Kapitel 10

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Mittwoch, 18. August

Der Wecker klingelt. Mürrisch taste ich mit meiner rechten Hand den Zimmerboden ab und greife nach meinem Handy. "Geh aus!", rufe ich wütend in mein Handy und schalte mit halbgeöffneten Augen den Alarm aus. Es ist kurz vor neun und es ist der erste Schultag. Ich seufze genervt. Gott, ich hab so keinen Bock darauf, das glaubt mir keiner! Schlaftrunken stehe ich auf und laufe ins Bad, doch zuvor sehe ich, wie meine Eltern den Tisch für das Frühstück gedeckt haben. Als ich dann zu mich gekommen bin, geselle ich mich der Tischgemeinschaft zu. Das Frühstück verläuft recht still, da wir im Fernsehen einen türkischen Film schauen. Normalerweise esse ich auch an Schultagen nichts vor der Schule, aber da ich heute erst um 10 Uhr da sein muss, lasse ich es über mich ergehen. Die letzten Tage ist nichts besonderes passiert. Deutschland hat sich gar nicht missen lassen! Montag und Dienstag hat es nur geregnet. Kennt man ja nicht anders? Ich habe die Zeit genutzt und bin Schulutensilien einkaufen gegangen und bin heute - hoffentlich - bestens für die Schule ausgerüstet. Mit Samiya habe ich seit dem letzten Mal nicht mehr geschrieben. Einfach weil ich keine Zeit mehr gefunden habe und sie auch nicht. Doch dies hat mir um ehrlich zu sein gut getan. Hätten wir es nämlich getan, müsste ich die gesamte Zeit an sie denken. So hatte ich etwas Auszeit. Auch wenn ich es innerlich natürlich gewollt hätte, finde ich, dass es letztendlich die beste Entscheidung war.

Nach dem Frühstück laufe ich in mein Zimmer und ziehe mich um. Dabei sehe ich meinen Lieblingspullover. Ein Marineblauer, vorne mit weiß und hellblau versehenen Balken. Ich beschließe, ihn anzuziehen. Als ich ihn anhabe riecht er komisch. Ich kenne diesen Geruch aber woher? Samiya. Ja sicher! Das ist das Parfüm von ihr. Aber warte! Warum riecht mein Pullover nach ihrem Parfüm? Hat sie es etwa damit eingesprüht? Wenn ja, dann wäre es ziemlich komisch! Doch ich werde diesen Pullover deswegen nicht ausziehen. Immerhin trage ich sie ja so bei mir und das wird mir hoffentlich helfen. Ich verabschiede mich von meinen Eltern und laufe zur Bushaltestelle. Das Wetter ist heute ausnahmsweise recht sonnig und nicht bewölkt. Ich hoffe einfach, dass wir heute früh aus der Schule kommen, damit ich noch rausgehen kann. An der Bushaltestelle angekommen, treffe ich Yasin. "Selamün Aleyküm" "Aleykümselam. Wie geht's?", frage ich. "Ganz gut und dir?" "Auch. Wie waren deine Ferien?", frage ich ihn interessiert. "Voll gut eigentlich. Wir sind diesmal auch viel gereist und nicht nur an einem Ort gewesen. Ankara und Istanbul.", teilt er mir mit. Ich ziehe beeindruckt die Augenbrauen hoch. "Cool!", gestehe ich. Hätten wir das nur auch gemacht! Dann hättest du Samiya nie kennengelernt! Okay, nein! Ich bin doch zufrieden mit dem, was ich bekommen habe und kann mir nichts besseres wünschen. Eventuell hebe ich es mir für das nächste Jahr auf. "Und du?", fragt er mich. Unser Bus kommt, weswegen wir bereits unsere Fahrkarten rausholen.

"Mein Vater musste für meine Oma in der Türkei einige Dinge erledigen, weshalb wir gefühlt die ganze Zeit im Dorf blieben.", teile ich ihm mit, als wir uns hinten zwei Plätze ergattert haben. "Ohh", nuschelt er. "Schade." Ich schüttele den Kopf. "Wir sind natürlich auch an den Strand gegangen, haben in Resaturants gegessen und..." Ich höre abrupt auf zu sprechen. Eigentlich wollte ich jetzt Yasin über Samiya berichten, doch ich lasse es lieber sein. Er schaut mich abwartend an. "Erzähl ich dir später!" Mit meiner Hand mache ich eine wegwerfende Geste zur Bekräftigung meiner Aussage. Er nickt. "Ich werde bald mit meinem Führerschein anfangen." Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. "Du bist doch noch sechszehn?", gebe ich misstrauisch von mir. "Mit sechzehn einhalb darf man anfangen.", informiert er mich. "Und du willst natürlich keine Zeit verlieren nh?", gebe ich leicht belustigt von mir. Er nickt kräftig. "Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir kommen willst, zur Anmeldung?" Ich schaue ihn verdutzt an. Darüber habe ich bis jetzt noch nicht nachgedacht. "Ich weiß nicht. Findest du nicht es ist noch zu früh?", gebe ich leicht unsicher von mir. "Nein. Du weißt es kommen auch noch Klausuren auf uns zu. Je schneller wir es hinter uns bringen, desto besser, oder nicht?" Er hat recht. Auf uns kommen die Klausuren zu, die für unser Abi an Relevanz haben. Da wäre es mehr als sinnvoll, früh anzufangen. Ich nicke. "Sag mir Bescheid, wann wir gehen sollen." Mit einem Lächeln nickt er. "Okay gut."

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