Kapitel 20 - Erzwungene Nähe

4 1 0
                                    

Markus lag mit dem Hinterkopf dösend in Isabelles Schoß, diese lehnte an einem der Konstrukte, welchen die freie, weiße Fläche umringten, die den Mittelpunkt der Sphäre, Isabelles Hölle, bildete. Es war Zeit vergangen. In einer angehaltenen Dimension und in unbekanntem Ausmaße, aber es war Zeit vergangen; und Isabelle und Markus, begannen es zu spüren. Eine gewisse Vertrautheit hatte sich eingeschlichen, mehr noch als über die Dauer ihrer bisherigen Reise. Sie saßen im selben Boot und so hart es klingt, der Störfaktor namens Fiona, war fort. Dies war eine Alternative. Eine Alternative zum Schwesterngespann, ohne die Not in jemandes Auftrag handeln zu müssen. Ohne ein Ziel zu verfolgen, oder auf der Flucht zu sein. Vertrautheit durch erzwungene Nähe, doch ohne eine Schuldzuweisung. Dieser Ort war ein Gefängnis, doch auch ein Segen gewesen, wie eine kleine Insel im Pazifik, an welche man angespült worden war, kurz nach einem Schiffsbruch. Wissend das niemand einen retten kommen würde, weil niemand nach einem suchte. Isabelle begann zu erzählen: „Ich lief fort von Zuhause, weil ich mich selbst als Monster sah und glauben wollte, dass Fiona und unsere Mutter dies auch taten, allerdings..." Die Vorgeschichte zu dieser hatte Isabelle Markus bereits erzählt und wir kennen sie bereits aus der Sicht von Margarete, der Mutter von Fiona, bei welcher Markus darauf bestanden hatte, Isabelle solle sie in zukünftigen Erzählungen, doch auch als ihre Mutter bezeichnen, damit er nicht durcheinanderkommen würde. Eigentlich war das ein Vorwand gewesen. Er hatte bemerkt, wie sehr es Isabelle schmerzte, wenn sie sich dieser ... ihrer Familie enthob. Isabelle fuhr fort: „Ich befürchtete, dass Fiona und ... unsere Mutter, noch immer in Gefahr sein konnten und so wartete ich auf dem Nachbarsgrundstück, dass einer alten Frau gehörte, die mich in ihrem Garten sicher nicht zu schnell entdecken würde. Ich hatte einen guten Blick auf Fionas Zimmer und vor allem konnte ich sehen, ob sich jemand dem Haus, von vorn, oder von hinten näherte." Sie stoppte für einen Moment, was Markus nutzte, um eine Frage einzuwerfen. „Was war denn da für eine Jahreszeit? Also wenn du den ganzen Tag im Garten gewesen bist ..." Keine dumme Frage. Isabelle kannte den exakten Zeitpunkt, das Datum, die Uhrzeit, erinnerte sich an den Grünton der Blätter, welcher auf die Wetterverhältnisse schließen ließ. Sie erinnerte sich an jegliche Details. Sie wusste, wann wer was getan hatte, wie windig es war, wie die Sonne stand. Sie war darauf trainiert worden sich alles bis aufs kleinste Detail zu merken und Dinge wahrzunehmen, die jeder andere übersehen würde. Wie eine einbehaltene Gesichtsregung, welche ein Lächeln hätte werden können. Sie schluckte.

Letztlich entschied Isabelle nach einigem Überlegen, ihre Antwort etwas dünner ausfallen zu lassen, um nicht als Freak wahrgenommen zu werden ... nein, ehr um Markus in seiner Einfachheit, nicht schon wieder auf seine Unfähigkeit aufmerksam zu machen. „Ich war einige Tage da draußen und nachts war es kalt. Auf jeden Fall hatten die Blätter des Apfelbaumes im Garten unserer Nachbarin einen olivgrauen Stich." Markus überlegte: „Hm, keine Ahnung wie lange ein Apfelbaum grüne Blätter hat." Ein kaum hörbares Seufzen ran Isabelle über die Lippen. Das war eine gute Entscheidung gewesen. Er war nicht einmal auf die Idee gekommen zu fragen, ob an dem Apfelbaum, überhaupt Äpfel hingen. Einfach halt. Markus war einfach gestrickt. „Und was war nach den paar Tagen?" Er schaute zu ihr auf. Ein schönes, doch auch etwas eigenes Bild. Markus wirkte beinah wie ein Kind, das von seiner Mutter eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen bekam. So konnte man es sehen. Darauf konnte man sich recht leicht einlassen. Nicht mehr, wenn man darüber nachdachte, was passieren würde, wenn Isabelle ihren Kopf in Markus Schoß legen würde. Da ging es nicht um Elli, oder Liebe, sondern um einfach körperliche Bedürfnisse, welche die meisten Menschen jedoch besser zu kontrollieren vermochten. Ein Verlangen mit einem übergeordneten Schuldbewusstsein, welche jedoch kaum eine Befehlsgewalt ausstrahlte. Isabelle wusste um Markus ordinäre Gedanken, welchen ihn vereinzelt immer wieder heimsuchten. Allerdings wusste sie auch, dass Markus sich nicht groß verstellte, sich jedoch stets bemühte ein guter Zeitgenosse zu sein und nicht unangenehm aufzufallen. Ihr keine Bürde, keine Last zu sein. Isabelle schaffte es einen jeden Menschen nach dem zu beurteilen was ihn tief drinnen ausmachte und als das zu akzeptieren was er war. Isabelle war die Sonne. Eine kalte, aber dennoch herzliche Sonne, wie jene welche Markus in ihrer trügerischen Pracht am finsteren Firmament der Hölle erblickte, seit er mit diesem sonderbaren Kristall, dem Lebensglas, in Berührung gekommen war. Niemals hätte Isabelle sich an dem Aussehen von jemandem angewidert, wenn der Charakter dieser Person, Tugend, Moral und Anstand bewies. Leider hatte sie in der Hölle und auch im Leben nur wenige Menschen getroffen auf welche dies zutraf und im Gegensatz zu Markus, der es immerhin gut meinte, gehörte Fiona nicht von Anfang an zu ihnen.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: May 09, 2022 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Nyctophilia ✶ Regeln der HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt