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„Greyson."
Im Grund konnte ich dankbar sein, dass meine Stimme mich nicht verließ.
Auf ihrem Gesicht breitete sich dieser wissende Ausdruck aus, schlich sich bis zu ihren Mundwinkeln und ließ diese in die Höhe schießen. Ein Lächeln, das so eindringlich war, so einnehmend, so vernichtend, leuchte förmlich auf diesem Gesicht, das ich nie hatte wiedersehen wollen.
„Überrascht?" Säuselte sie ihre Worte hervor. Als müsste ich mich freuen sie hier zu sehen.
„Was machst du hier?" Ich bemühte mich nicht ihr Spiel mitzuspielen, eine Fassade aufrechtzuerhalten, die es schon so lange nicht mehr zwischen uns gab.
„Ich bin hier, um mich mit dir zu unterhalten."
Bitter kamen die Worte aus mir. „Bullshit! Was willst du?"
Auch das so künstlich strahlende Lächeln wich aus Greysons Gesicht. „Ich werde deine Anhörung leiten."
Ohne Vorwarnung schoss ich auf sie zu, baute mich es so gut es ging vor ihr auf, etwas das ich mir nie zugetraut hätte, wäre mir nicht jetzt schon alles egal. „Verarschst du mich?"
Wie von Sinnen schrie ich sie an, hätte am liebsten den letzten Funken ihres so falschen Lächelns aus ihrem Gesicht geschlagen. Doch so war ich nicht und das wusste sie. Ihre Hand legte sich fest um meinen Oberarm, noch bevor ich mich wehren konnte. Sie drückte zu, ließ mich spüren, dass sie immer noch Macht über mich hatte, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte. Greyson beugte sich zu mir herunter.
„Vergessen wir uns nicht, ja?" Ihre Stimme war sanft, pathetisch. Ich hasste alles an ihr.
Sekunden verstrichen und ich hörte nur den schweren Atem von Linnea, die wahrscheinlich alles erstraunt beobachtet hatte.
„Ist das dein Ernst? Sie schicken dich hierhin?" Fauchend entzog ich mich dem harten Griff von Greysons Hand.
„Wir können das gerne später alles besprechen Amaryllis, im Moment gibt es einige Punkte die ich mit deiner," Sie hielt inne und schaut zu Linnea, die mit weit geöffneten Augen neben uns stand, „Lehrerin besprechen muss."
Linnea strafte ihre Haltung und nickte. Ich war mir sicher, dass sie nicht im geringsten wusste, was hier gerade geschehen war. Ich hoffte es zumindest.
„Gut, dann kommen Sie bitte." Sie deutete auf die Tür, die zu ihrem Büro führte und setzte sich in Bewegung. „Essen Sie was und dann ist Nachtruhe. Ihre Angelegenheit können Sie dann morgen klären." Nichts war mehr übrig von der Linnea, die noch vor wenigen Minuten neben mir gestanden hatte, um die ich meine Arme gelegt hatte. Sie war kalt, abweisend. Und zu meinem eigenen Erstaunen, traf es mich viel härter als Greysons Anblick.
„Gut." Als ich mich umdrehen wollte um zu gehen, stand Greyson schon wieder dicht neben mir. Zuckerwatte und Erdbeeren schoss es mir in den Kopf und ich betete, dass mein Gesicht nicht die gleiche Farbe einnehmen würde, wie das Obst nachdem sie immer zu riechen schien.
„Wir sehen uns später noch." Wisperte sie mir mit bedeutungsvoller Stimme zu. „Ich habe dich vermisst, meine Schöne." Und als wäre nichts gewesen, beschritt sie die wenigen Meter zu Linnea herüber.
Angewidert wand ich mich ab und lief auf direktem Weg nach draußen. Gewiss würde ich nichts mehr essen. Mit wackligen Knien stolperte ich über den Kiesweg auf das abgelegene Gebäude zu. Eigentlich konnte ich mich kaum daran erinnern wie ich den Weg zu meinem immer gefunden hatte.

Ich hatte erwartet, dass ich wütend werden würde. Wütend, geschockt, vielleicht das die alten Gefühle wieder da wären. Angst. Irgendetwas. Aber da war nichts, ich fühlte nichts, außer dem unglaublichen Schock. Vielleicht hoffte ich inständig darauf, dass ich doch noch aufwachen würde, dass der ganze Tag geträumt gewesen war. Nein- ich wollte das nicht. Und das war, was mir tatsächlich Angst machte. Ich wollte die Momente, die Erfahrungen und die Geschichten, die ich heute mit Linnea geteilt hatte, nicht vergessen. Es war einfach zu viel. All das und Grayson. In der Dunkelheit meines eigenen Zimmers kam sie doch, die Wut auf Greyson und der Tatsache, das sie hier war. Wie hatte sie es wagen können? Und wie hatte sie es überhaupt geschafft? Erst jetzt begriff ich, dass sie wirklich hier war. Wütend feuerte ich meine Tasche in die Ecke der kleinen Küche. Unglücklicherweise nahm sie bei ihrem Flug auch eine Tasse mit sich zu Boden, doch mir war das egal. Am liebsten hätte ich jeden einzelnen Teller hinunter gefeuert.
Zittrig wählte ich die Nummer von Ellas Arbeit, bevor ich tatsächlich noch etwas Dummes machen würde. Wie in das Sekretariat zurückzulaufen und Greyson zu verprügeln. Mir gefiel die Idee, mir gefiel sie sogar sehr. Auch wenn ich wusste, dass ich niemals dazu in der Lage sein würde.
„Martinez, Hallo?" Meldete sich Ella mit hektischer Stimme.
„Sie ist hier."
„Was? Wer ist denn da?"
„Ella ich bin es."
Augenblicklich änderte sich ihr Tonfall. „Oh hey Rils, was gibt es den?"
„Sie ist hier." Wiederholte ich meine Worte.
Ich hörte wie sie genervt schnaubte. „Ok doll, reden wir Klartext. Wer ist wo und warum rufst du mich deswegen an? Heute ist echt kein Tag, an dem ich plaudern kann. Heute Morgen,"
„Greyson ist hier." Unterbrach ich sie.
„Haha sehr lustig, nein jetzt im Ernst."
Manchmal machte sie mich wahnsinnig. „Ella. Greyson ist hier! ¡Greyson está aquí! ¿Entiendes?" Schoss ich noch einmal auf Spanisch hinterher, wissend das es nicht an einer nicht vorhanden Sprachbarriere lag, das sie mich nicht verstand.
Ella sagte nichts, lediglich ihr schweres Atmen lag zwischen ihr und mir.
„Fuck."
„Fuck." Stimmte ich ihr zu.
Sie war im Gegensatz zu mir, schneller in der Lage mit dieser Information umzugehen, den was folgte war eine Minuten lang andauernde Hasstirade gegen Greyson, in der ich nicht einmal die Chance bekam, etwas zu sagen.
„Und vor allem was meint sie den? Dass du jetzt mit ihr mitkommst? Was will sie den? Sie hatte alle Gelegenheiten dieser Welt, dass ihr,"
„Sie ist wegen der Anhörung hier Ella." Unterbrach ich sie jetzt doch. Wieder schwieg sie einige Sekunden, bis sie zu ihrer üblichen, sehr temperamentvollen Art zurückfand.
„Was erlaubt sich diese bitch? Aber warte mal, ist sie extra nach Deutschland gereist deswegen? Hat sie so angst davor, dass du etwas verraten könntest? Wie konnten die ihr erlauben die Anhörung zu führen? Meinst du, sie führt etwas im Schilde?" Sie bombardierte mich mit all den Fragen, die ich mir noch gar nicht gestellt hatte.
„Ich weiß es nicht, wir haben nicht gesprochen. Was mache ich den jetzt? Ella, ich komm aus der Sache nicht mehr raus. Außerdem redet sie gerade mit Linnea und ich habe keine Ahnung warum sie das jetzt so spät noch macht."
„Wer ist Linnea?"
Mist! „Direktorin Mayer meine ich."
Ella lachte leise und brauchte nicht lange, um zu verstehen. „Linnea also."
„Das spielt jetzt keine Rolle, ich habe ein viel größeres Problem." Warf ich ein und ließ mich auf das Sofa fallen.
„Das stimmt und so wie es sich anhört, rast du in dein nächstes Problem hinein."
„Was meinst du?"
Ella sog scharf die Luft zwischen ihren Zähnen ein, so dass ein schriller Pfeifton entstand und ich konnte mir bildlich vorstellen wie sie ihre Augen verdrehte und ihre Nase rümpfte „Ehrlich jetzt Amaryllis? Linnea?"
„Das hat nichts zu bedeuten." Ich schlug mit meiner Hand gegen das weiche Polster, „Das ist eine ganz andere Sache, außerdem ist es nicht wichtig."
„Ah nein?"
„Nein!" Ich schrie fast, vielleicht auch um mir selbst dessen bewusst zu werden.
„Hat sie etwas gesagt zu dir wegen Greyson, Linnea meine ich."
Warum sollte sie das tun?" Sie kannte die Geschichte nicht. Wusste nichts über mich in dem Punkt und schon gar nicht über Greyson. Und doch war ihr Gesichtsausdruck, ihre Haltung, einfach alles, so seltsam gewesen. Ich erschrak bei dem Gedanken, was sie vielleicht denken könnte, daran, was Greyson ihr erzählte. Welche Lügen sie ihr über mich weismachen wollte. Würde sie das tun? Natürlich würde sie das! War es doch bei weitem nicht das schlimmste, dass sie ihr jemals angetan hatte. „Nein."
Noch bevor Ella wieder etwas sagen wollte, klopfte es an meiner Tür. Energisch und bestimmt.
Linnea. Vielleicht konnte ich ihr es erklären. Moment, was dachte ich da? Ihr es erklären? Was sollte ich sagen? Welche Lüge auftischen, um ihr die peinliche Situation irgendwie auch nur ansatzweise zu erklären?
„Es ist jemand an der Tür." Flüsterte ich leise in mein Handy.
„Dann mach auf."
Ich sprang auf. Vielleicht müsste ich Linnea auch nichts sagen. Vielleicht würde sie es einfach so stehen lassen, auch wenn es so gar nicht zu ihr passen würde.
„Ich ruf dich später an."
„Sei bitte vorsichtig!" Sagte Ella noch bevor sie auflegte.

Immer in liebe, A.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt