Chapitre 5

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Jasper.

Schon wieder.

Warum?

Warum begegne ich ihm immer?

Aber vor allem: Warum hier? Alleine in einer Bibliothek? Und er liest Romeo & Julia???

Zum Glück hat er mich immer noch nicht bemerkt. Anstatt ihn anzusprechen setze ich mich mit etwas Abstand in dem ihm nächst gelegen roten Ohrensessel. Irgendwann wird er sicher aufsehen und dann werde ich nach einer kurzen Erklärung das Buch von ihm bekommen und schnell wieder verschwinden können. Ich werde einfach kurz hier warten.

In der Zeit mustere ich ihn verstohlen von der Seite, weil er immer noch wie gebannt mit seinen langen Wimpern auf die Seiten starrt. Mit diesen grünen, diesen smaragdgrünen Augen... Seine markanten Wangenknochen... Mir fällt sein kleines Muttermal zwischen seinem Ober- und Unterkiefer auf, welches sein hübsches Gesicht noch mehr betont. Und wie er so dasaß, in seiner schwarzen Bikerjacke...

Keine Frage, er sah gut aus. Sehr gut.

Wieso war mir das nicht früher aufgefallen? Ich kenne ihn eigentlich schon so lange, wie ich Jasmine kenne. Wobei kennen übertrieben ist - ich weiß doch gar nichts über ihn. Als wir noch kleinere Kinder waren, hat er auch oft mitgespielt, wenn ich bei Jasmine war. Irgendwann kam das Alter, in dem Mädchen eine höchst ansteckende Seuche waren, von denen man sich lieber fernhielt und ich habe ihn so gut wie gar nicht mehr gesehen. Dann ging er für ein Jahr nach Kanada und jetzt ist er wieder hier und - sieht so gut aus. Kanada muss ihm wohl gut getan haben.

Vielleicht sind wir auch alle nur älter geworden und haben uns - zumindest ein bisschen - verändert. Aber warum bringt mich allein seine Anwesenheit dann schon durcheinander?

Es sieht so süß aus, wie er die Stirn runzelt. Ich würde zu gerne wissen, was er gerade liest.

"Hör auf, mich so anzustarren."

Erschrocken schnappe ich nach Luft und - es kommt, wie es kommen muss - mir fällt jetzt wirklich meine Teetasse aus der Hand.

Immerhin landet sie auf dem Teppich, sodass sie nicht zerbricht. Dafür befindet sich jetzt ein kleiner mieser Teefleck auf dem schönen antiken Teppich. Mist.

Mit meiner Strickjacke versuche ich, es irgendwie trocken zu rubbeln, obwohl ich eigentlich weiß, dass das nichts bringt.

Das muss wohl ziemlich dämlich aussehen, denn hinter mir lacht Jasper laut. Langsam werde ich sauer. Er sitzt einfach nur hinter mir auf dem Samtsofa und schaut mir amüsiert dabei zu, wie ich versuche dieses "Missgeschick" zu beheben. Er könnte mir auch helfen! Schließlich ist er ja auch Schuld...irgendwie.

"Hör DU auf, mich so anzustarren!" Ganz schlechter Konter, ich weiß.

"Also wenn das für dich starren ist, dann weiß ich nicht, was DU gerade eben gemacht hast!", erwidert er lachend.

"Heh, warum lachst du so?", frage ich etwas angesäuert. Die Frage ist überflüssig, weil der Grund schließlich auf der Hand liegt. Unter anderen Umständen hätte ich sogar mitgelacht, weil ich gut über mich selber lachen kann. Im Moment ist mir das jedoch alles zu peinlich. Mich ärgert es ungemein, dass ich so tollpatschig bin. Aber hauptsächlich ärgere ich mich darüber, dass ich ihm gerade eine Bestätigung für sein Ego gegeben hat. Dass er junge Mädchen vollkommen durcheinander bringen kann. Dass er mich, ein kleines, junges, braves Mädchen, vollkommen unerwartet in eine demütigende Situation bringen kann. Ganz zu schweigen von der Bestätigung, wie gut er aussieht.

"Liegt der Grund dafür nicht auf der Hand?", fragt er belustigt zurück. "Es sieht einfach zu komisch auf, wie du auf dem Teppich versuchst den Fleck zu beiseitigen! Achso, und es ist so verdammt lustig - das kannst du aber nicht wissen - weil es mich an die selbe Situation erinnert, als unser neues Zimmermädchen genauso auf dem Boden herum gerobbt ist wie du."

Higher LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt