Ein Loch in der Wand. Eine Tür? Wie um alles in der Welt kommt eine Tür an diesen Ort? Ach ja, womöglich... die Schwestern. Aiden stand im Flur seines Treppenhauses, wollte er doch noch ein letztes Mal in seine Wohnung zurückkehren, um ein paar Sachen zu holen. Seit seine vierköpfige Familie sich in der Hölle wiedergefunden und begriffen hatte, dass manche Taten die sie zu Lebzeiten für richtig gehalten hatten, wohl doch problematisch, oder fragwürdig gewesen sein mussten, lebten sie in der Hölle gemeinsam in Dankbarkeit und Harmonie. Es war nicht so, dass sie böse waren, eigentlich wollten sie helfen und in ihrer Sekte führten sie unter der Hand Zeremonien durch, bei welchen sie Menschen, die nicht mehr leben wollten, eben diesen Wunsch erfüllten. Aiden hatte sich nie richtig wohl damit gefühlt, dennoch hatte er, um seine Eltern nicht zu enttäuschen, mit 14 Jahren bereits das erste Mal einem Mann sauber und schnell, die Kehle durchgeschnitten. Man gewöhnte sich dran. Eines Tages erfuhren die falschen Leute von dem was sie dort taten und so kam es, dass eben diese Leute eines Nachts einen Brand legten, bei welchem Aiden und seine Familie in Feuer und Rauch dahinschieden und beinah zeitgleich zur Hölle fuhren. Aiden war nun groß gebaut, muskulös, mit einem kantigen Gesicht und wirkte wie Mitte zwanzig, allerdings sah er nicht immer so aus. Jetzt stand er also vor der Tür zu der Wohnung in welcher Isabell und Fiona bislang gelebt hatten. Er kannte sie, zumindest hatten sie ein längeres Gespräch geführt als sie eingezogen waren und er hatte sich immer gefragt, ob sie sich wohl umentschieden hatten, da er die meisten seiner Nachbarn kannte, aber diese Beiden nach ihrem Gespräch nie wieder zu Gesicht bekam. Es wirkte als hätten sie ihn damals getestet, ausgehorcht um zu erfahren ob er vertrauenswürdig sein würde. Vorsichtig öffnete er die nun nur noch angelehnte, verwitterte Tür und spähte in den langen dunklen Gang. "Isabell? Fiona?" Das er sich die Namen gemerkt hatte lag wohl daran, dass sie ihm diese erst nicht verraten wollten, doch Isabelle sich verplapperte und die Beiden dann beschlossen eine Ausnahme zu machen. Dank des Halles war es nicht nötig besonders laut zu rufen. "Ist hier jemand? Ich will nur schauen, ob alles okay ist." Keine Antwort. Er wollte gerade umdrehen, als ihm ein Luftstoß entgegenkam. Es war als hätte am Ende der Wohnung irgendwer ein Fenster geöffnet und für Durchzug gesorgt. "Hallo?!" Daraufhin ging er nun doch, fest entschlossen weiter, denn wirkte es als hätte ihm soeben jemand ein Zeichen gegeben. Jemand der womöglich nicht mehr in der Lage war zu sprechen. Eigentlich hatte es Aiden etwas eilig, war doch heute der große Tag der Abreise auf welchen seine Familie und er so lange gewartet und gespart hatten. Heute würden sie zur Kerbenwand reisen und durch diese in eine andere Höllenzeit, eine andere Hölle gelangen. Einen Führer hatten sie bereits gefunden, über einen Bekannten der ihnen versichert hatte, dass diese Person ihr Geld wert und vor allem zuverlässig sei und sie bei der Wahl einer Kerbe, einer Hölle, in der es sich gut leben ließ, kompetent beraten könne, hatte dieser jemand doch selbst schon einige Reisen hinter sich. Dennoch war es ein Risiko und ein großer, womöglich unumkehrbarer Schritt, den sie aber machen mussten, glaubten sie doch an die Prophezeiung der Endzeit. Hierbei handelte es sich im Grunde um ein Gerücht, welches aus Vermutungen erwuchs, kamen doch immer mehr Menschen in der Hölle an die davon sprachen, dass die Menschheit ihr baldiges Ende finden würde, was - wenn man davon ausging, dass selbst wenn es in der Welt der Lebenden bis dahin nur noch zehn Jahre dauern würde - in der Hölle immerhin gut fünfhunderttausend Jahren entspräche. ... Wie dem auch sei. Man kann nie vorsichtig genug sein und außerdem kommt einem die Ewigkeit irgendwann auch nur noch wie ein Wimpernschlag vor.
Aiden erreichte den Raum mit den von Tüchern bedeckten Möbeln und wunderte sich über die Bauweise, gab es für Architektur in der Hölle im Grunde auch keine irdischen Grenzen. Es war doch so. Eigentlich sollte dort wo sich der Raum befand das Stockwerk bereits zu Ende sein, also war wohl die ganze Wohnung mit Magie erschaffen worden. Das hatte bestimmt sehr lange gedauert und hatte eine ganze Menge Kraft gekostet ... und jetzt ließen sie das alles einfach zurück? Na gut, ... vielleicht wollten auch sie in eine andere Höllenzeit, aber dass sie am selben Tag abreisten wie er, erschien ihm doch ausgesprochen unwahrscheinlich. Weit und breit war niemand zu sehen. So wie sich Markus gefragt hatte, ob das Licht am Ende des langen Raumes wohl von Fenstern kam, fragte sich Aiden nun dasselbe. Woher sonst sollte der Luftstoß gekommen sein. Langsam durchschritt er den nunmehr trist wirkenden Ort, der nicht so aussah, als ob sich hier jemals jemand wirklich zuhause gefühlt haben könnte. Plötzlich vernahm Aiden mit dem erneuten Aufsetzen seines Fußes ein weiteres Geräusch. Es klang als wäre eine Gitarren-... nein eine Klaviersaite gerissen. Gerissen unter Spannung und so schnell, dass man kaum von einem Ton sprechen konnte. Erschrocken sah er sich um und erblickte zu seiner Rechten, eine kleine, schwarze, quadratische Box, welche auf dem Boden stand und an der Seite mit einer Kurbel versehen war. "Echt witzig. Soll mir das Angst machen?" Aiden glaubte nun nicht mehr, dass er allein war, er glaubte das ihm jemand einen Streich spielen wollte und dafür hatte er nun wirklich keine Zeit. Als auf seine Frage niemand antwortete, drehte er sich um und wollte gerade gehen, als er wieder etwas hörte. Die Box war umgekippt, sodass der Deckel in seine Richtung zeigte und dann ging alles ganz schnell. Eine Sekunde lang hörte man ein mechanisches Lachen, dann öffnete sich die Kiste und ein kleiner, schwarzer Teufel, an einer endlosscheinenden Metallfeder - welche von schwarzem Stoff umkleidet war und wohl ein Gewand darstellen sollte - schoss über den Boden in Aidens Richtung, bis hin zu seinem vorderen Schuh, den der Teufel nun fest zu umklammern schien, lag im Grunde doch nur seine Hand aus Stoff und Porzellan darauf. Verwirrt, aber unbeeindruckt, schaute Aiden nach unten, hatte der Streich doch offensichtlich nicht gut funktioniert. Nun begann sich der Kopf des Teufels, der sich unproportional zu den fingergroßen Armen, mit dem stolzen Umfang einer Kirschtomate rühmen konnte, langsam zu drehen und endete nach 180 Grad, so dass er genau in Aidens Gesicht schauen konnte. Wieder begann er zu lachen. Die Augen waren klein und rot und der Mund ging einmal von ganz links, bis ganz rechts. Quasi wie vom Nordpol bis zum Südpol wäre er ein Planet gewesen. "Ist jetzt nicht langsam ge... ?" Nach dem sechsten "Ha", dem letzten Lachen, öffnete sich der Mund des Teufels ein weiteres Mal, doch diesmal kam kein Ton heraus. Stattdessen schoss Aiden eine brotmesserbreite, zweischneidige, ebenfalls endloslange Klinge entgegen, welche er dank ihrer Geschwindigkeit und dem Winkel, aus dem man sie nur minimal erkannte, nicht schnell genug wahrnehmen konnte. Erst als sich sein Augenlicht verfärbte, sein Blick verwaschen zu zittern begann und ein Schauer von seinem Nacken bis zu seinen Füßen wanderte, als er sah wie eine erste rote Träne auf dem spiegelndem Metall tanzte, wusste er was passiert war. Jedoch verstand er um alles in der Welt nicht warum dies passierte. Auf einmal war die Klinge wieder im Rachen des Teufels verschwunden und dieser lag nun regungslos am Boden, als wäre er nie etwas anderes als eine gruselige Puppe gewesen. Aiden spürte wie ihn langsam die Kraft verließ. Er taumelte zwei Schritte nach hinten, dann kippte er um.
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Nyctophilia ✶ Regeln der Hölle
Fantasía✚ Totgeglaubte leben länger ✚ Eine Reise in die Hölle und zurück, vom Beginn der Ewigkeit, bis ans Ende der Zeit. Magie, Macht und Liebe wo man keine Liebe vermutet.