Kapitel 14 - Dämonenblut

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Der Horizont kam näher. In einiger Entfernung schien der Weg dem Markus, Isabell und Fiona bereits einige Kilometer gefolgt waren abrupt zu enden. Eine scharfe Kante und dahinter ... nichts. Eine klare Linie die sich vor unseren Reisenden, zur Linken und zur Rechten endlos in die Ferne erstreckte und wie es schien, die materielle Welt von der Leere trennte. Einer surrealen, unsichtbar erscheinenden Leere. Umso näher Markus dem Abgrund kam, desto stärker begannen seine Beine zu zittern. Trübe Luft und das Gefühl von Belanglosigkeit, an einem Ort der einem konsequent das eigene Unbedeuten aufzeigte. Es war ein Gefühl als würde man von einer Raumstation auf die Erde blicken. Isabell legte ihre Hand auf seine Schulter. Wollte sie ihn beruhigen, oder festhalten? „Sind wir falsch gelaufen?" Stotterte Markus, dem nun auch die Höhenangst und der Gedanke auf ewig zu fallen - oder genauso schlimm - irgendwann aufzuschlagen, den Magen umdrehten. Fiona stöhnte, ging ihr Markus jämmerliche Art, trotz seiner berechtigten Frage, mal wieder ziemlich auf die Nerven. Und als wäre sie nicht die Person gewesen, welche Luis mit dem Antritt der Reise beauftragt hätte, wendete auch sie sich nun an ihre Schwester. "Aber mal ehrlich Isabelle, soll das so sein?" Sie gab Raum für Zuspruch und hakte noch einmal vorsichtig nach, doch Isabell starrte nur wie benommen auf den Horizont: "Wir müssen hier weiter." Plötzlich kam Markus eine Idee: "Können wir nicht auf Fionas Tüchern fliegen, sowie Aladdin?" Fiona rollte mit den Augen, denn wenn das so einfach wäre, dann wären sie sicher nicht den ganzen Tag gelaufen. "Klar, wenn ich mich anstrenge, können wir sicher eine halbe Minute rumfliegen bis wir ins Nichts stürzen." Entgegnete sie ironisch. Luis hatte ihr eine Vision eines Weges gezeigt, doch im Grunde nicht mehr als eine Richtung. Eine Richtung in welche sie gegangen waren, auf einem Pfad der verblasste und der hier offenbar endete. 

"Aber wie kommen wir dann weiter?" Grübelte Markus vor sich hin. Erneut legten sich seine und Fionas fragende Blicke auf Isabelle. Ohne etwas zu erwidern machte diese einen großen Schritt auf den Abgrund zu, so weit dass Fiona die Angst packte und sie reflexartig einen Arm nach ihr ausstreckte. Auch wenn die Distanz zwischen den Schwestern zu groß für eine Berührung, oder gar einen rettenden Griff war, blieb Isabelle intuitiv stehen. Dann sah sie es. An der Felswand, dem Abhang, nur wenige Meter unter der Kante zu ihren Füßen, hingen duzende Körper von menschenähnlichen Wesen. Sie unterschieden sich im wesentlichen an der Hautfarbe, welche zwischen dunklem Rot und Lila-Schwarz, schwankte. Außerdem an den roten und gelben Augen, welche nach ihrem Tod, etwas verblichen waren.

Merkwürdig, wenn Menschen schwanden, verbrannten oftmals Teile ihres Körpers und es blieben nur Knochen, Blut und zerteiltes Gewebe zurück. Hier jedoch, hingen vollständige, zuteilen scheinbar unversehrte und doch leblose Körper. Die Finger und Fußspitzen in die Felswand geschlagen, festgewachsen. Plötzlich fiel Isabelle etwas auf. Sie hatte sich an die Kante gekniet, dann bemerkte sie die kleinen Symbole, welche den Boden zierten. Runen. Überall, soweit das Auge reichte und zu klein um sie aus dem Stand für mehr als eine Unebenheit im Dreck zu halten. Auch wenn sie mit dieser Schrift nichts anfangen konnte, nicht wusste, was all das zu bedeuten hatte, betrachtete Isabelle jede Kerbe genau und suchte nach einem Hinweis, der die drei weiter bringen könnte. Fiona und Markus sahen dem Ganzen ratlos zu. 

Isabell pustet vorsichtig den Staub über die Kante, der sich vereinzelt in die Kerben gelegt und einige beinah verschlossen und bedeckt hatte. Einen Meter zum Rand hin und endlos in die Länge, überall waren diese Runen. Sie suchte lang, doch für Höllenverhältnisse nicht mehr als einen Augenblick. Da war er, der Hinweis. In vertrauter Sprache, abseits der Runen, befand sich ein Schriftzug. "Kein Entkommen der Dämonenbrut." Leise wiederholte sie die Worte die sie zu lesen glaubte. Leider waren diese Worte ebenfalls sehr klein und manche Buchstaben kaum mehr zu entziffern. "Der Brut, oder dem Blut? Kein Entkommen dem Dämonenblut?" Sie überlegte ob es einen Unterschied machte. Konnten diese Wesen, diese Toten, ... konnten das Dämonen sein? Und wenn ja, was hatte sie daran gehindert, auch die letzten Meter zu klettern, die Kante zu überqueren? "Kein Entkommen vor den Dämonen. Nein, kein Entkommen für die Dämonen! ... Ich glaube das ist ein Zauber!" Rief Isabelle ihren Gefährten zu, denen diese Aussage nur noch mehr Kopfzerbrechen bereitete. "Die Schlucht ist ein Zauber? Wovon redest du?" Fiona versuchte freundlich zu klingen, sprach jedoch zu laut um ihre Worte kontrolliert betonen zu können. Ohne auf ihre Fragen einzugehen, begann Isabelle ihre Schwester mit der Hand heran zu winken, dann zeigte sie vorsichtig in die Tiefe, auf die Felswand. Ungläubig betrachtete Fiona die unzähligen Körper. "Du musst versuchen einen von ihnen hier hoch zu holen. ... Wenn ich mich nicht täusche, sollte es nicht funktionieren." Fiona stutzte. Was für eine Aussage. "Warum soll ich es versuchen, wenn es nicht funktioniert?"

Nyctophilia ✶ Regeln der HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt