Kapitel 4

20 3 0
                                    

Immer noch irritiert liefen wir alle zum Portal. Es gab keine Zwischenfälle mehr. Keiner von uns sagte auf dem restlichen Weg noch ein Wort. Nayomi und Damien waren sich einig, dass sie unbedingt mit dem Schulleiter der Lupus Academy, Liron Adopi, darüber sprechen mussten. Doch keiner von ihnen kam auf die Idee mir auch nur zu sagen oder wenigstens zu erklären, was plötzlich los war oder was passiert war. Ich wusste nicht das Geringste über eine Göttin. Also war ich wieder die Blöde, die nichts verstand, kurz der letzte Depp. Das Portal lag nun unmittelbarer vor uns. Das behauptete zumindest Nayomi. Doch konnte ich nichts erkennen. Vor mir stand nur ein riesiger und alter Baum.
„Bitte nicht erschrecken.”, sagte Nayomi, immer noch mit seltsamen Blick auf dem Gesicht, zu mir.
Daraufhin ging Damien einige Schritte nach vorne, sodass er nun direkt vor dem extrem breiten Baumstamm stand. Er streckte eine Hand aus und zog sie über einen tief liegenden, vertrockneten Ast. Der Ast schnitt in seine Hand und das Blut lief sein Handgelenk herunter, als er seine Hand hob und die verletzte Seite an den Stamm legte. Musste es nicht sehr schmerzhaft sein, sich die Hand so aufzuschneiden? Damien jedoch zuckte nicht einmal mit der Wimper. Selbstverständlich, er war schließlich ein Junge und es bestimmt öfter tat und daran offensichtlich gewöhnt war. Außerdem verheilte seine Wunde schon längst wieder, als wäre nichts passiert. Für mich jedoch war es noch sehr, sehr gewöhnungsbedürftig. Er trat von Stamm zurück, wo jetzt auf der Rinde der blutige Abdruck einer Hand zu sehen war. Es war erstaunlich. Ich konnte sehen, wie sich die Rinde des alten Baumes veränderte. Das Blut sickerte in den Baum hinein und der Baumstamm schien in der Mitte zu verblassen. Kurz darauf, nachdem der Baumstamm vollständig verblasst war, konnte man in der Größe eines Türrahmens ein schimmerndes goldenes Tuch erkennen. Dies verbarg einen Eingang, oder wohl eher einen Durchgang. Dort, wo vorhin noch der Baum mit all seinen Schichten, war, wehte nun ein vom Wind bewegtes magisches, verzaubertes Tuch. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. So etwas konnten ein paar Tropfen Blut ausrichten! Ob das bei allen Bäumen der Fall war? Oder war dieser Baum ein besonderer? Ein Auserwählter! Ach das war doch alles Quatsch. Ich würde höchstwahrscheinlich nicht einmal in tausend Jahren alle Rätsel meines neuen Lebens, lösen. Diese ganze Situation war einfach unbeschreiblich. Ich fühlte so viel gleichzeitig. Entsetzen, Erstaunen, Freude, Verwunderung und Fassungslosigkeit.
Was jedoch überwog, konnte ich nicht genau sagen. Ich denke, es hielt noch die Waage. Wie hypnotisiert lief ich auf das Portal zu. Damien hielt mich am Arm fest und ich konnte seine Wärme deutlich spüren. Ich blieb stehen und er ging an mir vorbei.
„Für Neulinge ist die erste Reise durch ein Portal meist ziemlich holprig, deshalb sollte jemand vorgehen. Wir wollen ja nicht, dass dem Liebling der Göttin etwas passiert. Pelagus Adopi wäre ganz und gar nicht erfreut.” Ich wollte kein Liebling irgendeiner Göttin sein. Warum verstand das den niemand? Alles lief in letzter Zeit anders, als ich es geplant hatte. Ich wollte nicht von einem Vampire angegriffen werden. Auch auf diese Stimme könnte ich gut verzichten, da sie mir bis jetzt nur Kopfschmerzen eingebracht hatte. Ich wollte doch nur meinen Abschluss machen. Danach vielleicht noch studieren. Ich wollte eigentlich nur ein normales Leben. Nur manchmal wünschte ich besondere Kräfte zu haben. Besonders zu sein hatte natürlich auch Vorteile. Wer wünschte es sich nicht schon mal? Die meisten wollten immer eine  Prinzessin oder eine Fee sein. Ich aber wollte schon immer eine Gestaltwandlerin sein. Seine Gestalt je nach Belieben ändern und sich verwandeln. Und jetzt stellte sich heraus, dass ich dies wirklich konnte.
Man sollte immer vorsichtig damit sein, mit dem, was man sich wünscht.  Damien ging auf das Portal zu. Als er es erreichte strahlte es auf. Ich musste die Augen zukneifen, so hell war es. Als das Strahlen abklang und ich sicher war, dass ich die Augen wieder aufmachen konnte, sah ich nichts. Damien war weg. Das Portal lag unberührt vor uns.
„Du musst einfach nur durch das Portal gehen. Mehr musst du gar nicht machen. Kein Blut an den Stamm schmieren, kein Eid ablegen, einfach gar nichts. Dafür haben wir gesorgt! Und mach die Augen zu, denn das Licht ist sehr hell und ich glaube, du möchtest nicht geblendet werden. Und es wird wahrscheinlich auf der Haut kitzeln, wenn du durchgehst. Mehr gibt es nicht zu wissen. Ach so! Und wahrscheinlich wirst du hineingezogen. Deshalb stolpern die meisten. Ist nicht wegen der Tollpatschigkeit oder so. Sieh es als Abschreckung oder Prüfung für diejenigen, die das erste Mal durch ein Portal reisen.” Nayomi fand es alles völlig normal. Ist natürlich auch klar, da sie damit aufgewachsen ist, aber ich war leicht geschockt. Verängstigt vielleicht auch. Natürlich war ich auch begeistert und sehr, sehr aufgeregt. Gleich würde ich durch ein Portal reisen und eine fremde Welt betreten. Wem sonst passierte schon so etwas! Ich atmete einmal tief ein. Es fühlte sich immer noch wie in einem Traum an.
Ich lief auf den Baumstamm zu und als ich das magische Tuch berührte, wurde ich wie von unsichtbaren Händen nach vorne gerissen und machte die Augen zu, da das Licht gleißend hell strahlte und mir in den Augen brannte. Als ich durch das Portal ging, war es, als würde ich in einen Wirbelsturm hineingezogen werden. Jetzt wusste ich auch, was Damien vorhin gemeint hatte. Damit, das es etwas holprig werden könnte. Ich mochte es nicht, ihm Recht geben zu müssen. Ich traute mich immer noch nicht, meine Augen zu öffnen. Mit einem Ruck fiel ich plötzlich und ohne Vorwarnung nach unten. Ich hatte mittlerweile das Gefühl von Zeit und Raum verloren. Auch wenn ich hätte schwören können, dass es alles nur wenige Sekunden gedauert hatte, fühlte es sich wie Minuten an. Auch wusste ich nicht mehr, wo oben und unter war. Ich öffnete nun doch meine Augen, denn die Neugier gewann. Ich traute meinen Augen nicht. Ich schwebte im Nichts. Um mich herum wirbelten Farben. Sie verbanden sich und ordneten sich immer neu an, sodass nie etwas gleich zu sein schien. Völlig fasziniert betrachtete ich diesen neuen Ort. Ich sah vor mir einen Durchgang. Das musste die andere Seite des Portals sein. Durch meine Gedanken, wenn ich es mir nicht einbildete, schwebte ich darauf zu. Und wie beim Anfang wurde ich nun auch wieder von unsichtbaren Händen gepackt und in den Durchgang gezogen.
Dummerweise vergaß ich, auf mein Gleichgewicht zu achten und fiel direkt in Damiens Arme. Typisch!

(Leseprobe) Lupus Academy (1) Schatten oder Licht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt