Kubilay Karça - Seni Beklediğimden {Weil ich auf dich warte}
Samstag, 30. Oktober
Es ist vorbei. Alles ist vorbei. Drei Monate voller Freude, voller Leidenschaft. Alles verpufft. Wie vom Winde verweht. Ein paradiesischer Traum aus dem ich jetzt erwacht bin. Die Erkenntnis tut weh! Es ist vorbei. Es ist einfach zu Ende. Ich rühre nachdenklich den Löffel durch die Linsensuppe, ehe ich sie zu mir nehme. Mamas Linsensuppe ist einfach so lecker wie immer! Außerdem bringt sie mich auch etwas auf andere Gedanken. Seit ihrem Tadel sind schon drei Tage vergangen. Mir kommt es vor, als wären es drei Wochen gewesen. Ich habe mich seit dem nicht getraut ihr zu schreiben. Zu groß war mein Schuldgefühl. Ich bin der Grund für all das und es tut mir bis heute so schrecklich leid! Hätte ich doch nur die Möglichkeit die Zeit zurückzudrehen. Alle Gedanken, die ich um sie gehegt habe, hätten falscher nicht sein können. Wie konnte ich nur so blind sein? Wie konnte ich nicht bemerken, dass es ihr Cousin war? Ich könnte mich wegen meiner Dummheit selbst erschlagen! Mama bringt mir einen Teller Vollkornnudeln mit Sahnesauce an den Tisch. "Lass es dir schmecken." Sie weiß, dass sie mir damit ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. "Gott segne deine Hände, Mama." Jetzt lächelt sie zurück. "Afiyet olsun." Baba arbeitet heute länger, daher essen Mama und ich alleine. Sie gesellt sich zu mir. Ihre Freundin Sahra hatte mir geschrieben, dass sie vorgestern entlassen wurde. Das hat mich ungemein erleichtert. Ihr geht es gut. Das ist das Wichtigste.
Das Essen verläuft still. Ich weiß nicht, ob Mama bemerkt hat, dass mit mir etwas nicht stimmt. Oder hat ihre Mutter sie angerufen? Gott, ich hoffe nicht! Ich schäme mich dafür so ungemein. Wie soll ich je wieder in Mahir Abis Augen schauen können? Seine Tochter hat immer das Gute in mir gesehen. Ich aber habe nach einer kleinen Sache sofort alles beendet. Dabei war ich immer so glücklich und erfüllt an ihrer Seite gewesen. Sie hat Recht jetzt nicht mehr so gut zu mir zu sein. Ich verdiene es auch nicht. Sie hat mich geliebt. So ein reines, strahlendes Mädchen hat mich geliebt! Ich war zu stur. Ich hätte doch einfach nur nachdenken müssen. So viel war doch schon passiert. Mein Herz war kurz davor sich an sie zu binden. Wieso nur konnte ich nicht das Gute in ihr sehen? Wieso konnte mein Herz mich nicht zu ihr führen, auch wenn mein Verstand so stur war? Ich weiß es nicht. Wie soll sie denn jetzt das Gute in mir sehen? Sie behandelt mich so, wie ich sie behandelt habe. Was soll ich jetzt bloß machen? Ich vermisse sie so sehr! Sie hat mir vergeben, dafür aber auch verlassen. Das war der Preis für ihre Barmherzigkeit. Und das tut mir mehr weh, als wenn sie mich bestraft hätte. Jeden Schlag, jedes Wort, jedes Zittern und jede Träne würde ich in Kauf nehmen nur um sie wieder bei mir zu haben!
Ich entschließe mich zur Moschee zu fahren. Das ist einfach das beste in Anbetracht der aktuellen Situation. Da kann ich nachdenken. Mit Gott sprechen. Ja, das wird mir guttun. "Anne, Camiye gidiyorum.", teile ich ihr mit während ich mir meine Strickjacke überziehe. Heute ist es gar nicht so frisch. Dafür aber nass und dunkel. Wie der Winter nun mal ist. Auch, wenn wir de jure noch im Herbst sind. Deutschland halt. Bis zum Abendgebet dauert es aber noch etwas. "Bleibst du bis zum Gebet?" Ich nicke. "Dann pass auf dich auf, mein Schatz und bleib nicht zu lange draußen. Sonst erkältest du dich noch." Sie fährt mir tätschelnd durch die Haare. Ich lächle sanft. "Mache ich nicht, versprochen Mama." Sie schaut mich eindringlich an. Plötzlich kippt meine Stimmung. "Ist etwas, Anne?", frage ich leicht besorgt. "Ich bin nur stolz auf dich, mein Sohn. Du hast diesem süßen Mädchen das Gebet beigebracht. Möge Gott dich dafür segnen." Ach, das war es also. Ich senke den Blick. Stimmt, das war ja ich. Wie schön diese Zeiten waren. Wie sehr ich wieder zusammen mit ihr beten würde, ihr den Islam näherbringen wûrde. Ich würde die Welt geben, um diese Zeiten zurückzubekommen. "Amin, Mama. Das ist ganz Gottes Erfolg, aber danke für deine Dua." Ich verabschiede mich von ihr und laufe die Treppen hinunter.
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Vertrauen
RomanceEmin ist ein 16-Jähriger schüchterner Junge, der in einer muslimischen Familie aufgewachsen ist. Als er in den Sommerferien wieder im Urlaub in der Türkei ist, trifft er die Tochter eines Bekannten namens Samiya. Auch sie ist schüchtern, doch nicht...