Chapitre 22

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"Das ist nicht wirklich eine Limousine, oder?" Mit offenem Mund starre ich erstaunt auf den knallroten langen Wagen.

"Nach was sieht es denn sonst aus? Komm, steig ein. Wir müssen noch eine Weile fahren. Lass dich von der Farbe nicht abschrecken. Ich hätte lieber eine schwarze Limousine bevorzugt, aber in diesem Fall haben meine Großeltern das Sagen", erklärt Jasper.

Er öffnet mir die Tür, doch ich kann mich immer noch keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Ohne Vorwarnung schubst er mich sanft hinein. 

"Hey!"

"Sorry, ich wollte einmal ein Gentleman sein, aber du hast es nicht anders gewollt", erwidert er grinsend und setzt sich dann auf die andere Seite.

Nachdem Jasper die Tür geschlossen hat, fährt der Chauffeur unmittelbar darauf los.

"Sie sind etwas spät, Mr King. Ich werde nichts desto Trotz mein Bestes geben, damit Sie pünktlich ankommen", teilt uns der Chauffeur in gehobener Sprache mit. Auch wenn seine Stimme eine Spur Arroganz enthält, ist sein Blick jedoch ausdruckslos.

"Danke, Mr Roberts", lautet Jaspers knappe Antwort. Wegen seinem genervten Tonfall klingt es eher wie "Machen Sie mir keine Vorwürfe und seien Sie wieder still". 

Dann wendet er sich an mich: "Zuerst wird es Kuchen, Tee und so weiter geben. Das ist kein Kaffeekränzchen, das ist schlimmer. Ein total verkrampftes Treffen von Ü60 Leuten, die nur darüber reden, was sie alles haben und was sie noch haben werden. Jedes Jahr dasselbe. Weil schon Herbst ist, wird auch über die Spendenaktion zur Weihnachtszeit gesprochen. Es wird geplant und geschaut, wer am meisten bieten kann. Jeder will Charitykönig oder Charitykönigin werden."

Jasper erzählt mir weitere Anekdoten über die Veranstaltung, die jährlich stattfindet, wie ich erfahren habe. Ich höre interessiert zu. So schlimm, wie Jasper es beschreibt, wird es schon nicht werden. 

Wir fahren schließlich durch eine breite Allee. Die Bäume leuchten mit ihren goldgelben Blättern. 

"Wo sind wir hier?", frage ich orientierungslos. 

"Gleich in Berkshire. Wir sind fast da."

"Wo müssen wir denn eigentlich genau hin?", frage ich neugierig. 

"In das Hotel Royal Berkshire, Miss. Im dortigen großen Saal findet der Herbstball wie jedes Jahr statt", lässt mich diesmal Mr Roberts wissen.

"Warte... Was?!" Entgeistert sehe ich Jasper an. "Ein Ball? Wir gehen zu einem... Ball?!"

"Ja", antwortet Jasper, als wäre es die normalste Sache der Welt.

"Warum hast du mir das nicht früher gesagt?" Ich wollte nicht so eingeschnappt klingen, doch ich fühle mich wie vor den Kopf gestoßen.

"Ist es denn so wichtig für dich? Du hättest es dir vielleicht auch schon denken können. Lange Ballkleider, Chauffeur und Limousine..."

Gibt er mir jetzt ernsthaft die Schuld? Fassungslos sehe ich ihn an, wende mein Gesicht dann aber der Fensterscheibe zu. Während der restlichen Fahrt sagt niemand mehr ein Wort. 

Nach ungefähr zehn Minuten halten wir auf einem großen Parkplatz und Mr Roberts äußert sich wie ein Navi: "Sie haben Ihr Ziel erreicht."

Jasper öffnet mir die Tür. Ich will gerade protestieren, doch als ich das Hotel, indem die Veranstaltung, nein, der Ball, stattfindet, halte ich inne. Vor mir befindet sich ein riesiges Anwesen. Es ist etwas veraltet, doch das Klassische mindert nicht das Schöne daran. Die dunkelrot ins braun übergehende Backsteinwände schmeicheln den weißen Fensterrahmen der Sprossenfenster. Das Anwesen ist eine Mischung aus Villa und Schloss.
Die Terrasse ist gut gefüllt mit etlichen Leuten. Einige stehen an geschmückten Stehtischen, andere haben es sich auf den Korbsesseln unter den riesigen Sonnenschirmen bequem gemacht. Letzteres wundert mich, da es schließlich schon Herbst und alles andere als warm und sonnig ist. Vermutlich dienen die Sonnenschirme nur als Dekoration und Schutz vor dem Wind. Aber in einer Sache hat mich dieses Ambiente definitiv bestätigt: Das alles ist eine Nummer zu groß für mich.

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