II - Joel ist Geschichte

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„Du glaubst nicht was am schwarzen Brett steht. Ich habe es ja schon vermutet, aber jetzt ist es wirklich offiziell. Jace hat mit einer aus der 12. geschlafen. Celine oder Celina oder so, keine Ahnung. Auf jeden Fall ist sie unfassbar hübsch und sitzt am Sportlertisch von den 12. Klässlern, hier ich habe gleich mal ein Foto gemacht. Der Typ kann einfach jede haben das ist unglaublich. Aber du kannst ja auch gleich selbst noch an das Brett gucken. Ich hatte gerade Spanisch, es war eine Katastrophe. Ich habe eine 04 Punkte in der Klausur ich weiß nicht, wie das schonwieder passieren konnte ich hatte ein richtig gutes Gefühl. Jetzt brauch ich erstmal was zu essen, willst du auch was?... Mira? Hörst du mir überhaupt zu?"

„Hm ja klar." Schrecke ich aus meinen Gedanken auf. „Ich will nichts aber danke." Mira. Ja das bin ich. Und die nette junge Dame mit den endlosen Monologen, das ist meine beste Freundin, Anik. Und Celine oder Celina wie auch immer? Keine Ahnung. Aber spätestens heute Nachmittag kennt jeder aus der Oberstufe ihren Namen. Denn sie hängt am schwarzen Brett. Das schwarze Brett... man könnte es ein Teenager-Mysterium nennen. Eigentlich hat jede Schule so etwas. Eine Pinnwand in der Eingangshalle an der Informationen, Werbung, Neuigkeiten angepinnt sind. An unserer Schule ist die Informationspflicht an alle anderen Schüler der Schule allerdings ein wenig ausgeartet. Es gibt Gerüchte, dass alles mit der „Hot or Not" Liste eines heißen Sportlers angefangen hat. Aber das muss weit vor meiner Zeit gewesen sein, denn solange ich an dieser Schule bin gibt es das Brett schon.

Früher habe ich mich immer gefragt warum die älteren Schüler sich für eine einzige Information über einen ihrer Mitschüler um ein Brett zusammenscharen wie Tiere. Doch mit zunehmendem Alter hat dieses Brett auch für mich an Bedeutung dazugewonnen. Und für Anik erst... man könnte fast meinen, der Klatsch und Tratsch von diesem Brett ist für sie der Hauptlebensinhalt. Oft haben die Lehrer schon versucht das Brett zu „verbieten" oder abzuschaffen mit den kuriosesten Ideen. und egal was sie versucht haben, sie sind immer wieder gescheitert. Auch wenn durch diese albernen Zettel unglaublich viele Gefühle verletzt werden, scheint die Mehrheit der Schüler durch den Tratsch über andere ein besseres Gefühl zu bekommen.

Doch ehrlich gesagt habe ich gerade andere Probleme als diese Pinnwand. Naja die könnte auch noch zu einem Problem werden, aber was andere denken hat mich bisher noch nicht sonderlich interessiert. Über mich gibt es sowieso nicht viel zu berichten. Ich bin das ganze Schuljahr über in festen Händen und... naja also war. Bis gestern. Und das beschäftigt mich im Moment auch hauptsächlich. Deshalb kann ich Anik bei ihren zauberhaften Monologen, die grundsätzlich von Thema zu Thema springen, heute auch wirklich nicht zuhören. Die kommt nebenbei gerade zurück zu unserem Tisch in der Mensa, mit einem Tablett voll Essen.

„Hey Mira irgendwas ist doch, es gibt heute Spaghetti Carbonara und du willst wirklich gar nichts essen? Also die Nudeln sehen echt lecker aus und zum Nachtisch gibt es Schokopudding. Wenn du keinen willst, nehm ich einfach deinen. Willst du wirklich nichts? Du siehst auch irgendwie nicht gut aus. Hatten du und Joel wieder Streit? Moment. Wo ist deine Kette? Hier stimmt doch was nicht. Du hast deine Kette ja gar nicht mehr um seid ihr nicht mehr zusammen?"

„Pssssst sei leise, soll das die ganze Schule hören? Setz dich hin dann erzähl ich's dir."

Eins muss man Anik lassen. Auch wenn sie noch so viel redet über alles Mögliche. Zuhören kann sie mindestens genau so gut. Und eigentlich hat sie auch für fast jede Situation einen super Rat.

„Ich hab mich von Joel getrennt. Aber ich will nicht an das schwarze Brett also behalt es erstmal für dich. Wir haben uns gestern wieder ziemlich gestritten. Da konnte ich mich einfach nicht mehr zusammenreißen. Ehrlich gesagt habe ich schon länger mit dem Gedanken gespielt, aber ich wollte erst nichts sagen, weil ich es ja nie wirklich tun wollte. Aber gestern war ich einfach so sauer und wollte das alles einfach nicht mehr. Und jetzt weiß ich nicht, ob es die richtige Entscheidung war."

„Ok also erstmal fand ich schon immer, dass seine extreme Eifersucht völlig übertrieben und fehl am Platz ist. Ich bin auch ein wenig enttäuscht, dass ich in deine Überlegungen nicht mit einbezogen wurde, aber darüber sehe ich jetzt mal hinweg." Ja wenn Anik ihre tollen Ratschläge auspackt, klingt sie wirklich wie eine professionelle Therapeutin.

„Da ich das Ganze jetzt schon ein wenig mitverfolge und weiß, wie oft ihr im Moment streitet, sage ich dir ganz ehrlich, dass das früher oder später so enden musste. Ich denke also, dass das auf jeden Fall die richtige Entscheidung von dir war. Du warst in letzter Zeit in dieser Beziehung einfach nicht mehr glücklich, also denke ich ist es so das beste für euch beide, auch wenn es sich zunächst nicht so anhört."

„Naja das ist gar nicht so einfach ich wollte heute was mit ihm machen, mit Mike und Joana. Wenn ich den beiden jetzt absage, wissen die ja sofort, dass etwas nicht stimmt. Und ich vermisse ihn ja schon irgendwie. Und wenn er erstmal seinen Freunden davon erzählt. Dann hängen wir ganz sicher am schwarzen Brett und das will ich wirklich nicht."

Wir wollten heute eigentlich mit einem befreundeten Paar essen gehen. Ja so ein richtiger Pärchen Abend. Und die Vermutung, dass ich auf keinen Fall an diesem Brett hängen möchte, ist vollkommen richtig. Mit einem eigenen Zettel kann an dieser Schule ein ganzes Leben verändert werden und meins soll es nicht sein. Auf keinen Fall. Nicht schonwieder.

„Sag einfach dir geht es nicht gut, sie werden wohl nicht weiter nachfragen. Aber früher oder später wird es wohl jemand mitbekommen und ich denke schon, dass eure Trennung für einen Zettel am Brett interessant genug ist. Darauf solltest du dich wahrscheinlich schonmal einstellen. Ok Mira ich muss jetzt zu Bio und noch ins andere Gebäude. Da du ja heute Nachmittag nichts mehr vorhast, können wir ja jetzt was machen. Dann können wir nochmal die Details durchgehen und das nächste Wochenende besprechen. Sorry ich muss jetzt wirklich los, lass dich nicht unterkriegen, bis später."

Und schon springt sie auf und verschwindet in Richtung Ausgang.

„Ok nachher auf dem Parkplatz" rufe ich ihr hinterher und bekomme noch einen Daumen hoch als Antwort.

Am schwarzen BrettWo Geschichten leben. Entdecke jetzt