Chapter 12

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Am nächsten Morgen wachte Sanji von selbst auf. In dem Gang war es noch dunkel, doch das sagte hier unten ja nicht viel über die Tageszeit aus. Sanji sah neben sich, wo Zoro auf der Nachbardecke selig vor sich hin schnarchte. Er hatte ein warmes Gefühl in der Brust, als er ihn ansah. Es fühlte sich gut an, dieses eine Mal ein Geheimnis bei sich zu tragen, dass ihm nicht nur Kummer bereitete.

Bei einem weiteren Blick durch den Gang sah er, dass Ruffy schon wach war, was äußerst ungewöhnlich war. Er saß an der Rückwand der kleinen Sackgasse und war in eine ernste Diskussion mit Franky vertieft. Sie sahen beide nicht gerade glücklich aus.

Sanji stand auf und ging zu ihnen, wobei er vorsichtig Zoro auswich und über Brook stieg, der im Schlaf sabberte und irgendetwas von goldenen Unterhosen murmelte. Sanji schüttelte den Kopf und ging weiter.

„Morgen, Sanji-bro", begrüßte Franky ihn, als er bei den beiden eintraf.

„Hey, Franky. Morgen, Ruffy. Ist alles in Ordnung?"

"Lysop ist verschwunden", sagte der Kapitän mit einem düsteren Blick. „Er hätte die letzte Wache halten sollen, aber danach ist er nicht wieder aufgetaucht."

Franky nickte bedrückt. „Wir haben den Hauptgang zu beiden Seiten abgesucht und sind bis in die Höhle zurückgegangen, aber nirgendwo eine Spur von ihm."

„Wahrscheinlich ist er gefressen worden", mischte sich eine neue Stimme von der Seite her ein.

Sanjis Herz zog sich erschrocken zusammen, und er sprang mit einem gewaltigen Satz zur Seite. Die Ereignisse des letzten Tages hatten ihn offenbar ein wenig schreckhaft werden lassen.

„Robin!", rief Ruffy entsetzt. „Sag doch so was nicht! Lysop lässt sich nicht so leicht fressen. Zumindest hätte er laut genug geschrien, dass wir es mitbekommen hätten."

„Das stimmt", pflichtete Franky ihm bei. „Unser Scharfschütze hat eine ganz schön kräftige Stimme. Wir hätten es sofort gemerkt, wenn er angegriffen worden wäre."

„Wir sollten erst einmal die anderen wecken und dann alle gemeinsam nach ihm suchen", schloss Sanji sich wieder der Diskussion an, als er sich einigermaßen von seinem Schock erholt hatte. „Ich verstehe zwar nicht, warum ausgerechnet Lysop auf eigene Faust losziehen und die Tunnel erkunden gehen sollte, aber irgendwo wird er schon stecken."

Die anderen nickten. In ihren Gesichtern spiegelten sich Sorge und – im Fall von Robin – verhaltene Neugier wider. Sanji dachte lieber nicht genauer darüber nach. Sie weckten der Reihe nach die anderen Mitglieder der Strohhutbande auf und versammelten sich dann mehr oder weniger schlaftrunken an der Feuerstelle in der Mitte ihrer improvisierten Lagerstätte.

Während sie alle an ihren Sandwiches knabberten, erklärte Franky das neue Problem, dass sich über Nacht aufgetan hatte. Als er geendet hatte, schien nur Ruffy noch wirklich Appetit zu haben. Allen anderen war er so ziemlich vergangen.

„Zoro, du hast ihn doch aufgeweckt und zur Wache geschickt, oder?", fragte Nami. Sie sah bereits viel besser aus. Der Schlaf und Choppers fürsorgliche Behandlung zeigten Wirkung, und obwohl sie noch immer starke Schmerzen beim Laufen hatte, war sie inzwischen wieder fast die Alte.

Zoro nickte. „Ja. Ich habe ihn auch auf seinen Posten gehen hören, er hat also auf jeden Fall zumindest in den ersten Minuten dort gesessen und aufgepasst."

Ruffy stopfte sich ein weiteres Sandwich in den Mund und verkündete dann kauend: „Dann kann er ja nicht so weit gekommen sein. Wir teilen uns einfach in zwei Gruppen ein und gehen ihn suchen, irgendwo steckt er schon."

„Wenn er noch nicht gefressen wurde", murmelte Chopper bedrückt.

Robin nickte weise. „Genau das habe ich auch schon gesagt. Trotzdem sollten wir jede Chance nutzen, um ihn möglichst noch im lebendigen Zustand zu finden."

Sanji sah zu ihr hinüber. „Du bist gruselig, weißt du das?"

„Danke." Tatsächlich sah sie aus, als hätte sie gerade ein absolut umwerfendes Kompliment bekommen.

Die anderen sahen ihn eher an, als hätte er etwas absolut umwerfend Beleidigendes gesagt.

„Sanji, alles okay bei dir?", fragte Ruffy mit einem ehrlich besorgten Ausdruck im Gesicht. Er hatte für den Moment sogar sein halb gegessenes Sandwich vergessen. Zoro sah aus, als müsste er sich sehr zusammenreißen, um nicht laut loszulachen, und Brook wären sicher die Augen aus den Sockeln gefallen, wenn das technisch noch möglich gewesen wäre.

Ehe Sanji jedoch fragen konnte, was zur Hölle eigentlich los war, schüttelte Franky den Kopf, wie um einen lästigen Traum zu verscheuchen, und sagte: „Ruffy hat recht. Wir teilen uns in zwei Hälften ein und gehen unseren Scharfschützen suchen, bevor er doch noch von irgendeinem dieser Biester verschlungen wird. Und bevor wir gehen – „, er zog etwas Großes unter seiner Decke hervor, „– habe ich noch eine Überraschung für euch alle."

Es war ein etwa steuerradgroßes Stück Stein aus der Höhle, in der sie beinahe dem schwimmenden Hochdruckreiniger zum Opfer gefallen wären. Er schimmerte in allen Regenbogenfarben und sendete ein schwaches Licht aus, das aber dennoch reichte, um einige Meter Sicht zu ermöglichen. Bereits jetzt glühte es vom Boden aus in seinem weißlichen Licht und beleuchtete die Gesichter der Strohhüte von unten, sodass sie eine nicht zu verkennende Ähnlichkeit mit Gespenstern besaßen. Diesen Anblick hätte Sanji eigentlich nicht auch noch gebraucht.

„Den habe ich heute Früh gefunden, als ich und Ruffy nach Lysop gesucht haben", erklärte Franky. „Der Otter hat ihn sauber aus der Wand geschossen. Ich dachte, dass wir ihn in kleine Stücke teilen könnten. Wenn jeder eines davon bei sich trägt, dann sind wir sicherer, und ich muss nicht immer meine eigenen Lampen anhaben. Wisst ihr, es ist ganz schön unangenehm, eine Überhitzung in den..."

„Jaa, spar dir die Details", sagte Nami und hielt Chopper die Ohren zu, der verwirrt um sich schaute. „Aber die Idee mit den Steinen ist gut. Wir brauchen nur noch etwas, mit dem wir diesen Brocken zerteilen können. Normalerweise hat Lysop ja immer einen Hammer dabei, aber..."

Betretene Stille machte sich breit. Schließlich meinte Franky: „Ach, das geht auch so. Ich gehe auch nie ohne Notfallausstattung von Bord. Lasst mich nur schnell machen, dann können wir endlich nach unserem Angsthasen suchen."

Innerhalb von wenigen Minuten hatte Franky den Felsbrocken in neun handliche Stücke zerteilt. Er verteilte sie an seine Crewmitglieder und steckte das neunte Stück sorgfältig in seinen Rucksack. Sanji band sich seines mithilfe eines kurzen Stückes Schnur an den Gürtel, wo es ihm nicht im Weg umgehen, aber dennoch ungehindert den Weg ausleuchten könnte. Dann teilte Nami, die inzwischen wieder voll und ganz ihre organisatorischen Tätigkeiten übernommen hatte, die Crew in zwei Gruppen ein. Diejenige, die die rechte Seite des Weges überprüfen würde, bestand aus Franky, Ruffy, Zoro und Nami, die andere, die sich wieder zurück in die Höhle und wenn nötig auch das davor liegende Wegenetz begeben würde, aus Chopper, Sanji, Brook und Robin.

Bevor sie aufbrachen, besprachen sie noch kurz ihre Notfallstrategien. Jede Gruppe trug eine Babyteleschnecke bei sich, für den Fall, dass sie die anderen zur Verstärkung rufen mussten, und war mit Proviant und Decken ausgestattet, falls sie verschüttet werden sollten oder sich verliefen (was natürlich keiner hoffte, aber hier unten wusste man nie...). Zusätzlich trugen sie nun jeder ein leuchtendes Stück Kristall bei sich, dass ihnen den Weg erleichtern und dafür sorgen sollte, dass sie Lysop möglichst auf normalem Wege fanden, anstatt wortwörtlich über ihn zu stolpern.

Schließlich einigten sie sich auf eine Zeit, zu der sie sich wieder am Ausgangspunkt treffen wollten, verabschiedeten sich voneinander, und verschwanden in der Dunkelheit.

Memories - ZoSan [One Piece FF] - abgeschlossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt