Chapitre 6

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Am darauffolgenden Tag bin ich hundemüde im Englischunterricht. Ich habe zwar meine Lektüre dabei, aber aufheitern tut mich das nicht wirklich. Romeo & Julia mag ich wirklich, aber diese Ausgabe hasse ich ab sofort. Sie erinnert mich mit jedem Moment hier an Jasper und an diesen Gefallen. Dieser Gefallen verfolgt mich seit gestern Abend. Sogar einen Albtraum hat er mir beschert! Darin hat mir Jasper mit einem fiesen Grinsen mitgeteilt, was ich tun sollte: Jasmine die Freundschaft kündigen.

Bei dem Gedanken bekomme ich immer noch eine Gänsehaut. In der Realität hätte ich es auf keinen Fall getan, aber im Traum hatte ich keine andere Wahl gehabt. Mein Gefühl sagt mir jedoch auch jetzt, dass es schwer werden wird, diesen Gefallen - was auch immer er sein wird - abzulehnen. Ich wüsste zwar nicht, was Jasper gegen mich in der Hand hätte, aber trotzdem habe ich etwas Bammel davor. Allerdings will ich gleichzeitig auch unbedingt erfahren, was ich tun muss.

Zweimal ermahnt mich Mrs Prisma, weil ich nicht aufpasse. Dabei besprechen wir sowieso nur die Merkmale eines Dramas, was wir meiner Meinung nach schon letztes Jahr durchgenommen haben.

Auch Jasmine merkt, dass ich komplett neben der Spur bin und stupst mich leicht an. Ich schüttele sachte den Kopf als Zeichen für "nicht jetzt". Sie lässt mich in Ruhe.

Als wir erst am Ende der Stunde anfangen aus Romeo & Julia eine kurze Textpassage zu lesen, bin ich wütend. Der ganze Aufwand war so gut wie umsonst! Mrs Prisma hätte es wahrscheinlich gar nicht gemerkt, wenn ich die Lektüre nicht dabei gehabt hätte.

Obwohl, gemerkt hätte sie es schon. Aber tausendmal lieber hätte ich einen Tadel bekommen, anstatt diesen Gefallen jetzt an der Backe zu haben. Wenn ich doch nur gewusst hätte, dass wir das Buch heute kaum bräuchten!

Ich beiße mir auf die Zähne, atme einmal tief ein und aus und beruhige mich wieder. Die Müdigkeit hält mich davon ab, mich groß aufzuregen.

In der Pause möchte Jass erstmal wissen, was los ist. Obwohl ich drei dicke Schichten Concealer aufgetragen habe, sind ihr meine dunklen Augenringe wohl nicht entgangen.

"Ach nichts, ich bin nur total müde, weil ich gestern Abend noch einkaufen musste und ganz spät noch meine ganzen Hausaufgaben gemacht habe und deswegen nur ganz wenig geschlafen habe", rattere ich herunter. Im Grunde genommen stimmt das doch, oder?

Das sagst du nur, um dein Gewissen zu beruhigen, flüstert eine fiese Stimme in mir. Diese Stimme hat wahrscheinlich recht. Ich hasse es ja meine beste Freundin anzulügen.

Aber lüge ich denn wirklich?

Eigentlich verschweige ich ihr nur etwas.

Oder ist das alles dasselbe - verschweigen, lügen, schwindeln?

"Willst du etwas von meinem Kakao? Oder sollen wir meinen Bruder fragen, ob er uns einen Kaffee holt?", bietet Jass mir an. "Er darf ja in den Pausen das Schulgelände verlassen. Ich warte wirklich auf den Tag, an dem wir in den Pausen in die Stadt dürfen und uns nicht mehr das widerwärtige Cafeteria-Essen antun müssen..."

"Nein, danke. Ich mag keinen Kaffee", lehne ich schnell ab.

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Den Matheunterricht sowie eine Stunde Chemie bringen wir auch irgendwie hinter uns, sodass die nächste Pause schneller kommt als gedacht.

"Geht ruhig schon zu unserem Platz, ich muss noch aufs Klo", murmele ich Jasmine und Naira zu, während wir unsere Taschen vor der Sporthalle abstellen. Die beiden nicken, Jasmine wirft mir zwar noch einen prüfenden Seitenblick zu, geht jedoch dann mit Naira Richtung Schulhof.

Higher LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt