Kapitel Sechsunddreißig

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Am nächsten Tag verhält sich Sophie wie immer. An den darauffolgenden Tagen auch. Und Wochen. Und Monaten.

Henry spricht das Thema auch nicht mehr an, genauso wenig wie Sophie.

Nach zwei Monaten eröffnet uns König Georg, dass er nicht mehr regieren möchte.

"Aber warum?" fragt Henry ihn zum zehnten Mal, worauf der König mit einem Schulterzucken antwortet. "Ich möchte meine restliche Zeit ohne Regierungskram verbringen. Ich habe einen wundervollen Sohn, eine wunderschöne Schwiegertochter und die besten Enkel auf der Welt."

Mary Caroline räuspert sich, worauf die Kinder kichern müssen. "Und das schlimmste Weib überhaupt." fügt er hinzu und lacht. Empört reißt die Königin ihre Augen auf.

"Werden dann Mama und Papa, Königin und König?" fragt Harry und blickt breit lächelnd in das Gesicht seines Großvaters. "Ja, mein Enkelsohn." erwidert dieser und lächelt mich an. Ich nicke ihm höflich zu und werfe Henry einen Blick zu. Vor Jahren herrschte eine Spannung zwischen uns, welche über die Jahre abnahm.

"Also will Vater, dass wir beide das Land regieren" fragt Henry mich wieder, während ich die Decke über uns werfe. "Stell dir vor." rufe ich und lache. "Ich kann es nicht fassen." murmelt er und kneift die Augen zusammen. "Er vertraut uns einfach so. Bisher war es immer so, dass der König sterben musste. Und er tritt einfach zurück. Ich verstehe das einfach nicht. Das ist so... einfach."

"Du hast jetzt oft genug Einfach gesagt, Henry. Wie wäre es, wenn wir uns endlich ins Bett legen, schlafen und morgen sehen wir dann, ob dein Vater immer noch zurücktreten will." schmunzelnd kuschele ich mich an ihn. Er umarmt mich und zieht mich noch enger an sich. "Ich liebe dich." murmelt er sanft, gibt mir einen Kuss und streicht mir eine Strähne von der Wange. "Ich dich auch." hauche ich und schließe meine Augen.

___

Am nächsten Morgen fragt Henry erneut und sein Vater blickt ihn nur verwirrt an. "Sowas behaupte ich doch nicht." Entrüstet steht er auf, wobei sein Stuhl nach hinten fällt. "Was fällt dir ein, du.." Zornig bricht er ab und sieht unsere verstörten Blicke. "Was... Ich habe das doch nicht wirklich...".

Ich schaue Henry an. Er blickt fassungslos von seinem Vater zu seiner Mutter. "Mutter..." setzt er an, doch sie steht nur auf, nimmt Georgs Hand und geht aus dem Raum.

"Mutter?" fragt Sophie leise.

"Ja?" erwidere ich und beuge mich zu ihr rüber. "Was hat Großvater?"

Ich schüttele nur den Kopf und werfe Henry einen Blick zu. "Geh mit deinen Geschwistern in den Garten. Passt auf euch auf. Und seid pünktlich zum Essen wieder hier."

Nachdem die Kinder rausgegangen sind, stehe ich auf und drücke Henry einen Kuss auf die Wange. Er jedoch bleibt regungslos sitzen und starrt auf den umgefallenen Stuhl. "Mein Schatz, steh auf, wir gehen etwas spazieren."

"Er hat es vergessen." bringt er raus und schluchzt. "Weißt du was das heißt?" fragt er und blickt mich aus roten Augen an.

"Er vergisst die Sachen die gestern waren. Danach wird er unsere Namen vergessen. Danach seinen eigenen. Er wird vergessen zu essen, zu gehen. Und dann wird er nicht mehr atmen."

Ich schlage die Hand vor dem Mund zusammen und knie mich vor meinen Mann. "Was redest du da?"

"Diese Krankheit hatte auch mein Großvater. Er starb nach wenigen Monaten. Der Arzt hat uns gewarnt. Er sagte, dass die Krankheit vererbbar ist. Und mein Vater leidet jetzt darunter."

"Schatz, das kannst du doch nicht wi.."

"Doch!" schreit dieser und springt auf. "Vater hat vergessen, dass er zurücktreten wollte. Er hat mich angebrüllt, was er niemals vor meinen Kindern machen würde. Mein Großvater wurde auch schnell wütend als es anfing." Dann stoppt er kurz.

"Er wird sterben" schluchzt Henry und geht neben mir zu Boden. "Mein Vater stirbt."

___

Nach einigen Stunden, gehen wir in den Saal, in welchem sich der König des öfteren aufhält. Als wir ihn vorfinden, murmelt er vor sich hin.

"Vater?" fragt Henry und geht auf ihn zu. "Ich wollte mich für eben entschuldigen. Es war nicht richtig von mir und..."

"Es tut mir leid."

"Wie bitte?" fragt Henry nach und setzt sich neben seinen Vater. Dieser hatte uns zuvor den Rücken zugekehrt. "Ich hätte es dir sagen sollen. Die Krankheit deines Großvaters. Die hat auch auf mich zugegriffen. Ich habe diese Krankheit schon sehr lange." Henrys Blick verdüstert sich.

"Mir bleibt nicht mehr viel Zeit." ergänzt Georg



Liebe PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt