Gülşen - Yatcaz Kalkcaz Ordayım {Wir werden schlafen, aufstehen (und) ich bin dort}
Donnerstag 14. Oktober
Das Knistern der Kieselsteine unter unseren Füßen ist lautstark zu hören. Die Sonne scheint frontal auf uns drauf und kitzelt unsere Haut, während wir gemeinsam den Berg zum Tetraeder hochlaufen. Der Himmel ist klar, das Wetter warm für Herbstverhältnisse. Ich höre Samiya keuchen. "Emin, wie weit ist es noch?" "Nicht mehr weit.", antworte ich ihr lächelnd. "Du hast es gleich geschafft. Oben machen wir erstmal eine Pause.", motiviere ich sie. Sie seufzt. "Ich kann nicht mehr!" Ich reiche ihr meine Hand hin, die sie dankbar entgegen nimmt. Wir kommen an der Asphaltstraße an. Jetzt müssen wir nur noch etwa hundert Meter laufen. Am steilen Anstieg ziehe ich sie auch etwas mit, woraufhin sie murrt. "Du reißt mir gleich meinen Arm aus.", beklagt sie sich hyperbolisch. "Ich wusste gar nicht, dass du so viel meckern kannst.", stelle ich grinsend fest. Sie gibt genervte Laute von sich. Wir erreichen einen freien Sitzplatz, wo wir uns beide hinsetzen. Es ist Mittag. Am Horizont können wir Häuser, Kirchen, kleine Autos und viel Grün erkennen. Samiya lehnt sich müde an mich an. "Ich bin müde.", nuschelt sie. "Hast du heute Nacht wenig geschlafen?" Sie summt ein Ja. "Warum?", frage ich mit leicht tadelnder Stimme. Sie schaut mir eindringlich in die Augen. Ihre Augen sind so wunderschön. Sie leuchten wie Sterne, erinnern mich an alles, was ich mit ihr erlebt habe. Der Sommer, der Tag am Strand. Einfach alles ist in diesen Augen gespeichert. In Augen, die ich so sehr liebe. "Weil ich nicht schlafen konnte. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Ich war so aufgeregt, dass ich kein Auge zu bekommen habe." Ich muss lächeln, ehe ich sie wegen ihrer Niedlichkeit umarme. "Ich freue mich jedes Mal aufs Neueste, mit dir Zeit zu verbringen. Es wird einfach nie langweilig.", gestehe ich ihr. Sie lächelt nun ebenfalls. Wir lösen uns. "Danke, Emin.", sagt sie mit gesenktem Blick. "Mir geht es genauso.", äußert sie verlegen. Kurz sagt keiner von uns etwas, ehe ich wieder das Wort ergreife. "Sollen wir hochgehen?" Sie nickt mit einem summenden Ja. Wir laufen nebeneinander die Treppen hoch, bis wir auf die erste Plattform gelangen. Hier kann man durch den Untergrund nach unten schauen. "Emin, schau mal wie hoch oben wir sind.", stellt sie etwas ängstlich klingend fest. "Ich weiß nicht, ob wir weiter hochgehen sollten." Ihr unsicherer Blick lässt mein Herz aufgehen. Sachte greife ich nach ihrer Hand und streiche mit der anderen über ihre süßen Finger. "Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin bei dir. Dir wird nichts passieren." Sofort versüßt sich ihr Blick und sie schaut mich nun dankend an. Mit ihrer Hand hält sie meine fest und wir machen uns auf, die restlichen Stufen zu überwinden. "Versuch nicht nach unten zu schauen.", instruiere ich sie, was sie hierauf auch tut. Hinter den äußeren Zäunen kann man die weite Landschaft von Bottrop erkennen. "Emin.", stottert sie. Ich sehe, wie sie nach unten schaut. "Nicht doch, Samiya. Schau mich an." Als unsere Blicke sich treffen, lächele ich in ihre Richtung. Sie erwidert es. Wie ängstlich mein Mädchen doch ist. Dabei war sie es, die vorgeschlagen hatte zum Tetraeder zu gehen. Doch sie hat bestimmt gewusst, dass ich alles dafür tun würde, um ihr ihre Ängste wegzunehmen. Wir laufen die letzten Stufen hoch bis wir auf der zweiten Plattform ankommen. An dieser bleiben wir stehen, wo Samiya sich erst einmal die Landschaft anschauen will. "Emin, schau mal wie schön der Himmel und die Wolken aussehen." Zarte Winde streifen ihr durch die Haare. "Ja, sie sehen wunderschön aus.", sage ich verträumt. Auf die Aussicht kann ich mich gar nicht wirklich konzentrieren, da eine noch viel schönere Aussicht vor mir steht. Das wunderschönste Mädchen, mit ihrem wunderschönen Körper, ihrem wunderschönen Charakter, ihrer fantastischen Art und ihrem einzigartigen Humor. Ich glaube, es ist an der Zeit es ihr zu sagen. Ich kann es nicht mehr in mir behalten. Mein Herz schlägt schneller, plötzlich werde ich ganz hibbelig. Gott, wann habe ich dieses Wort zuletzt verwendet? All das habe ich ihr zu verdanken. Sie hat mich verändert. Sie hat mich zu einem besseren Menschen gemacht. Dafür danke ich ihr!
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Vertrauen
RomanceEmin ist ein 16-Jähriger schüchterner Junge, der in einer muslimischen Familie aufgewachsen ist. Als er in den Sommerferien wieder im Urlaub in der Türkei ist, trifft er die Tochter eines Bekannten namens Samiya. Auch sie ist schüchtern, doch nicht...