Kapitel Dreiundzwanzig

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Ruhig sitze ich am Esstisch und zerschneide mein Stück Fleisch. Henry sitzt mir gegenüber und beobachtet mich die ganze Zeit, genauso wie der Rest der Menschen. Nach einer Weile räuspere ich mich und wende den Blick zur Königin.

"Wir hatten lange keinen Ball mehr." unterbreche ich das eisige Schweigen mit einem Lächeln. Sie schaut mich ungläubig an. "Nun ja, das liegt vielleicht an der Situation in der wir waren." erwidert sie und trinkt einen Schluck. "In der ICH war, Eure Majestät." korrigiere ich sie und schenke allen ein breites Lächeln.
Sie stutzen und essen schweigend weiter. Ich könnte Jahre so weitermachen und sie ärgern, aber das Essen endet irgendwann auch.

"Liebes, was war das am Esstisch?" fragt Henry und schaut mich amüsiert an. "Ich weiß nicht. Die Antwort deiner Mutter hat mich wütend gemacht." erwidere ich und setze mich auf ein Sofa. "Ich meine, sie beziehen alles immer auf sich und den Hof. Ich habe mein... Kind verloren. Dieser Schmerz ist nochmal was anderes. Sie fühlen nur die Aussicht auf einen Thronfolger."

Henry setzt sich neben mich und wir schauen uns schweigend an. Er hebt die Hand und streicht mein Haar zurück. "Ich habe dich so vermisst." sagt er zum gefühlten tausendsten Mal. "Ich dich auch."

Er beugt sich vor und streicht mit seinen Lippen an meiner Wange entlang zum Kinn. Dann schaut er mir tief in die Augen. Ich rutsche etwas runter und drücke meine Lippen auf seine. Meine Hände krallen sich in seine Haare und wir schmiegen uns perfekt aneinander.

Auf einmal wird die Tür aufgestoßen und eine Zofe eilt herein. "Prinz Henry, Miss Melodie erwartet jetzt ihr Kind."
Er schaut mich mit großen Augen an und springt auf.
"Wer weiß das bis jetzt?"
"Nur Ihr."

"Erzähl es sonst niemandem. Geh in den Keller und steh Melodie bei. Wir werden nachkommen.". Gehetzt zieht er mich vom Sofa.

Dann eilt er aus dem Raum und ich laufe hinterher. "Was hast du vor?"

"Du wolltest doch einen Ball? Ich werde heute einen Ball feiern. Und das für die Geburt des Kindes unserer besten Freundin."

Ich bringe ihn zum stehen, indem ich seine Hand zurück reiße. Er dreht sich zu mir um und ich werfe meine Arme um seinen Nacken. Dann treffen unsere Lippen aufeinander. "Ich liebe dich."

Lachend lasse ich ihn los und laufe weiter.

___

Am Abend treffen die Menschen ein und tanzen im großen Ballsaal. Es war kurzfristig, jedoch sind viele eingetroffen. Ich höre die Stimmen und das Gelächter bis tief in den Keller, in dem ich gerade Melodies Hand halte. Stöhnend fährt sie über ihren Bauch und zuckt zusammen.

"Liebes, meine Eltern fragen nach dir." Henry setzt sich neben mich und drückt meine Schulter. "Natürlich, ich gehe kurz hoch und lasse mich sehen."

Als ich den Saal erreiche, atme ich tief durch und tauche in der Menge unter. Ich erkenne viele Freunde wieder, welche mich immer wieder aufhalten, um nach meinem Wohlbefinden zu fragen. Sie fragen auch nach meiner Schwangerschaft.

Dank meinem weiten Kleid, sieht man meinen flachen Bauch nicht. Ich antworte immer mit einem Nicken, welches dann zufrieden kommentiert wird.

Als ich aus der Menge trete, hält mich eine starke Hand am Arm fest. "Schenkt Ihr mir diesen Tanz?"

Enrico blickt mir fest in die Augen. Ich lächele leicht und entziehe ihm meinen Arm. "Nein."

Mit diesen Worten drehe ich mich um und gehe auf das Königspaar zu. "Anne. Das war eine wundervolle Idee einen Ball zu veranstalten! Und der Grund?" Mary Caroline guckt mich fragend an und ich lächele falsch. Wegen Melodies Baby. Ich muss zu ihr.

"Ich will mich wieder etwas amüsieren."

Nachdem ich mit ihnen ein paar Wörter ausgetauscht habe, nehme ich die Ausrede, dass Henry im Garten auf mich wartet und laufe wieder in den Keller. Ich knie mich neben Melodie auf den dreckigen Boden und halte ihre Hand. Der Arzt gibt Befehle und Melodie presst.

Das geht eine ganze Weile so, bis sie schreiend zurückfällt. "Geschafft." verschmitzt grinst sie mich an und ich gebe ihr einen Kuss auf den Kopf. Sie schließt die Augen und ruht sich aus.

"Warum schreit es nicht?" fragt Henry und geht auf den Arzt zu. Genau in dem Moment, in dem er antworten will, erklingt ein kleiner Schrei und er hält es hoch. Ich schaue das Baby an und in mir kommen gemischte Gefühle hoch. Glück, Freude & Liebe. Und etwas Trauer. Weil ich mein Baby nicht im Arm halten kann.

Ich drehe mich zu Melodie um und schüttele sie an der Schulter. "Hey, willst du es nicht mal sehen?" Sie hat immer noch die Augen geschlossen. Auf ihrem Gesicht liegt immer noch ein leichtes Lächeln, so als würde sie dem Weinen ihres Kindes zuhören. Als wäre es Musik in ihren Ohren und sie genießt es mit geschlossenen Augen.

Ich werde unruhig und blicke den beiden Männern entgegen. Henry kommt auf mich zu und zieht mich weg. Der Arzt reicht das Baby an eine Zofe, welche anfängt es zu säubern. Dann kümmert er sich um Melodie. Doch nach einigen Sekunden verzieht er das Gesicht und blickt auf den Boden. Ich schaue zu Henry hoch.
"Henry?"

Er schweigt und ich merke wie mir die Tränen in die Augen steigen. Dann gehe ich auf die Zofe zu und verlange nach dem Kind meiner besten Freundin. "Es ist ein Mädchen." sagt der Arzt und reicht sie mir. "Sophie-Isabelle." hauche ich und wiege sie hin und her.

Auf einmal wird die Kerkertür aufgestoßen und der König steht vor mir. Er starrt mich an und ich wünsche mir nichts lieber als eine undurchdringliche Wand zwischen uns.

"Sie ist tot." erklingt Henrys Stimme und er tritt neben mich. "Und das ist ihre Tochter, Vater." Er zeigt auf den kleinen Engel.

"Mein König. Es ist zu viel verlangt, aber ich möchte sie großziehen. Ich will ihre Mutter sein, ihr in diese Welt hinein helfen. Sie hat den Tod nicht verdient, sie ist unschuldig. Bitte befreit sie von den Sünden ihrer Eltern. Bitte." Ich schaue den König voller Tränen an. "Der Hof muss nicht wissen, dass es Melodies Kind ist. Wir sagen einfach, dass es meines ist. Bitte mein König."

Mir rollt eine Träne die Wange herunter und er kneift die Augen zusammen. Henrys Vater schaut von Melodies Leichnam zum Baby. Immer wieder. Erst schüttelt er den Kopf.
Dann kommen die erlösenden Worte.
"So soll es sein."
Mein Herz zerspringt in tausend Scherben und werden sofort wieder zusammengesetzt durch das leise atmen dieses wunderschönen Babys.
Ich fange an zu schluchzen und umarme sie fester.

König Georg und der Arzt gehen aus dem Raum und Henry und ich bleiben schweigend neben Melodies Körper stehen.

Ich werde sie lieben. Für Melodie, für Antonio. Dafür, dass sie ein Teil meiner besten Freundin und meines besten Freundes ist. Ich werde sie wie meine eigene Tochter großziehen, sie wertschätzen, beschützen und niemals allein lassen. Ich werde sie über alles stellen. Alles was ich habe und alles was ich bin gehört ihr. Für immer.



Liebe PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt