Kapitel 3

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Heute war der große Tag. Ich hatte beschlossen es Jade einfach zu sagen und ließ ihr damit die Wahl, ob sie mir glaubte und ob sie meinen Weggang verstehen konnte. Als ich es ihr erzählte war sie sich nicht ganz sicher, wie sie reagieren sollte, aber ich nahm an, dass das normal war. Dann jedoch hatte sie gesagt, dass sie, egal wie verrückt ich wäre, oder ob dies wirklich die Wahrheit sein sollte, mich immer genau so gerne haben wird. Das war für mich eine enorme Erleichterung. Meine Eltern gaben bei der Schule an, dass wir umziehen würden, so dass ich nun offiziell auf eine andere Schule ging. Doch niemand wusste auf welche. Nayomi hatte mir erzählt, dass der Schulanfang in den beiden Welten zu unterschiedlichen Zeiten stattfand, was für mich außerordentlich praktisch war. Es wäre viel schwerer für mich gewesen, wenn ich mitten im Schuljahr auf die Lupus Academy gekommen wäre. Es war Sonntag und Nayomi wollte mich um zwei Uhr nachmittags abholen. Ich konnte es gar nicht mehr erwarten. Also lief ich zum zehnten Mal in meinem Zimmer umher und kontrollierte, dass ich ja nichts vergessen hatte. Die Academy war ein Internat, was bedeutete, dass ich, außer in den Freien, in der Academy leben würde. Bis zu den naheliegenden Ferien waren es drei Monate, die ich in Luxaria verbringen würde. Ich hatte gemischte Gefühle dabei. Drei Monate in einer fremden Welt, auf einer fremden Schule, mit fremden Wesen und fremden Leuten. Immerhin kannte ich Nayomi, sonst wäre ich so was von aufgeschmissen gewesen. Oh ja, natürlich! Wie könnte ich das nur vergessen. Ich kannte nicht nur Nayomi. Da gab es ja auch noch ihren selbstverliebten, arroganten und mysteriösen Zwillingsbruder Damien. Aber ich hoffte, dass ich ihm nicht über den Weg lief. Ich wusste nicht warum, aber ich konnte ihn einfach nicht leiden. Jedoch war das meinen Träumen egal. Er musste immer darin auftauchen, sowohl in Albträumen als auch in den normalen. Es machte mich wahnsinnig.
Jade hatte mich, nachdem sie so überraschend fröhlich auf mein Geständnis reagierte und mich Stunde um Stunde mit Fragen überschüttete, natürlich auch über ihn ausgefragt. Wenn es um Jungs ging, war sie nicht mehr zu bremsen. Das wurde mir nun deutlicher bewusst. Tief in Gedanken,  nicht an Damien, setzte ich mich auf meinen Schreibtischstuhl und holte meine Zeichnungen der letzten Woche heraus. Es waren fast nur Wölfe. Wer hätte das gedacht. Es kommt heraus, dass ich ein Lupus bin und schon kann ich nichts anderes mehr zeichnen. Das war mal wieder so typisch für mich. Ich hatte auch so eine ähnliche Phase schon einmal, nur dass ich mir damals so sehr ein Pony gewünschten hatte, dass ich Mom und Dad nur Pferde-Bilder schenkte. Irgendwann gab ich die Hoffnung auf. Jedoch ist es jetzt anders. Ich war nämlich tatsächlich ein Wolf und das nicht nur in meiner Fantasie. Dad schaute zur Tür herein.
„Hey! Wie geht es denn meiner Großen? Bist du schon aufgeregt?”
Ich war früher immer das kleine Mädchen meines stolzen Vatters gewesen. Irgendwann konnte selbst er nicht mehr bestreiten, wie groß ich geworden war. Immerhin war ich sechzehn und nicht mehr sieben.
„Ich habe gerade versucht mich abzulenken und bin wohl wieder in den Gedanken versunken.” Ich hatte tatsächlich ziemlich viel Zeit vertrödelt.
„Nayomi ist gerade angekommen. Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass du runter kommst, okay?” Was? Sie war schon da! Ich schnappte mir meinen Koffer und lief die Treppe hinunter. Unten angekommen stellte ich meinen Koffer neben die Garderobe und umarmte Nayomi. Sie begann zu lachen und begrüßte mich auch. In den letzten Wochen hatten wir uns besser angefreundet und viel zusammen unternommen. Meine Eltern boten ihr auf die übliche gastfreundliche Art etwas zu trinken an, doch sie lehnte ab.
„Wir müssen leider gleich wieder los. Der Schuldirektor möchte noch mit Layla sprechen und ihr dann ihren Stundenplan geben. Ich muss ihr außerdem auch noch das Schulgelände zeigen. Da kommt also noch ganz schön viel auf uns zu. Vor allem aber auf mich!”
Ich verabschiedete mich von meinen Eltern. Mom hatte mal wieder Tränen in den Augen, weil ich nicht mehr ihr kleines Mädchen war und jetzt auf ein Internat gehen würde. Doch sie freute sich unendlich für mich und ich wusste das zu schätzen. Sie hatten mir ihre Geschichte erzählt, wie sie in Luxaria nicht glücklich waren und deshalb auf die Erde zogen. Als ich mich endlich von Ihnen abwenden konnte, sah ich Nayomis Auto in der Einfahrt stehen. Mir kam ein wow über die Lippen, als ich das rote Cabrio erblickte. Nayomi neben mir lächelte nur, so als wäre es völlig normal, mit Siebzehn so ein Auto zu fahren.
Wie sich herausgestellt hatte, lag ich mit meiner Einschätzung, dass sie ein Jahr älter waren als ich, völlig richtig.
„Es ist leider nicht mein Auto. Es gehört Damien.” Sie sagte es mit etwas Neid in der Stimme. Okay! Nach dieser Information mochte ich das Auto nun doch nicht mehr. Ich stieg trotzdem ein. Gleich würde ein neuer Abschnitt meines Lebens beginnen und ich war nicht einmal ansatzweise bereit dafür! Wir fuhren ungefähr eine halbe Stunde, als das Anwesen der Agozas sichtbar wurde. Für sie war es nur ein Ferienhaus, man konnte es aber auch mit einer Villa vergleichen. Nayomi hatte mir gesagt, dass eines der Portale, die nach Luxaria führten, in dem Wald nahe ihrem Anwesen lag. In der Einfahrt würden wir netterweise von Damien begrüßt, der auf uns gewartet hatte und es sich nicht verkneifen konnte, seiner Schwester das vorzuenthalten.
„Da seid ihr ja endlich. Musste sich Layla noch fertig schminken oder warum seid ihr so spät dran?” Er lachte, als hätte er einen echt guten Witz gemacht oder genau die Wahrheit erkannt. Nichts davon war der Fall. Er war einfach nur ein überheblicher Wichtigtuer, der leider verdammt gut aussah. Schnell schüttelte ich den Kopf, um deiese Gedanken los zu werden und schaute Damien wütend an.
„Hast du etwa gesehen, dass ich Schminken trage, du Idiot?” Dadurch lachte er nur noch mehr.
„Deshalb siehst du so grauenvoll aus. Und übrigens! Andere zu beschimpfen passt gar nicht zu dir. Dann auch noch mit Idiot!” Er lachte und schaute mich belustigt an, als ich zu ihm sagte: „Oh ja natürlich. Soll ich dich das nächste Mal vielleicht mit Hoheit ansprechen? Wäre dir das lieber? Du bist so ein arroganter, selbstsüchtiger…. ” Langsam wurde mir das alles zu blöd und ich hatte Besseres vor, als mich von Damien provozieren zu lassen. Ich musste nämlich zu einem ganz bestimmten Portal, um dort hindurch zu gehen. Dann wäre ich der Lupus Academy und somit meinem neuen Leben einen Schritt näher gekommen. Wir gingen den Weg im Wald entlang. Genauer gesagt war es nur ein Trampelpfad, was mich nicht störte. Der Wald machte mich nur etwas nervös, da ich das letzte Mal schlechte Erfahrungen gemacht hatte.
Jedes Knacken eines Astes ließ mich zusammenfahren, jeder Vogelschrei herumfahren und jedes Heulen des Windes, der durch die Baumkronen wehte, ließ mich aufschreien. Zudem musste ich ständig über diese dämlichen Wurzeln stolpern und mein Koffer machte es mir auch nicht gerade einfacher. Nayomi und Damien bewegten sich so elegant wie eine Katze, dass ich mich neben ihnen wie ein Elefant fühlte. Jetzt fehlte nur noch, dass ich den Boden unter meinen Schritten zum beben brachte. Ich fühlte mich einfach elend. Ungefähr fünf Minuten später stolperte ich schon wieder. Ich musste mich an einem Baumstamm abstützen, damit ich nicht das Gleichgewicht verlor. Wie, als wäre dies ein Zeichen gewesen, begannen Kopfschmerzen hinter meinen Schläfen zu pochen. Aber das war noch nicht das schlimmste an allem. Die Stimme, die ich aus meinen Gedanken verbannt und das letzte Mal in der Schule gehört hatte, war wieder da. Sie sagte immer noch etwas auf Latein, doch diesmal war es viel klarer und deutlicher. Mit dieser Erkenntnis keuchte ich auf, was die anderen zu mir schauen ließ. Sie sahen mich fragend an. Ich versuchte die Stimme zu verdrängen, wie ich es schon einmal gemacht hatte.
Doch sie wurde immer lauter und lauter. Es fühlte sich so an, als würde mir mein Kopf jeden Moment explodieren. Ich fühlte mich schrecklich und wollte nur noch, dass es aufhörte. Ich schloss einen Moment die Augen, doch die Stimme wurde nicht leiser. So ein verdammter Mist. Ich konnte es nicht glauben. Warum denn ausgerechnet jetzt? Ich hatte gar nicht bemerkt, wie Nayomi und Damien zu mir gekommen waren, dicht standen sie direkt neben mir.
„Layla ist alles in Ordnung? Du siehst ganz schön blass aus!” Es war Nayomi, die zu mir sprach, aber ich hörte sie nur ganz leise.
„Hört ihr sie nicht? Sie macht mich fertig. Ich kann nicht mehr. Wisst ihr was sie von mir möchte?” Tränen standen in meinen Augen, aber nur wegen des Schmerzes, den die Stimme in meinen Kopf freisetzte.
„Was sollen wir hören? Bist du jetzt total übergeschnappt?” Damien sah mich fragend und genervt an, als wäre dies ein komischer Scherz von mir.
„Diese Stimme!”, keuchte ich und massierte weiterhin meine Schläfen. Die anderen hatten wirklich keine Ahnung, wovon ich sprach.
„Damien? Kannst bitte mal eine deiner Kräfte, die lieber dir als mir übertragen wurden, anwenden?”, sagte Nayomi zu ihrem Zwillingsbruder. Damien legte seine Hand auf meine Stirn und verdrehte vorher noch einmal genervt die Augen, bevor er diese schloss. Ich spürte, wie die Stimme ihre Reichweite vergrößerte, sodass nun auch Damien sie nicht überhören konnte. Erschrocken nahm er die Hand von meinem Gesicht, aber ich konnte ihre Wärme immer noch dort spüren.
„Das ist seltsam! Was zum Teufel….” Er sah ziemlich fertig mit den Nerven aus.
„Was ist los? Kann mir mal bitte einer erzählen, was los ist?”
Damien hob den Kopf und schaute zu seiner Schwester. Er atmete einmal tief durch, bevor er anfing zu sprechen. Ich war auch neugierig darauf, was er zu sagen hatte.
„Die Göttin spricht zu ihr!” Er war sehr blass und auch Nayomi folgte nun seinem Beispiel. Damien lachte ungläubig.
„Die Göttin! Bist du dir sicher?”, fragte Nayomi mit hochgezogenen Augenbrauen. Ich verstand immer noch nichts.
„Was für eine Göttin?”, fragte ich, doch es schien niemand wahrgenommen zu haben.
„ Ich bin mir zu neunundneunzigkommaneun Prozent sicher. Sie spricht mit ihr. Das bedeutet, dass Layla eine Auserwählte ist. Aber wieso nur? Ich meine, sie kann sich nicht einmal verwandeln.”
Er lachte bitter und schaute mir jetzt direkt in die Augen. Seine Augen waren wunderschön und sie zogen mich in ihren Bann. Ich schüttelte schnell den Kopf um diese blöden Gedanken loszuwerden. Die Stimme der Göttin hatte mittlerweile nachgelassen, sodass sie nur noch als Echo in meinem Kopf wieder hallte. Was wollte sie mir sagen und warum konnte ich sie nicht verstehen?

(Leseprobe) Lupus Academy (1) Schatten oder Licht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt