Kapitel 19 - Krieg der Gefühle

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Sie war es leid gewesen allen dabei zuzusehen wie sie sich mit jemand Anderem amüsierten und so hatte Mora ihr Gewehr geschultert und beschlossen sich in dem Zoo mal etwas genauer umzusehen. Diese Zweisamkeit von Mina und Aiden kotzte sie an und Thea wirkte als würde sie die nächsten Stunden nicht mehr damit aufhören wollen, diesen doofen, naja, eigentlich doch auch ganz süßen Bären zu streicheln und zu kraulen. Der Alte, Charlie, hatte sich in eine Ecke gesetzt und war eingeschlafen und Haon hatte sich bereits vor ihr von der Gruppe entfernt. Mora schlief nie. Es war zwar möglich in der Hölle zu schlafen, jedoch versetzten sie ihre Träume immer in die Zeit zurück zu welcher sie im Krieg war, gekämpft und getötet hatte. Sünden.. von welchen sie nicht wusste, dass es welche waren. ... Eigentlich war es keine schlimme Zeit. Sie hatte beim Militär eine Familie, ein Zuhause gefunden, war erblüht. Sie hatte dort Freunde und sogar ihre erste Erfahrung mit einer Frau gemacht. Mora hatte nie mit einem Mann geschlafen. Ihre Familie hatte sie streng erzogen und auch wenn sie sich ab und an widersetzt hatte, so glaubte sie fest daran, dass sie irgendwann ihren Seelenverwandten treffen, heiraten und Kinder kriegen würde. Sie wollte sich für die Hochzeitsnacht aufsparen, ihre Eltern glücklich machen, doch dann lernte sie María kennen, eine junge aufmüpfige Spanierin, die ihre Autorität in Frage, ihre Geduld auf die Probe und letztlich ihre Gefühlswelt vollkommen auf den Kopf stellte. 

Mora hatte es, dank ihrer Überzeugungen, Fleiß und Engagement bald zur Truppführerin gebracht und fand sich, zusammen mit zwei anderen Teams, in einem Zeltlager, nahe eines Krisengebiets wieder, in welchem ein Bürgerkrieg herrschte, welcher für alle Parteien zum Ziel hatte, die Quellpunkte, Vorkommen bestimmter Ressourcen unter die jeweilige Kontrolle zu bringen. Mora war noch vergleichsweise jung, einige Frauen die unter ihr dienten, waren bis zu 10 Jahre älter als sie, doch schaffte sie es, sich, mit Disziplin und einem eisernen Willen, ihren Respekt zu verdienen. Sie machte ihren Job sehr gut und von ihren verborgenen Versagensängsten, welche sie dennoch zuweilen plagten, hätte auch niemand etwas mitbekommen, hätte es da nicht María gegeben. Marías Art war hochnäsig, selbstsicher und dickköpfig. Sie war der Armee beigetreten obwohl sie es hasste Befehle entgegen zu nehmen, gesagt zu bekommen was sie zu tun habe, weshalb man ihren Worten auch meist einen Hauch Ironie entnehmen konnte. Zuvor war sie in einem gemischten Trupp mit einem männlichen Vorgesetzten gewesen, welcher ihr absolut zuwider gewesen war, doch irgendwie war ihr Mora sympathisch gewesen und so hatte sie begonnen sich einen Spaß daraus zu machen, immer und überall, mal dezent, mal sehr offensichtlich mit ihr zu flirten. Als María dann noch bemerkte, dass Mora das ganze ziemlich unangenehm zu seien schien und diese zuweilen beinah aus ihrer Rolle der steinernen Anführerin, der eisernen Jungfrau - ja, sie hatte definitiv einiges mit diesem Folterinstrument gemein - ausbrach und die Fassung zu verlieren drohte, legt María erst richtig los.

Fast zwei Wochen warteten die Soldaten in dem kleinen Zeltlager auf neue Befehle. Entweder dem zum Ausrücken, oder womöglich einer Rückzugsanordnung, denn so ein Auslandseinsatz konnte immer und unvermittelt zu Ende gehen, auch ohne das wirklich einer wusste wieso. Tage lang verweilten die gut ein Dutzend Frauen, Karten spielend, eingeengt und unter psychischem Druck, bis eines Morgens die Nachricht kam, es würde nun losgehen und innerhalb der nächsten 24 Stunden sollen sich alle bereit machen. Genau an diesem Morgen passierte es auch, dass gar nicht all zu weit entfernt, ein dunkler Rauchschleier gen Himmel stieg und wie ein schlechtes Omen, den blauen Himmel mit einer bitteren Wahrheit befleckte. Die Wahrheit die alle zu verdrängen versucht hatten. Sie befanden sich im Krieg. "Im Südosten steigt Rauch auf!" Rief eine Stimme und das Zelt - in welchen soeben noch alle herumgelegen, der Hitze trotzend, den Schweiß aus ihren Gesichtern gewischt hatten - durchzog ein leises, jedoch langsam immer lauter werdendes Raunen, bis sich die Ersten in Bewegung setzten, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen. Mora war voran marschiert und ihr Trupp halbwegs geordnet hinterher, bis sie plötzlich aus dem Augenwinkel eine Person erspähte die sich geduckt zurückfallen ließ und sich davon stahl. Mora gab den Anderen die Erlaubnis ohne sie bis hin zum östlichen Zaun zu laufen, dann folgte sie der Ausreißerin. Die Zelte standen eng aneinander, vor ihnen befanden sich die Stellplätze der Transportfahrzeuge, keine Panzer oder Helikopter, ehr unterschiedlich ausgerüstete Jeeps und zwischen den Zelten und den Zäunen, gut sichtbar um einem Diebstahl vorzubeugen, stapelten sich große Kisten mit Vorräten, Waffen, Nahrungsmitteln und Kleidung. Mora gelangte an eine Sackgasse aus welcher es kein Entkommen zu geben schien und dennoch wirkte es als wäre sie allein, was sie irritierte. Wo konnte die Ausreißerin hingegangen sein? Der Zaun vor ihr war unüberwindbar und ansonsten gab es hier nur einige gründlich abgesteckte Zeltrückseiten, zwei Palmen und Sand. Plötzlich hörte Mora ein leises: "Scheiße." Dann sah sie wie jemand neben ihr aus recht großer Höhe zu Boden stürzte. Mora erschrak, dann erkannte sie María, welche auf eine Palme geklettert, dann aber den Halt verloren hatte und beinah ungebremst hinab gestürzt war. In diesem Moment dachte keiner der Beiden an ihre Differenzen. Voller Sorge und behutsam hob Mora, welche dank ihres großen Körperbaus und dem täglichen Trainings, einiges an Gewicht stemmen konnte, die womöglich verletzte María hoch und brachte sie zum Sanitätszelt. María hielt sich ihr Bein und wirkte benommen als hätte sie sich den Kopf angeschlagen. Mit müdem Blick schaute sie zu Mora auf. Sie war Dankbar und fühlte sich in guten Händen. Als Kombination aus ihrer Art und ihrem Zustand, formten sich faktische, doch auch spitzzüngige Worte: "Du bist so stark.. " Sprach María ohne einen Hauch von Ironie, dann legte sie ihren Kopf an Moras Brust und flüsterte: "Mein Prinz." Mora versuchte ihre Worte gekonnt zu ignorieren und hoffte das María das Ganze später wieder vergessen haben würde. Sie gab die Verwundete in die Obhut der Feldsanitäter, welche bis dato ebenfalls nicht wirklich etwas zu tun gehabt hatten und kehrte zum Rest ihres Trupps zurück. Noch bevor die Sonne untergegangen war, machte sich ein Gerücht breit, dass María sich die Verletzungen absichtlich zugefügt habe, um am nächsten Morgen nicht ausrücken zu müssen, welches sich hielt, obwohl Mora das Geschehen geschildert und diese Vorwürfen vehement zurückgewiesen hatte. Am Ende des Tages ging sie dann noch einmal zu der Verletzten um ihr von alle dem zu berichten, fand sie es doch nicht in Ordnung, dass alle hinter ihrem Rücken schlecht über María redeten.

Nyctophilia ✶ Regeln der HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt