Kapitel 17

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Als ich erwachte war es immer noch dunkel. Die Ebene unter uns war zwar noch immer öde und trostlos, aber ab und zu sah man einen grünen Fleck oder einen vereinzelten Baum. Wir saßen immer noch auf Morly, welche uns sanft in der Luft hielt. Ich spürte Damiens wärmenden Körper hinter mir und bemerkte, dass ich an seiner Brust lehnte. Er hatte seinen Kopf auf meinen gelegt und ich hörte seinen gleichmäßigen Herzschlag und spürte seinen Atem über meine Haare streichen. Er war auch eingeschlafen. Das sanfte Wiegen des Tigerkörpers machte es mir schwer, wach zu bleiben. Wie einfach wäre es gewesen, sich wieder an Damien zu lehnen und die Augen zu schließen und erneut in seinen schützenden Armen einzuschlafen. Doch ich musste mir unbedingt über einige Dinge, die in den vergangenen Stunden oder sogar Tagen passiert waren, klar werden. Immer wieder dachte ich an den Moment mit Damien in der Höhle. Fast hätte er mich geküsst. Und ich wollte es sogar. Normalerweise waren mir Jungs egal, so wie anfangs auch er. Ich hielt ihn für einen arroganten Idioten. Doch jetzt weiß ich, dass das nur ein Teil von ihm war. Er war so viel mehr, so viel besser als das. Mir war gar nicht klar gewesen, dass er für mich sein gesamtes Leben auf den Kopf gestellt hatte. Ich war so egoistisch gewesen und bin einfach weggerannt, ohne an die Konsequenzen für mich oder ihn zu denken. Er hatte die Academy meinetwegen verlassen und war mir gefolgt. Wegen mir sind wir in dieses Loch gefallen und dachten, nie wieder dort raus zu kommen. Ich hatte ihn dort ungewollt mit reingezogen und jetzt plagten mich unendliche Schuldgefühle. Auch dachte ich an Nayomi, welche auf die Rückkehr von mir und ihrem Zwillingsbruder wartete. Ob sie glaubte, wir seinen tot? Ich hatte es nicht und doch war ich an allem Schuld. Könnte ich doch nur alles vergessen und wäre wieder das sechszehnjährige Mädchen, welches ein normales, langweiliges Leben führte und nur in ihrer Fantasie so etwas erlebte. Doch da hätte ich Damien nie kennengelernt und ich konnte ihn nicht mehr aus meinem verkorksten Leben weg denken. Doch selbst wenn wir wieder an der Academy wären, würden wir getrennte Wege gehen. Er würde wieder zu dem unnahbaren, arroganten Jungen und ich wieder die Versagerin, die von allen angeglotzt wurde. Allein diese Vorstellung machte mich traurig. Ich war vielleicht selbst egoistisch, wenn ich ihn nicht gehen lassen wollte. Doch ich habe so viele Leben ruiniert, dass es nicht fair wäre, nur an mich zu denken.
„Hey! Warum weinst du?”, fragte Damien mit leiser, rauer Stimme. Mir lief ein Schauer über den Rücken.
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wecken.”, ich versuchte mich wieder zusammenzureißen. Mir war gar nicht klar gewesen, dass ich angefangen hatte zu weinen. Doch jetzt, als Damien mir die Tränen von der einen Wange wischte, wurde es mir bewusst.
„Warum weinst du?”, fragte er noch einmal. Ich suchte nach Worten und zögerte.
„Ich habe nur daran gedacht, wie viele Leben ich durcheinander gebracht habe und wie viele mich jetzt dafür hassen werden. Ich wollte doch nur wieder normal sein!”, ein Schluchzen ließ sich nicht mehr unterdrücken.
„Dich hasst doch niemand. Du kanntest es nur nicht und wir haben keine Rücksicht darauf genommen, was du wolltest und normal bist du nicht, Layla! Du bist etwas besonders!” Seine Worte waren wie ein Licht in der Dunkelheit.
„Ich habe dich in diese ganze Situation hier mit hinein gezogen. Wie kannst du mich da nicht hassen?” Er umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und drehte mich so auf dem Rücken des Tigers, dass ich ihn anblickte.
„Du bist daran überhaupt nicht schuld. Weißt du noch, als ich gesagt habe, dass ich zu deinem Beschützer auserkoren wurde?” Ich nickte und er sprach weiter. „Das ist nicht die Wahrheit gewesen. Noch an dem Tag, als du an die Academy gekommen bist, bin ich zu Pelagus Adopi gegangen und habe ihn um diesen Job gebeten. Ich wollte das nicht jemand anderem überlassen, weil ich es mir sonst nie verziehen hätte. Schon in dem Moment, als wir dich damals im Wald gefunden haben, wusste ich, dass du viel mehr bist, als nur ein weiterer Lupus. Oder als eine Auserwählte. Bisher wusste nur Nayomi davon und ich hatte mir eigentlich geschworen, es in den Griff zu bekommen, doch ich kann dich nicht so sehen, wenn du dir selbst die ganze Schuld gibst und sie dich fast schon erdrückst. Ich hatte mich wie ein Arschloch verhalten, damit du von mir fern bleibst. Ich hatte Angst vor der Wahrheit! Verstehst du das?” Ich schaffte es nicht etwas zu sagen. Was wollte er mir nur weismachen? Ich nickte und sah ihm in die Augen. Sie sahen aus wie das Meer. Unruhig und doch so vertraut. „Ich hatte Angst davor, endlich meine Gefährtin gefunden zu haben!”, sagte Damien nach einer kurzen Pause und sah verlegen zur Seite. Er schämte sich über sich selbst. Er nahm seine Hände von meinen Wangen und griff wieder nach den Zügeln, welche lose neben mir lagen. Ich sah ihn immer noch an, doch er wich meinem Blick aus. Als ich meine Hände hob und sein Gesicht umfasste, blickte er mich mit glänzenden Augen an. Er machte dem Mund auf, als ob er etwas sagen wollte, schloss ihn jedoch wieder, als fiele ihm nichts ein. Da zog ich ihn zu mir hinunter und seine Lippen berührten meine. Ich wusste selbst nicht, was ich tat, doch es fühlte sich richtig an. So, als hätte ich meinen Seelenverwandten gefunden und ich war nicht bereit, ihn je wieder gehen zu lassen. Damien zögerte kurz, als sich unsere Lippen voneinander trennten, doch dann küsste er mich zurück und der Bann war gebrochen. Ein Kribbeln breitere sich im meinem ganzen Körper aus und ich fuhr ihm mit den Händen durch seine schwarzen, seidigen Haare. Er umschlang meine Hüfte und zog mich noch näher zu sich heran. Als ich keinen Wiederstand leistete, vertiefte er den Kuss und brachte mich somit ganz um den Verstand. Ein kehliges Knurren drang aus seiner Brust und ließ mich erzittern. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es breitete sich eine Hitze in mir aus und wärmte mich von innen. Schwer atmend lösten wir uns voneinander und rangen beide um Fassung. Meine Wangen nahmen eine leuchtend rote Farbe an.
„Allein dafür würde ich alles noch einmal auf mich nehmen. Und außerdem mag ich es, wenn du rot wirst!”, flüsterte er mir mit heißerer Stimme ins Ohr. Von unserer linken Seite ertönte plötzlich eine Stimme. Arnor! Ich hatte ihn ja so was von vergessen! Mein Gesicht wurde noch roter.
„Also wirklich Leute!”, rief er lachend zu uns hinüber. „Reißt euch zusammen. Anderseits war es auch echt wirklich an der Zeit, so wie ihr euch gegenseitig angeschaut habt. Wir sind jetzt übrigens gleich da!”, rief er noch hinterher und gab den Tigern den Befehl zum Sinken. Oh Mann! Das hasste ich schon beim Fliegen immer am meisten. Doch meine Angst verflog, als Damien seine Arme um mich schlang, mich zu sich zog und ich mich an ihn schmiegte. Beim ihm fühlte ich mich geborgen und so schnell würde es niemand schaffen, das zu ändern, denn Damien Agoza war mein Gefährte! 

(Leseprobe) Lupus Academy (1) Schatten oder Licht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt