Kapitel 6

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Stimmengewirr das näher zu kommen droht, reißt uns aus unserer innigen Umarmung.

Als wir uns voneinander lösen sind wir beide außer Atem. Ich spüre zunächst Kälte, die sich in mir ausbreitet und Wut, die sich wieder einen Weg an die Oberfläche bahnt, als der Zauber des Kusses nachlässt.

Ich kneife die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen: „Das war ein Fehler, ich bin immer noch sauer!"

Er grinst schelmisch: „Das fühlte sich aber definitiv nicht so an!"

Meine Wutgefühle intensivieren sich nur noch mehr, trotzdem kann ich seinem Charme nur schwer widerstehen: „Ich bin eben eine gute Schauspielerin!"

Ich stemme die Hände in die Hüften und baue mich wie ein Fels vor ihm auf. Mein Herz sagt es war genau das was ich wollte, brauchte und vermissen werde. Aber mein, immer noch von dem Kuss schwirrender Verstand, sagt das kann nur ein Fehler sein. Ich versuche die Traurigkeit, die mich erfasst, weg zu blinzeln. Er schaut mir direkt in die Augen: „Sag bitte etwas."

Ich verschenke die Arme wie ein bockiges Kind: „Warum?" Till presst die Lippen aufeinander: „Weil ich mich sonst nicht länger von Dir fern halten kann!"

Ich bewege den Kopf langsam von links nach rechts, hebe drohend den Finger und mache instinktiv einen Schritt von ihm weg: „Oh nein! Das tust Du nicht! Ich bin total verwirrt und sauer. Erst gehst Du ohne irgendeine Erklärung. Dann meldest Du Dich zwei Wochen lang nicht. Und dann hast Du es nicht für nötig gehalten mir Dein Schicksal persönlich mitzuteilen..."

Er öffnet den Mund um etwas zu sagen, aber ich lasse es nicht zu und erhebe meine Stimme: „... ich bin noch nicht fertig! Die Krönung des Ganzen ist ja wohl mir auch noch einen falschen Namen zu nennen! Und jetzt werde ich wieder reingehen, die Spendensumme bekannt geben und meine Abschlussrede halten. Guten Tag Mister Warner!"

Mit diesen Worten drehe ich mich auf dem Absatz um und entferne mich von ihm. Ich höre ihn noch hinterher rufen: „Aurora, warte ich kann alles erklären!" Doch ich ignoriere ihn. Wer weiß, was er mir sonst wieder für Lügen auftischt!

Mein Herz bröckelt in tausend winzige Teile, mit jedem Schritt, mit dem ich mich von ihm entferne. Erst jetzt realisiere ich so langsam, was gerade passiert ist. Eine elende Leere, die nicht in Worte zu fassen ist, breitet sich in mir aus.

Wieder im Veranstaltungssaal angekommen, halte ich Ausschau nach den Anderen. Als ich sie an unserem Tisch entdecke, gehe ich zu ihnen und setze mich wortlos wieder auf meinen Platz.

Sofort wendet sich Marco besorgt an mich: „Aurora, da bist Du ja wieder. Ich habe mir bereits Sorgen gemacht!" Ohne den Kopf zu heben, ich kann ihm jetzt nicht ins Gesicht sehen, sage ich teilnahmslos: „Das ist nett, brauchst Du aber nicht. Es ist alles in Ordnung!"

Sandra flüstert mir zu: „Von wegen alles in Ordnung! Du musst mir das alles nachher erzählen, aber jetzt musst Du auf die Bühne!"

Ich hebe langsam den Kopf und sehe sie flehend an: „ Ich kann das jetzt nicht! Kannst Du mich bitte vertreten?" Die Tränen treten mir in die Augen. Sie sieht mich mitfühlend an: „Natürlich. Soll Marco Dich nach Hause bringen?"

Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern: „Ja, das wäre schön." Sofort springt Marco von seinem Stuhl auf. Er ist so aufmerksam. „Ich hole die Jacken." er dreht sich in Richtung Ausgang und geht los. Marco ist wirklich furchtbar lieb und einfühlsam.

Warum kann ich diese seit kurzem in mir existierenden Gefühle nicht ihm gegenüber empfinden?

Sandra holt mich mal wieder aus meinen Gedanken: „Ich rufe Dich morgen an. Ich habe Dich lieb." Sie drückt mir einen Abschiedskuss auf die Wange, gerade als Marco mir seine Jacke über die Schultern und seinen Arm um mich legt.

Die Macht seiner Augen -neu überarbeitet-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt