„Was ist passiert?” Ich blickte in Nayomis besorgtes Gesicht.
„Das war echt abgefahren. Du hast uns allen Angst gemacht, als plötzlich ein Wolf da stand. Ich hatte nach dir gesucht, da bin ich darauf gekommen, dass du das bist. Du hast den Vampir fast in der Luft zerfetzt und danach hast du Ennic gerettet!”, ihre Stimme zitterte, als sie das sagte.
„Wo ist der Vampir?“, fragte ich, mich langsam an die vergangenen Stunden erinnernd.
„Der wurde zum Drachenzahngebirge gebracht, wo die Drachen über ihn richten werden. Wie hast du das nur gemacht?”, fragte sie nicht direkt an mich gewandt. Mir fiel nur eine Antwort ein.
„Die Göttin!” Damit war auch für die anderen alles klar. Mein Kopf pochte vor Kopfschmerzen. Der metallene Geschmack in meinem Mund war nicht verschwunden und ich musste würgen. Ich rannte ins Bad und spülte den Mund gründlich aus. Der Spiegel über dem Waschbecken zeigte mir ein Mädchen mit braunen Haare, dunklen Augenringen und betonten Wangenknochen. Der Schreck traf mich mit voller Wucht. Etwas stimmte nicht. Was war mit meinen Augen passiert? Sie waren golden. Eine honiggoldene Farbe ersetze das vorherige Braun. Ich begann zu schluchzen und die Tränen traten mir in die fremden Augen. Was war nur mit mir passiert? Die ganze nächste Woche sperrte ich mich in meinem Zimmer ein und ließ nur Nayomi hinein. Zum Glück brachte sie auch genug essen mit, so dass ich meinen Frust wegessen konnte. Ich hatte es draußen einfach nicht ausgehalten. Überall glotzten mich die Schüler an und tuschelten hinter meinem Rücken. Sie wichen mir sogar aus, weil sie Angst hatten. Meine Augen nahmen ab und zu wieder ihren normalen Farbton an, doch immer wenn ich nervös war, Angst hatte, wütend war, oder meine Gefühle mit mir durchgingen, waren sie wieder golden.
„Hey! Darf ich reinkommen?”, ertönte Nayomis Stimme auf der anderen Seite der Tür.
„Ja klar!”, meine Stimme war ungewollt lustlos und träge. Doch anstatt, dass Nayomi alleine ins Zimmer kam, kam sie mit einer kleinen Armee. Armee im wahrsten Sinne des Wortes, da sie all unsere Freunde, welche wohl eher ihre waren, im Schlepptau hatte.
„Was soll das?”, fragte ich. Das überforderte mich. Ich wollte doch nur alleine sein, oder einen einzigen Menschen nur bei mir haben. Nacheinander traten Sally, Darwin, Modi, Vitus, Lakota und Nayomi in mein Zimmer. Aber die Person, die als letztes folgte, überraschte mich am meisten. Damien Agoza folgte seiner Zwillingsschwester.
„Du kannst gleich wieder verschwinden!”, fuhr ich ihn an. Noch immer war ich mehr als nur wütend auf ihn, auch wenn ich nicht wusste, woher plötzlich dieses Gefühl ihm gegenüber gekommen war. Ich wollte mir selbst nicht eingestehen, dass mich das Bild von ihm und Mavi Gripu sehr verletzt hatte.
„Layla, bitte. Es war meine Idee, dass er mitkommt.”, Nayomi blickte mich flehend an.
„Wie kommst du auf die Idee, dass ich irgendeinen von denen hier haben möchte? Ich habe es satt. Seit einer Woche wird hinter meinem Rücken geredet. Es wird getuschelt und gerufen und mir ausgewichen. Ich habe mich hier zurückgezogen, weil es der einzige Platz ist, wo ich alleine bin. Ich bin kein großer Fan von großen Menschengruppen. Ich bin nicht der Typ von fetten Partys und erst recht bin ich niemand, dem man das alles aufdrängen kann. Tut mir echt leid, wenn ich das sagen muss, aber mir reicht’s. Ich wollte nie ein Lupus sein. Ich wollte nie von der Göttin auserwählt werden und ich wollte auch nicht hierher. Das, was ich wollte, war ein normales, langweiliges Leben, so wie ich es kannte. Ihr hättet den Vampir mich fressen lassen sollen!”. So viel Wut hatte sich die ganze Zeit über angesammelt. Ich wusste, dass sie nichts dafür konnten, aber ich erkannte mich selbst nicht mehr. Alle hatten Angst vor mir, aber das schlimmste war, dass ich selbst Angst vor mir hatte. Ich war gefährlich und wollte niemanden verletzen. Jedenfalls nicht körperlich. Ich stampfte aus meinem Zimmer, vorbei an den Schüler die mich anstarrten, und raus aus der Academy. Mein Ziel war es, so weit wie möglich weg von allem zu kommen. Je weiter ich kam, desto schneller lief ich. Irgendwann rannte ich und spürte die Verwandlung. Wenig später rannte ich auf vier Pfoten durch die Gegend. Es half, meine Gedanken zu ordnen. Die Bäume zogen an mir vorbei, Blätter blieben in meinem Fell hängen. Nach wenigen Minuten gelangte ich zu einem kleinen Fluss. Ich wusste noch gar nicht, welche Farbe mein Fell hatte.
Mein Spiegelbild im Wasser verriet es mir. Schwarzes Fell mit weißen Flecken spiegelte sich. Das eine Ohr weiß wie Schnee, das andere schwarz wie die Schatten. Meine Pfoten waren weiß, aber meine Beine schwarz, genau wie mein Rücken, nur am Bauch den Hals hinauf lief das schwarz in weiß über. Die einzige andere Farbe meines Wolfes waren die goldenen Augen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich schon unterwegs war. Wie weit ich gelaufen war, wusste ich auch nicht, nur das es langsam dunkel wurde.
Eine Pfote vor die andere setzend, schlich ich durch das Unterholz. Da knackte es hinter mir. Das war definitiv nicht ich gewesen. Was auch immer dort hinter mir war, wollte, dass ich es entdeckte. Es hatte absichtlich auf sich aufmerksam gemacht.
Im Schatten der Bäume blitzen strahlend blaue Augen auf, umrahmt von einem pechschwarzen Fell.
Was um alles in der Welt wollte er hier?
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(Leseprobe) Lupus Academy (1) Schatten oder Licht
FantasyAb sofort als Taschenbuch und eBook erhältlich. Eine neue Welt, eine neue Identität und neue Abenteuer. Was kann da schon schief gehen? Wenn die Ereignisse eine immer seltsamere Wendung nehmen und das Leben nicht mehr normal zu sein scheint, ist ei...