "Man ist das alles kompliziert.", stellt sie fest. "Und das nennst du Spiel? Das ist ja schon Informatikunterricht." "Hast du etwa Informatik?", frage ich sie grinsend. "Ja!", seufzt sie. "Hätte ich es bloß nicht gewählt. Der Typ da ist so langweilig und man kann sich kaum beteiligen. Ich schlafe bei ihm schon fast ein." Ich nicke, ehe ich signifikante Geräusche höre. Ich schaue auf den Monitor. "Samiya, Zombie!", rufe ich. "Was? Wo?" Sie greift sofort zur Steuerung, ehe sie - nach meiner Aufforderung - nach dem Schwert greift und den Zombie damit erschlägt. "Der sah aber echt süß aus." Ich ziehe verstört die Augenbrauen zusammen. "Süß?" "Jaa, aber natürlich nicht so süß wie du.", sagt sie und tippt lächelnd auf meine Nase. Ich muss wieder lächeln. Dieses Mädchen ist einfach unbeschreiblich und das Spiel hatte schon wieder kaum Bedeutung. Wir können einfach kaum etwas anderes machen, wenn wir nebeneinander sind. Es geht einfach nicht! Die Anwesenheit des Gegenübers ist halt einfach viel schöner, als der sinnlose Zeitvertreib mit Spielen. Es klopft an der Tür, ehe meine Mutter hereinkommt. "Das Essen ist fertig.", sagt sie lächelnd. Wir erwidern es, wonach ich den PC ausschalte, ehe wir ins Wohnzimmer laufen. "Was habt ihr so schönes zubereitet?", fragt Samiya hungrig. "Brokkoliauflauf." Samiya lächelt. "Es riecht echt lecker.", stellt sie fest. "Ist es auch.", informiere ich sie. Wir fangen an zu Essen, wobei Samiya sich wieder bedankt, weil das Essen so gut schmeckt. Ich tue es natürlich ebenso. Plötzlich bekommen wir einen Anruf. Meine Mutter steht auf und läuft zum Telefon.

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