Kapitel 16 - In der Schwebe

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Kein Ruderboot auf dem Ozean, keine Gefahr zu verhungern, nur der unendliche Abgrund und die Ungewissheit darüber was er verbarg. ... Fionas Kräfte schwanden und ihr Unbehagen wurde mit jeder Sekunde präsenter. Warum wollte Isabell immer noch weiter gehen? Was wenn da nichts war? Kein rettendes Ufer. Kein Weg. Fiona vertraute ihrer Schwester, doch war sie am Ende, kaum mehr in die Lage sich zu konzentrieren, müder und ausgelaugter als sie es zeigte. Es kostete sie wenig Kraft ihre Fähigkeit zu nutzen, doch zehrte es an ihrer physischen und psychischen Ausdauer. Man konnte es sich vorstellen als müsste sie etwas Schweres tragen und gleichzeitig auf einem Seil balancieren. Ein Drahtseilakt in astronomischer Höhe. Immer wieder fielen Fiona die Augen zu, dann begann sie zu schwanken. Markus bemerkte es als erstes und fing sie auf als sie gerade zu stürzen drohte. Als er dann noch merkte, dass sich Fiona unkommentiert und ohne Weiteres von ihm helfen ließ, wurde ihm klar dass etwas nicht stimmte. Er spürte, dass sie diese Hilfe brauchte und wie Ernst die Lage war. "Isabelle! Fiona braucht Hilfe!" Markus stützte Fiona weiter und half ihr sich zu setzen, womit auch die Plattform zum stillstand kam. Dann versuchte er ihre Augen offen zu halten, drohte sie nun wo sie saß umso leichter einzuschlafen. "Ruh dich aus, aber du musst wach bleiben." Vorsichtig klatschte er ihr mit seiner Vorderhand auf die Wange, was dafür sorgte das sie immer wieder kurz die Augen öffnete. Sie schaute Markus an. "Ich hau dir gleich eine rein." Stöhnte sie vor sich hin, dann war sie wieder weg. Die Plattform begann zu zittern. Plötzlich kniete auch Isabell vor ihr. Sie griff ihre Hand und gab ihr etwas von ihrer Kraft, was sie wenigstens ein wenig wacher machte und das zittern fürs erste wieder stoppte. ... Als würde sie im sterben liegen, versuchte Fiona ein paar letzte Worte zu flüstern: "Ich glaube ich kann nicht noch weiter gehen." Ihre Augen begannen zu tränen. "Ich lass dich schon wieder im Stich." Isabelle schaute sie freundlich an, dann lächelte sie. "Alles ist gut." Nun vergoss auch Markus eine Träne, der von so viel Liebe und Aufopferung deutlich gerührt war. Isabelle sprach weiter: "Du musst jetzt nicht mehr kämpfen, wir sind da." Markus brauchte einen Moment um das Gesagte zu verarbeiten. Was? Sie waren da? Vorsichtig drehte er sich um und schaute in die Richtung in welche sie gegangen waren. Tatsächlich! Von trüber, verdreckter Luft, vielleicht auch Nebel gebleicht, ließ sich in der Ferne eine Klippe erkennen. Ein abgebrochenes Stück Land, wie jenes von welchem sie gestartet waren. "Gottseidank! Ich dachte schon wir sterben hier!" Rief Markus laut und sabotierte die Erleichterung welche nun auch Fiona ereilt hatte, mit dem Gedanken an ein Szenario in  welchem sie zwar gefallen wären, dafür aber Markus Dummheit nicht mehr ertragen müssten.

Fiona fasste neue Kraft und schaffte es mit Isabelles Hilfe wieder aufzustehen. In kleinen Schritten gingen sie weiter. Diesmal führte Markus die Gruppe an, was ihm kurzzeitig das Gefühl gab eine Bestimmung gefunden zu haben und sein Selbstbewusstsein stärkte. "Wir werden sogar schon willkommen geheißen." Sagte er freudig, konnte er direkt voraus eine Person erkennen, welche am Rand des Abgrunds stand und zu ihnen hinüber schaute. Fiona die gar nichts erkennen konnte, war irritiert. "Ist das dein Beschützer?" Markus kniff die Augen zusammen: "Schwer zu sagen." Plötzlich fuhr ein Blitz durch Isabelles Gedanken und ihre Miene verfinsterte sich. Wer? Sie sah die Gestalt vor sich. Eine leuchtende Präsenz, ein Mann. Er erhob seine Arme. Schlagartig ließ Isabelle ihre Schwester los und schnellte nach vorn. Fiona wusste nicht wie ihr geschah. Das Gleichgewicht verlierend, versuchte sie sich irgendwie abzufangen, bevor sie über die Kante fallen würde. Isabelle nahm keinerlei Rücksicht mehr, sie stieß Markus zur Seite, schnipste mit Daumen und Zeigefingern, was weiße Funken erzeugte, welche durch die Luft tanzten und verglühten. Dann mit einer Bewegung als würde sie eine Bowlingkugel werfen, zog sie ihre Hand nach vorn, woraufhin ein weicher Lichtblitz in Richtung des Mannes schoss, der am rettenden Ufer stand, diesen jedoch nicht erreichte. Aus voller Kehle schrie Isabelle los: "Warte! Nicht..!" Der Mann streckte seine Arme horizontal zur Seite, die Handflächen nach vorn gerichtet, als wartete er auf eine Umarmung. Dann... Bedrohliche Stille. Langsam erhob er sich in die Luft, kein Boden unter seinen Füßen. Ein Impuls. 

Nyctophilia ✶ Regeln der HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt