Ich brauchte erst einmal ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass ich in Damiens Armen lag. Der Idiot hatte mich vor ein paar blauen Flecken gerettet. Ich konnte es nicht fassen. Mir gefiel es sogar noch in seinen Armen. Mit Sicherheit war ich jetzt total rot. Ich befreite mich von seinen Armen und zwang mich in seine Augen zu schauen. Seine wundervollen Augen, die mich in ihren Bann zogen. Ich musste ihn einfach ansehen! Was war nur auf einmal mit mir los?
Damien hatte einen amüsierten Ausdruck auf dem Gesicht. Sein schiefes Lächeln wollte ich ihm am liebsten ganz von Gesicht wischen, indem er meine Faust in dieses bekommen hätte. Dachte er jetzt etwa ich wollte was von ihm? Er war noch immer nicht mein Typ. So ein Gefühlschaos, nur wegen ihm!
„Danke!“, schnauzte ich Damien an. Eigentlich sollte ich ihm dankbar sein, aber er behandelte mich immer wie ein kleines Kind. Ich musste nicht gerettet werden wie ein Fräulein in Not. Außerdem war er kein Ritter in glänzender Rüstung auf einem weißen Pferd. Wie kam ich denn jetzt darauf? Mann, er machte mich völlig fertig! Und wie schaffte es Nayomi so elegant aus dem Portal zu treten? Meine Augen funkelten vor Zorn auf ihren Zwillingsbruder. Ich war so sehr damit beschäftigt ruhig zu bleiben, dass ich die neue Umgebung gar nicht mitbekam. Wir waren nicht mehr im Wald. Der Baum, oder besser gesagt das Portal, stand auf einer großen Wiese. Von unserem Standpunkt führten drei Wege in verschiedene Richtungen.
Der erste, welcher nach links führte, führte vorbei an ein paar Dörfern, die man leicht in der Ferne erkennen konnte, zu einen riesigem Gebirge. Es war wie eine Klaue geformt. Ob das nur Zufall war?
Der zweite Weg, nach rechts, führte in einen Teil des Landes, wo der Boden scheinbar unfruchtbar war. Dort gab es kahle Bäume, fast schwarze Erde und der Himmel darüber war dunkler als hier. Es wirkte auf mich wie eine Krankheit, die sich auf diesem Teil ausgebreit hatte und nicht geheilt werden konnte. Zum Glück war diese tote Ebene ziemlich weit von uns entfernt. Sie bildete somit den Streifen vor dem Horizont.
Wir nahmen den dritten Weg geradeaus. Dieser führte uns, so erfuhr ich von Nayomi, nach Feylon. Feylon war die Hauptstadt von Luxaria und auch die größte Stadt des ganzen Landes. Die Academy befand sich laut den Erzählungen von Nayomi am Rande der Stadt, etwas abseits gelegen und umgeben von einem Wald. Es war wunderschön hier. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Nach ungefähr einer Stunde und dreißig Minuten laufen erreichten wir Feylon. Jedoch nahmen wir keinen Weg durch die Stadt, vorbei an den alten Häusern, den wunderbar verzierten und dekorierten Straßenseiten, den überfüllten und herrlich duftenden Geschäften und der drängenden Menschenmasse. Wir nahmen Seitenwege am Rande der Stadt und erreichten so die Academy nach weiteren zehn Minuten. Vor uns erstreckte sich ein ziemlich großes Gelände, welches von einer zwei Meter hohen Mauer umgeben war. Es gab ungefähr sieben Ausgänge, durch welche man die die Academy und wieder hinaus kam, alle mit einem schweren Eisentor versehen. Auf dem Gelände standen fünf Gebäude, zusammen bildeten sie eine Art Stern, oder ein Fünfeck, um den großen Innenhof. Alles war einfach atemberaubend. Ein Teil des Geländes grenzte an einen Wald.
„Das erste Gebäude dient als Schulgebäude. Das ist das, was uns direkt gegenüber liegt. Dort sind die Unterrichtsräume und die Lehrerwohnungen sind im dritten Stock. Links vom Schulgebäude ist die Cafeteria. Über der Cafeteria ist die Bibliothek. Komische Aufteilung, ich weiß. Rechts neben dem Schulgebäude ist die Turnhalle. Wir nennen sie auch Kampfzentrum. Und die letzten beiden Gebäude sind die Unterkünfte für die Jungen, rechts von uns direkt neben dem Kampfzentrum, und für die Mädchen links von uns neben der Cafeteria und der Bibliothek. Morgen ist der erste Schultag und deshalb müssen wir jetzt zu Pelagus Adopi, dem Schulleiter.” Nayomi sagte es mit Stolz in der Stimme und bedeutete mir winkend, ihr zu folgen. Sie strahlte übers ganze Gesicht und freute sich offensichtlich wieder hier zu sein. Ich fühlte mich etwas mulmig. Alles war fremd und neu für mich.
„Wow. Es ist echt super toll hier. Aber ich glaube, ich werde mich hier mehrfach verlaufen!“, witzelte ich und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Nayomi führte mich über den Innenhof, der voll von Schülern war. Anscheinend kamen die meisten schon einen Tag vor Schulanfang. Damien folgte uns. Jedoch nicht lange, denn ein paar seiner Verehrerinnen tauchten auf.
„Dam! Damien! Hi!”, zwitscherten sie los und umringten Ihn. Er schien jede Sekunde zu genießen, wobei auch jede Sekunde irgendwelche anderen Mädchen auftauchten, um einen Blick auf ihn zu erhaschen, als wäre er der berühmteste Promi der Welt. Einfach lächerlich! Ich fühlte einen leichten Anflug von Eifersucht. Oh nein! Ich werde ihn nicht mögen und erst Recht werde ich mich nicht in ihn verlieben. Eigentlich hatte ich noch nie was von solchen Wichtigtuer gehalten. Er bedeutete bestimmt nur Ärger. Aber Damien sah einfach nur verdammt gut aus. Er lief mit der Schar Mädchen zu seinen Freunden und unterhielt sich dort seelenruhig mit ihnen, während er ab und zu einen Blick in unsere Richtung warf. Nayomi machte vor einer Gruppe Schüler halt und umarmte jeden der Reihe nach. Alle freuten sich so sehr, sie zu sehen. Dann stellte Nayomi uns gegenseitig vor.
„Hey Leute! Darf ich euch Layla Gray vorstellen! Layla, das sind meine Freunde Sally Moon, Vitus Gripu, Lakota Cemin, Modi Chilon und Darwin Trace.” Sally hatte weißblonde lange Haare und graue Augen. Vitus dagegen hatte dunkelbraune kurze Haare und ebenso dunkelbraune Augen. Er war groß und muskulös und überragte mich um mindestens einen Kopf. Lakota war ein rothaariges Mädchen mit vielen Sommersprossen. Modi war der Junge mit den langen hellbraunen Haaren und den matschbraunen Augen. Und dann war da noch Darwin. Er war sehr attraktiv. Seine kurzen blonden Haare waren durch den Wind leicht zerzaust und seine dunkelblauen Augen schauten mich freundlich an.
Er schien wirklich sehr nett zu sein. Ich lächelte alle schüchtern an. Neue Freunde zu finden war für mich nie wirklich leicht. Lakota und Sally umarmten mich und hießen mich herzlich in Luxaria willkommen. Doch lange Zeit zum Reden blieb mir nicht. Nayomi zerrte mich schon wieder weiter und sagte, dass wir Pelagus Adopi nicht warten lassen dürfen. Also gingen wir in eines der Gebäude und stiegen in die zweite Etage hinauf. Dort befanden sich neben den Klassenzimmern auch das Schulleiterbüro und das Sekretariat. Die Tür von Schulleiterbüro stand offen und als wir uns näherten schaute ein Mann Mitte vierzig zu uns auf. Er hatte braune, kurze Haare und braune Augen, die hinter einer Lesebrille versteckt waren.
„Ah Nayomi! Schön, dass du endlich wieder da bist. Und du musst Layla sein.”, er lächelte mich freundlich an.
„Ja Sir. Das ist richtig!”, ich wusste nicht, wie ich ihn sonst hätte ansprechen sollen.
„Gut, gut. Wir hoffen alle, dass du dich hier recht schnell einleben wirst.” Nayomi wollte gerade etwas sagen, aber Pelagus Adopi kam ihr zuvor.
„Nayomi, ich weiß längst von Laylas Gabe. Der Drachenrat hat es mir berichtet. Macht euch beide keine Sorgen mehr. Wenn die Göttin hier zu dir spricht Layla, wird es dir keine Kopfschmerzen mehr bereiten und du wirst sie verstehen können. Es lag alles nur an deiner Position auf der Erde. Aber jetzt bist du hier bei uns, wo die Göttin mehr Macht hat.”
Danach gab er mir noch meinen Stundenplan, meine Zimmernummer mit Schlüssel und einen Plan von Schulgelände, damit ich mich besser zurechtfinden werde. Nayomi brachte mich zu meinem Zimmer. Nummer siebenhundertsiebenundsiebzig. Immerhin leicht zu merken. Ihr eigenes Zimmer war eine Etage unter mir. Sie sagte, dass ich gerne vorbeischauen könnte. Ich merkte es mir für später. Das Türschloss klickte und ich blickte mich in meinem neuen Reich um. Es war ein Zimmer, welches genug Platz bot. Nicht zu klein, aber auch nicht zu groß. Das große Fenster durchflutete es mit Licht. Im Zimmer standen ein Bett, ein Schreibtisch, ein Schrank, ein Bücherregal, eine Couch und sogar ein Fernseher. Was wollte man mehr haben. In einem kleinen angrenzenden Raum fand ich zu meiner großen Überraschung ein kleines Badezimmer mit allem, was man so brauchte. Alles war perfekt. Ich packte meine Sachen aus. Dann kam auch schon Nayomi und holte mich zum Abendessen ab. Es standen immer noch einige Schüler in dem Innenhof und warteten auf Freunde. Wir gingen jedoch in die Cafeteria, wo Nayomi mich mit zu einem Tisch nahm, der von ihren Freunden besetzte wurde. Sie lachten und redeten und bezogen sogar mich mit in ihre Gespräche. Ich war normalerweise immer eine Außenseiterin gewesen, aber hier fühlte ich mich wohl. Es war ein schönes Gefühl, mal dazu zugehören. Ich dachte an Jade. Ich müsste sie unbedingt heute noch anrufen und Mom natürlich auch.
Das Essen war köstlich. Es gab Pizza. Ich hätte nicht gedacht, dass sie hier so etwas essen würden. Möglicherweise hatte ich mich schon auf blutige Steaks, Gehirn, Leber, Magen oder andere Innereien und Organe von Tieren eingestellt. Aber ich war echt froh, dass dies nur in meiner Fantasie aufgetischt wurde. Über meine eigene Dummheit musste ich sogar schmunzeln. Als ich von meinem Pizzastück aufschaute, merkte ich, dass Darwin mich beobachtete. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte und war froh über die Frage von Sally.
„Gefällt es dir hier, Layla? Ich habe gehört, dass du nicht einmal wusstest, dass du ein Lupus bist!“ Sally war mit Abstand die neugierigste der ganzen Gruppe.
„Es ist echt super hier, aber auch echt schräg! Ich meine, ich kannte Wölfe immer nur aus Zoos. Und der Stundenplan hat mich auch komplett aus dem Konzept gebracht. Kampf und Patrouille? Bei mir in der Schule war es immer schon etwas Besonderes, wenn wir einen Wandertag im Jahr hatten!”. Ich lachte und erzählte den anderen noch ein bisschen über die Welt, wie ich sie vor zwei Wochen noch kannte. Wie sich herausstellte waren alle echt geschockt, wie langweilig mein Leben bis zum heutigen Zeitpunkt verlaufen war. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Wie denn auch? Es war nun einmal sehr langweilig gewesen. So unterhielten wir uns noch eine ganze Zeit, doch ich war mit den Gedanken woanders. Anfangs hatte ich noch versucht, Damiens Blicke, welche er mir durch den ganzen Raum zuwarf, zu ignorieren! Doch irgendwann konnte ich es einfach nicht mehr. Es war für mich wie ein Zwang, zu ihm zu schauen. Egal, wie lange ich versuchte, seinen Blicken auszuweichen, irgendwann gab ich immer auf und dann trafen seine blauen Augen auf meine braunen.Der ganze Abend ging ziemlich schnell vorbei, weshalb ich sehr traurig war. Jedoch freute ich mich schon sehr auf den morgigen Tag. Ich war in meinem Zimmer angekommen, als mein Blick auf den Stundenplan auf meinem Schreibtisch fiel. Ob ich in den Fächern schlecht sein würde?
Oh nein, morgen stand Verwandlung, Kampf, Patrouille und Geschichte auf dem Plan. Gleich die schwersten von allen Fächern. Zudem kam hinzu, dass ich muss bisher noch nicht verwandelt habe und Kampf oder Patrouille in Menschenform?
Unmöglich!
Aber all diese Probleme müssen bis morgen warten. Ich ließ mich rückwärts auf das riesige Bett fallen und schlief, mit dem Gefühl, endlich mein wahres ich gefunden zu haben, ein.
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(Leseprobe) Lupus Academy (1) Schatten oder Licht
FantasyAb sofort als Taschenbuch und eBook erhältlich. Eine neue Welt, eine neue Identität und neue Abenteuer. Was kann da schon schief gehen? Wenn die Ereignisse eine immer seltsamere Wendung nehmen und das Leben nicht mehr normal zu sein scheint, ist ei...