Meine Hände waren noch mit Farbe befleckt, als ich Magnus zwanzig Minuten nach dem Telefonat mit Mary die Tür zu meiner Wohnung öffnete. Er wirkte völlig außer Atem. 'War er gerannt?'
"Alexander." "Magnus. Komm rein", erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Insgeheim wollte der eine Teil von mir Magnus nicht hier haben, während sich der andere jede Sekunde nach diesem Mann sehnte.
"Sicherlich nicht das, was du gewohnt bist", kommentierte ich betrübt, als ich Magnus ins Wohnzimmer folgte, während er sich aufmerksam in meiner Wohnung umsah. Viel gab es hier wirklich nicht zu bestaunen.
"Das ist mir nicht wichtig, Alexander. Du hingegen bist es. Ist zwischen uns alles in Ordnung?", erkundigte er sich mit spürbarer Unsicherheit und drehte sich zu mir um.
"Ja, natürlich." Die Antwort kam schneller über meine Lippen, als ich beabsichtigt hatte. Vermutlich klang sie jetzt allein dadurch noch unglaubwürdiger.
"Du bist heute Morgen einfach gegangen und hast heute den ganzen Tag über nicht auf meine Nachrichten reagiert", erinnerte mich Magnus an mein rücksichtsloses Verhalten. Natürlich hätte ich den Tag viel lieber mit ihm verbracht, als andere Leute im Café zu bedienen.
Normalerweise machte mir die Arbeit dort sogar Spaß, doch seit einigen Tagen hatte ich das Gefühl, dort meine Zeit zu verschwenden. Ich hätte längst an der Academy of Art studieren sollen. Das war alles so unfair.
"Tut mir leid, Magnus. Das ging nicht gegen dich. Der Tag hatte sich schon gegen mich verschworen, als ich viel zu spät aufgewacht und ungeduscht und in den Klamotten von gestern zur Arbeit gehetzt bin."
"Tut mir echt leid. Ich kann mich an heute Morgen echt nicht mehr erinnern. Ich habe einen ziemlich festen Schlaf, musst du wissen", erklärte mir Magnus und schlang seine Arme um meine Hüfte.
"Habe ich gemerkt. Du sahst ziemlich süß aus beim Schlafen", gab ich zu und küsste Magnus zärtlich auf seine Nasenspitze. "Oh nein, ganz sicher nicht!", protestierte Magnus und lachte lautstark. Ich liebte sein Lachen. Es war ehrlich und zudem auch noch ansteckend.
"Doch, auf jeden Fall! Das nächste Mal mache ich ein Erinnerungsfoto." "Das nächste Mal? Das heißt, du willst nochmal mit mir schlafen?", erkundigte sich Magnus mit einem verschmitzten Grinsen. Ich versuchte mir die Verlegenheit aufgrund dieser Aussage nicht anmerken zu lassen und antwortete leise: "Ich fand das sehr schön."
Magnus' Lippen schimmerten feucht und schrien nahezu: 'Küss mich!' Ich tat es. Magnus war nun mein fester Freund. Ich würde ihn so oft küssen können wie ich wollte und er ebenso mich.
Seufzend erwiderte Magnus den sanften Druck meiner Lippen und küsste mich innig. Dieses Gefühl der Nähe war berauschend und brachte sämtliche Blockaden in meinem Inneren zum Einsturz.
"Sagst du mir jetzt, was dir heute den ganzen Tag im Kopf herumgespukt ist, dass du deinem Freund nicht antworten konntest?", flüsterte Magnus gegen meine Lippen und stahl sich einen letzten Kuss, ehe er mir tief in die Augen sah und geduldig auf eine ehrliche Antwort wartete.
'Was sollte ich sagen? Ich hatte das Gefühl, Magnus immer von denselben Sorgen zu erzählen, die dermaßen mein Leben beeinflussten. "Ist es wegen dem Brief?", fragte er mich ganz direkt. Ich nickte zustimmend und ließ mich von meinem Freund in eine feste Umarmung ziehen.
"Alec. Du darfst dich davon nicht fertig machen lassen. Ich kann es kaum ertragen, dich so niedergeschlagen zu sehen. Gestern als wir zusammen gekocht haben, warst du so entspannt und schienst sogar glücklich zu sein." Magnus' Worte drangen liebevoll in mein Ohr. Bei ihm fühlte ich mich immer verstanden und akzeptiert, vielleicht sogar geliebt.
Ich drückte Magnus noch fester an mich. Ich wollte ihn nie wieder gehen lassen. "Das lag nur an dir. Du allein schaffst es derzeit, dass ich mich so fühle", verriet ich ihm flüsternd. Es war immer noch ungewohnt für mich, dass ich Magnus gegenüber so offen über meine Gefühle sprechen konnte.
"Dann lass mich dafür sorgen, dass es so bleibt." Ich konnte nichts darauf erwidern, so gerührt war ich von Magnus' Worten.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich Magnus' Jacke mit Farbe beschmiert hatte und löste mich ruckartig von ihm. "Was ist los, Alexander?" "Bitte entschuldige, wegen mir hast du jetzt Farbe an deiner Jacke."
"Was? Du hast gemalt?", erkundigte sich Magnus überrascht. Die Flecken auf seiner Jacke schienen ihn gar nicht zu kümmern. "Ja. Ich musste dringend den Kopf frei bekommen. Malen hilft da immer sehr." "Darf ich sehen, was du gemalt hast?"
Normalerweise malte ich nur für mich allein und zeigte meine Werke nur widerwillig anderen. Mir war immer klar, dass sich das während eines Kunststudiums ändern würde, aber das hatte sich für mich ja nun erledigt.
"Es ist noch nicht fertig. Eine Herbstlandschaft mit einer Rehfamilie am Seeufer", erklärte ich Magnus und führte ihn zu meiner Staffelei. "Wow. Das ist wirklich wunderschön. Die Farben sind so natürlich und perfekt gewählt. Du hast wirklich Talent, Alexander. Hast du schon mal Menschen gemalt?"
"Ja, schon öfter, aber nur nach Vorlage. Mir gefallen Landschaften und Motive aus der Natur am besten", antwortete ich, doch ich spürte, dass Magnus noch mehr Fragen auf der Seele brannten.
"Würdest du mich irgendwann einmal zeichnen?", wisperte er fragend in mein Ohr. Allein die Vorstellung Magnus zu zeichnen, ließ mich ganz unruhig werden. Vermutlich könnte ich mich bei seinem Anblick gar nicht wirklich konzentrieren.
"Wenn du das möchtest", stammelte ich etwas unbeholfen. "Möchtest du es denn?" Welche Farben würdest du für mich verwenden?", hakte Magnus nach und nahm wieder meine Lippen in Besitz. "Ein kräftiges Bordeauxrot für deine vollen Lippen", verriet ich ihm stockend und zerrte Magnus seine Jacke von den Schultern. Unser Kuss wurde leidenschaftlicher und unsere Zungen fanden ganz allein den Weg zueinander.
"Kann man deine Farben auch für den Körper nehmen?", fragte mich Magnus plötzlich mit tiefer Stimme. Verdutzt sah ich ihn an, als ich begriff, worauf er hinaus wollte. "Diese hier eher nicht. Bei manchen kann die Haut allergisch reagieren", klärte ich ihn auf.
"Ich habe aber auch Gesichts- und Körperfarbe da. Manchmal schminke ich Kinder auf Stadtfesten und verdiene mir ein bisschen Taschengeld dazu", verriet ich Magnus, dessen Augen zu leuchten begannen.
"Ehrlich? Das finde ich toll, Alexander!" "Wenn du also eine Katze oder ein Indianer sein willst, bist du bei mir genau richtig." Wieder lachte Magnus dieses unwiderstehliche Lachen, das ich so liebte.
"Soso, und wenn ich einfach nur Magnus live und in Farbe sein möchte?", wollte er wissen und zog sich kurzerhand seinen Pullover samt T-Shirt über den Kopf. Kaum hörbar fiel beides zu Boden. Ich schluckte schwer bei der Betrachtung von Magnus' nacktem Oberkörper.
"Dann würde ich die eindrucksvollsten Farben verwenden, um deine Schönheit noch zu unterstreichen", murmelte ich leise vor mich hin und öffnete die Schublade meiner Staffelei. Ich öffnete eine Tube mit Sonnengelb und drückte mir etwas Farbe auf den rechten Zeigefinger.
Magnus sah mich erwartungsvoll an und blickte mit gesenktem Blick auf seine Brust, auf der ich eine kleine Sonne um seine linke Brustwarze herum zeichnete. Die Wärme seiner Haut unter meinen Fingern fühlte sich wahnsinnig gut an.
"Und Bordeauxrot für meine Lippen, sagst du?" "Unbedingt. Ist sogar essbare Farbe, also keine Sorge", erklärte ich euphorisch und griff dieses Mal nach einem Farbstift. Fein und akkurat malte ich Magnus' Lippen nach und strich abschließend sanft mit etwas goldenem Farbpulver darüber, um einen glanzvollen Effekt zu erzielen. "Wunderschön", raunte ich ihm entgegen.
"Darf ich auch?", keuchte Magnus mit unruhiger Atmung. "Sicher." Ich vertraute Magnus und fühlte mich wohler bei ihm, als bei jedem anderen zuvor.
"Du hast so schöne Lippen, Alexander. Was hältst du von Violett? Das wird ein wahres Kunstwerk", säuselte mir Magnus entgegen und kitzelte die Konturen meiner Lippen mit seiner Zunge.
"Violett klingt gut", erwiderte ich lächelnd. 'Wer hätte gedacht, dass dieser Tag eine solche schöne Wendung nehmen würde?' Und wieder einmal verdankte ich dieses Wunder nur Magnus.
Ich genoss unseren Exkurs in die Welt der Farben und war mir sicher, dass auf der ganzen Welt Magnus das schönste Kunstwerk für mich war.
Fortsetzung folgt...
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Searching for Love
FanfictionKann eine einzige Begegnung ein ganzes Leben verändern? Rückblickend betrachtet kann ich dem nur zustimmen. Ich hatte nichts und hoffte jeden Tag aufs Neue auf ein bisschen Glück und Liebe. Vielleicht klingt das kitschig, aber sind das nicht die Din...