Die Wellen schlugen sanft gegen den Rumpf des Schiffes, als die Sunny in den Hafen einlief. Über ihnen brannte die Sonne erbarmungslos vom strahlend blauen Himmel und ließ das Gras auf dem Hauptdeck fast ebenso sehr leuchten wie Lysops Sonnenbrand. Seit fast einem Monat waren sie jetzt ununterbrochen auf See gewesen, und je näher sie dieser Insel gekommen waren, desto erdrückender waren die Temperaturen geworden.
Nun waren sie endlich angekommen, und die meisten von ihnen konnten es schon jetzt kaum erwarten, wieder von hier weg zu kommen. Nur Franky schien es zu gefallen. Er saß mit seiner Sonnenbrille und einem Schraubenzieher bewaffnet auf dem hinteren Deck und bastelte eifrig an einer seiner Erfindungen herum, wobei er Lysop gar nicht zu bemerken schien, der sich neben ihm unter einen Sonnenschirm verkrochen hatte und die Zunge heraushängen ließ wie ein dehydrierter Hund.
Doch trotz der feindseligen Temperaturen sah die Insel sehr einladend aus. Schon von weitem waren weitläufige grüne und goldbraune Felder und Obstplantagen zu sehen gewesen, die sich über die sanften Hügel zogen und zwischen denen sich vereinzelt Häuser an die Hänge schmiegten. Menschen waren hier im Hafen nicht zu sehen, es lagen auch keine weiteren Schiffe vertäut, abgesehen von zwei kleinen Fischerbooten und einer bunt angemalten Nussschale, die den etwas übertrieben wirkenden Namen Bootzilla trug. Viele Menschen schienen hier nicht zu wohnen, und die, die es dennoch taten, hatten sich vermutlich vor der Mittagshitze in ihre Häuser verkrochen.
„Wir sollten noch warten, bevor wir an Land gehen. Bei den Temperaturen wäre es schlauer, auf den Abend zu warten", meinte Robin, die unbemerkt neben Nami getreten war.
Die Navigatorin stimmte ihr zu. „Aber bring das mal Ruffy bei. Es ist sowieso schon ein Wunder, dass er nicht längst schon über Bord gesprungen und die Insel erkunden gegangen ist."
Letztendlich entpuppte es sich als überraschend einfach, den Kapitän zu überzeugen. Sanji musste ihm nur ein Eis anbieten, und Ruffy saß selig vor sich hin löffelnd in der Küche, ohne einen weiteren Gedanken an die Insel zu verschwenden.
Als sie sich dann schließlich doch an Land wagten, war es bereits später Nachmittag. Die Sonne stand zwar noch immer hoch am Himmel und dörrte erbarmungslos die Landschaft aus, doch einiges ihrer Kraft war bereits verloren gegangen. Die Menschen der Insel regten sich wieder; in der Ferne konnte man leise Musik hören, die über die Hügel zog, und ein hölzerner Planwagen mit zwei vorgespannten Bauernpferden ratterte an den Strohhüten vorbei, als sie sich auf dem gepflasterten Weg vom Hafen ins Innere der Insel befanden. Ausgedörrtes Gras säumte in breiten Streifen den Weg, und dahinter breiteten sich unzählige Quadratmeter Felder, Obstbäume und Beerensträucher aus, die sich hier pudelwohl zu fühlen schienen. Ihre bunten Früchte bildeten bunte Kleckse in der Landschaft.
Nach einer Weile kamen die Strohhüte an einer kleinen Ansammlung von Häusern an, vor denen kleine Kinder spielten. Sie plantschten fröhlich in einer Matschgrube vor sich hin, die im Schatten des vordersten Hauses ausgehoben worden war. Neben der Tür lehnten strohgefüllte Steckenpferde an der Wand. Als sie die Neuankömmlinge bemerkten, sprangen die Kinder aufgeregt auf und liefen zu der Crew, um sie zu begrüßen. Offensichtlich waren sie nicht an den Besuch von Piraten gewöhnt, denn sie schienen überhaupt nicht auf den Gedanken zu kommen, dass ein Haufen von seltsam aussehenden Fremden ihnen etwas Böses wollen könnte.
Als sich das größte Geschnatter gelegt hatte, fragte Nami sie schließlich, ob ihre Eltern zuhause wären. Sie mussten irgendwie in Erfahrung bringen, wie lange der Logport zum Aufladen brauchte, und das würde ihnen eine Bande Kinder kaum sagen können. Es wäre auch nicht schlecht, ein paar Vorräte zu beschaffen.
Eines der Mädchen nickte eifrig und verschwand in einem der Häuser, wobei es schlammige Fußabdrücke auf dem Weg und im Hauseingang hinterließ.
„Entschuldigung?", wandte sich ein kleiner Junge an Sanji. „Ihr seid doch Piraten, oder?" Offensichtlich wussten sie doch, wer sie waren, und verhielten sich entweder vollkommen gleichgültig oder vollkommen lebensmüde. So ganz sicher war Sanji sich da nicht.
„Ja, das sind wir. Hast du keine Angst vor Piraten?", fragte er vorsichtig.
Der Junge schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich finde Piraten supercool. Mein Opa war auch mal einer, bevor er zu alt wurde."
Sanji grinste. Ob das so ein gutes Vorbild sein konnte, war fraglich. „Das freut mich. Aber du solltest trotzdem vorsichtig sein, wenn du mit Piraten zu tun hast. Die meisten sind nicht so freundlich."
Nami sah den beiden zu und konnte nicht verhindern, dass sich ein leises Kribbeln in ihrer Magengegend bemerkbar machte. Sanji konnte zwar der größte Vollidiot unter der Sonne sein, aber in Momenten wie diesen machte ihr Verstand dennoch den Gefühlen Platz. Und sie hasste sich dafür.
In ihre Gedanken versunken bemerkte sie Robin erst, als sie ihr auf die Schulter tippte. „Nami."
Sie runzelte die Stirn. Der Tonfall der Archäologin verhieß nichts Gutes. „Ja?"
„Ich fürchte, Ruffy und Zoro haben sich mal wieder abgesetzt."
„Was? Oh nein, nicht schon wieder...", jammerte Nami. „Da lässt man diese orientierungslosen Vollpfosten eine Sekunde lang aus den Augen..."
Sie wusste nicht so recht, ob sie weinen oder an die Decke gehen sollte. Was hinderte die beiden denn daran, einmal bei der Gruppe zu bleiben wie normale Menschen? Stattdessen rannte auf jeder verdammten Insel mindestens einer von ihnen weg und stellte Gott-weiß-was an, während sie mal für einen winzig kleinen Moment nicht aufpasste. Es machte wirklich keinen Spaß, den Babysitter für einen kindsköpfigen Gummiball und einen versoffenen Seeteufel zu spielen.
Sie seufzte geschlagen. „Okay, wir müssen sie suchen, bevor sie noch versehentlich die Insel versenken. Chopper? Wir sind vorhin über eine Kreuzung gekommen. Könntest du die rechte Abzweigung übernehmen?"
„Aber klar doch!" Chopper legte den Huf an die Stirn, wie zu einem unbeholfenen Militärgruß, wechselte in seine Rentierform und stob davon.
„Sanji...?"
Der Koch seufzte. „Natürlich, Namilein. Ich fange diese Schwachmaten wieder ein, verlass ich auf mich."
„Danke, Sanji." Im Endeffekt konnte man sich dann doch immer auf den Blonden verlassen, auch, wenn er meistens nichts weiter als ein hoffnungsloser Schwärmer war.
Von der Seite mischte sich nun Lysop ein. Nachdem er den Kindern genug fantastische Geschichten erzählt hatte, die sich alle um die Abenteuer des großen Käpt'n Lysop und seinen guten Freund Sogeking, König der Scharfschützen und Stolz von Sniper Island, drehten, war er nicht umhingekommen, ihre Unterhaltung mit anzuhören.
„Bring sie am besten zur Sunny zurück und binde sie an den Mast, dann stellen sie vielleicht nicht mehr so viel an", warf er ein.
Sanji grinste. „Gute Idee, Lysop." Er bezweifelte zwar, dass das viel bringen würde, aber für den Anblick würde es sich schon mal lohnen.
Nami murmelte leise etwas, das sich wie „Ja bitte" anhörte.
Dann machte Sanji sich auf den Weg durch die brütende Hitze zurück zur Kreuzung, wo er den linken Weg einschlug und sich innerlich dazu gratulierte, dieses eine Mal keinen Anzug angezogen zu haben. Darin wäre er inzwischen schon gebraten gewesen wie ein Fisch im Blätterteig.
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Memories - ZoSan [One Piece FF] - abgeschlossen
FanfictionAls Sanji die Augen aufschlägt, erinnert er sich an nichts mehr. Ein großer Teil seiner Selbst scheint sich spurlos in Luft aufgelöst zu haben, und die Strohhüte müssen sich auf eine gefährliche Reise begeben, um ihn wieder zurückzuholen. Doch manch...