Aiden hielt Mina fest in seinem Arm. Aus dem angespannten wandern, das einem unerwünschten Schulausflug von schwer erziehbaren Kindern ähnelte, spätestens nachdem sich Mina und Mora gegenseitig auf die Füße getreten waren, war mit der Zeit ein ruhiges schlendern geworden. Plötzlich blieb Thea stehen und auch Aiden spürte, ohne den Blick nach hinten zu richten, dass etwas nicht stimmte. Dann sah er es. Einige Meter vor dem Kopf der geteilten Gruppe, lag eine ältere Frau auf dem, wie überall in der Hölle, knochenübersäten, staubig-roten Boden. „Na sieh mal einer an." Nun hatte auch Mina sie bemerkt und riss sich sogleich von Aiden los: „Ich kümmere mich darum." Sie zog eines ihrer längeren Messer und ging schnellen Schrittes auf die Frau zu. Diese verdrehte ihre blassen Augen, so dass sie Mina konfrontativ anstarrte. Sie war anscheinend zu schwach sich darüber hinaus zu bewegen, doch Aidens Sorge galt einem bisher noch verborgenen, unbekannten und unberechenbaren Faktor, auf welchen ihn, sowie auch Thea, sein sechster Sinn, die Verbindung mit der Kraft aufmerksam gemacht hatte. Der Boden bebte. Ein dumpfes Brummen, gefolgt von knackenden Knochen und animalischem Keuchen, durchdrang die kurzerhand entstandene, unangenehme Stille.
Mina hielt den Atem an und starrte auf die vor ihren Füßen tanzenden Gesteinsbrocken. Plötzlich, wie aus dem Nichts, sprintete Aiden los, auf Mina zu, die es nicht wagte sich zu regen. Einen Augenblick später, sah Mora einen Schatten an sich vorbeiziehen, Aiden folgend und schnell aufschließend. Alles stand still, nur zwei Gestalten die sich ein Wettrennen lieferten ... und dann etwas Neues, das auf der gegenüberliegenden Seite, ein paar Schritte vor Mina, aus dem Boden schoss und sich ebenfalls, wahnsinnig schnell auf sie zu bewegte. Mina starrte in den Rachen eines Monsters. Fingerlange Fangzähne, ausgestreckte Pranken, welche sich sogleich um ihren Torso legen könnten, während ihr Gesicht vom Kiefer zerdrückt und zerkaut werden würde. Als Aidens Hand beinah ihre Schulter erreicht hatte, bemerkte er seinen Mitstreiter. Thea zog langsam an ihm vorbei, bereits dazu in der Lage, Mina aus der Flugbahn der Bestie zu stoßen, doch mit offenbar anderem Ziel. Er konnte nicht begreifen was sie tat, was sie plante, jedoch verspürte er, als er das Leuchten in ihren Augen sah, eine merkwürdige Sicherheit. Er wusste, dass sie wusste, dass er Mina rechtzeitig retten würde und dass, ... was auch immer Thea vor hatte, ... sie wusste was sie tat. Aiden griff zu und zog Mina nach hinten, doch zu langsam. Die Klauen bewegten sich ruckartig aufeinander zu und würden sich sogleich in ihre Wangen bohren und kein Entkommen mehr zulassen. Plötzlich stoppte die Klaue zu Minas Rechten, der Seite auf welche sich Thea befand. "Unmöglich", dachte Markus. Thea hatte das Vorderbein der Bestie mit ihrer linken Hand gepackt und aufgehalten, als hätte sie eine Frisbee gefangen. Die andere Klaue riss vier rote Streifen in Minas Haut, doch konnte ihr Kopf diesem Hieb nun nachgeben, sodass sie Großteils unbeschadet blieb. Thea war noch immer in Bewegung und zog das Bein welches sie noch immer in der Hand hielt, mit sich vorwärts. Dann legte sie die andere Hand blitzschnell auf den Oberkörper des Wesens, welchen dichtes goldbraunes Fell schmückte und versuchte es an dieser Stelle ebenfalls festzuhalten. Vergebens. Nicht das Thea das Gewicht und die Geschwindigkeit der Bestie nicht hätte halten können, nein, das Fell gab nach und riss in einem Stück aus der Haut. Aiden der sich in diesem Moment immer noch im Fall, Mina an seine Brust gezogen, dem Boden näherte, verfolgte das Geschehen ungläubig. Ein Löwe. Dieses Ding ... war ein riesiger Löwe.
Die Erkenntnis kam spät, war dieses Tier doch zuvor mit Erde und Dreck bedeckt gewesen. Dreck der noch immer durch die Luft wirbelte, waren seit dem Aufbrechen des Bodens bis jetzt, doch noch keine zwei Sekunden vergangen. Ein lautes Fauchen, ein Knacken, ein schrecklicher Schmerzensschrei. Das Vorderbein des Tieres, war in Theas Hand zerbrochen. So bewegte es sich nun entgegen seiner anatomischen Ausrichtung Stück für Stück nach hinten, sodass sich die Sehnen straften, Gelenke sprangen, Knochen schoben und brachen und das ganze Bein sich, im Inneren zerkleinert, in die Länge zog, beinah riss. Thea ließ die ausgerissenen Haare zu Boden fallen und schnellte mit ihrer anderen Hand zurück an den Körper des Tieres. Die Fingerspitzen nach vorn gerichtet, die Wucht ungehalten. Diesmal drückte sie ihre Hand so weit in das Fleisch des Löwen, dass Blut spritzte. Fest umklammerte sie eine Rippe und konnte so endlich den Flug, den weiten Sprung des Löwen verlangsamen und letztendlich stoppen.
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Nyctophilia ✶ Regeln der Hölle
Fantasy✚ Totgeglaubte leben länger ✚ Eine Reise in die Hölle und zurück, vom Beginn der Ewigkeit, bis ans Ende der Zeit. Magie, Macht und Liebe wo man keine Liebe vermutet.