"Bist du schon aufgeregt?", erkundigte sich Mary beiläufig, als wir nach Ladenschluss gemeinsam die Besuchertische desinfizierten und abwischten. Heute war ein relativ entspannter Arbeitstag gewesen. Es passierte nichts Spektakuläres, wie so oft.
Mary verhielt sich mir gegenüber noch immer etwas distanziert. Ich glaubte, dass ihr die Standpauke von neulich im Nachhinein doch sehr leid tat, auch wenn sie natürlich gerechtfertigt war.
Ich war in letzter Zeit nicht bei der Sache, unkonzentriert und ließ Mary im Stich. Dabei war sie bis vor kurzem noch die einzige Person gewesen, auf die ich mich immer verlassen konnte. Doch seit ich Magnus begegnet war, fokussierte ich mich zunehmend mehr auf ihn und vergaß dabei fast, dass auch Mary zu meinen engsten Freunden gehörte. Sie war Familie.
Ich erzählte ihr von Magnus' heutiger Geburtstagsfeier, die in zwei Stunden starten würde. Natürlich war ich wahnsinnig aufgeregt. Ich würde Magnus' Freunde kennenlernen. 'Würden sie mich mögen?' Diese Frage schwirrte schon den ganzen Tag in meinem Kopf herum.
Nachdem ich Magnus im Central Park überraschend meine Liebe gestanden hatte, fühlte ich mich in seiner Gegenwart arg unsicher. Diese drei Worte auszusprechen, war ein großer Fehler. Ich wollte das gar nicht. Es war einfach passiert. Die Gefühle waren echt, doch Magnus damit nach so kurzer Zeit zu überfallen war nicht richtig. Man kann Liebe nun mal nicht erzwingen.
"Klar, bin ich aufgeregt. Ich kenne noch keinen von Magnus' Freunden. Er meinte zwar, dass nur ein paar kommen werden, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es eine größere Party sein wird", gestehe ich meiner Freundin und Chefin. "Was schenkst du ihm?"
Nur zu gern erinnere ich mich daran zurück, wie Magnus mir Modell gestanden hat. Er war so ruhig dabei gewesen und sah mich einfach nur an. Ein besonders intimer Moment für mich. Das, was ich da fühlte war dermaßen stark, dass es mir wirklich Angst machte. Ganz sicher war es nicht mein Plan gewesen, mich Hals über Kopf zu verlieben, aber nun war es um mich geschehen.
"Ein Porträt von ihm, das ich kürzlich gemalt habe", verrate ich Mary und folge ihr mit Eimer und Wischlappen zur Küche. "Oh, das ist wundervoll, Alec. Hat Magnus für dich posiert?", will sie wissen. Ich nickte zustimmend und konnte mir ein Lächeln bei der Erinnerung an diesen Abend nicht verkneifen.
"Und er durfte es nicht sehen?" "Natürlich nicht. Dann wäre ja der Überraschungseffekt weg gewesen", antwortete ich kichernd und half Mary noch dabei, den Abfall zu entsorgen, ehe sie mich in den Feierabend entließ. "Ich bin mir sicher, er wird sich sehr darüber freuen. Es ist schön, dass du wieder mit dem Malen angefangen hast", gestand sie mir und musterte mich nachdenklich.
"Lange Zeit hat es mich traurig gemacht, weil ich genau in diesen Momenten immer an meinem zerplatzten Traum denken musste." "Was nicht ist, kann doch noch werden, Alec. Gib nicht auf. Wenn du möchtest, kannst du gern ein paar deiner Bilder im Café aufhängen. Du hast doch viele Natur- und Landschaftsbilder. Die würden hier wunderbar reinpassen. Und wer weiß, vielleicht fallen sie ja dem ein oder anderem auf", schlug sie mir unerwartet vor.
'Ich sollte meine Bilder hier aufhängen? Bisher hatte ich nur für mich gemalt.' "Meinst du wirklich?" "Ein Versuch ist es wert", entgegnete Mary und zwinkerte mir mutmachend zu. Je mehr ich darüber nachdachte, desto besser gefiel mir die Idee. "Du hast recht, ich danke dir."
Vom Café aus, machte ich mich direkt auf den Weg zu Magnus' Geburtstagsfeier. Dabei ging mir allerhand durch den Kopf. 'Wie würde dieser Abend mit Magnus und seinen Freunden werden? Würde ihm sein Geschenk gefallen?'Ich durfte mich nicht verrückt machen und doch stellte ich mir die verschiedensten Szenarien vor. Vieles konnte ich vermutlich ohnehin nicht beeinflussen.
Als mein Handy spürbar in meiner Jackentasche vibrierte, rechnete ich fest mit einer Nachricht von Magnus. Er liebte es, mir über den Tag hinweg, aufmunternde Worte zu schreiben und ich freute mich mittlerweile jeden Tag darauf.
Nichts ahnend zog ich mein Handy aus meiner Jackentasche und las die eingegangene Nachricht. Sie war von meiner Schwester Izzy. Nach unserem verpatzten Dinner schrieb sie mir direkt, doch ich war viel zu wütend, um irgendetwas zu entgegnen.
Hi Alec. Melde dich doch bitte. Es tut mir wirklich leid, wie wir auseinander gegangen sind. Ich wollte dich wirklich gern sehen und mit dir reden - wie früher. Vielleicht schaffen wir es ja dieses Mal einander zuzuhören, ohne dass uns Missverständnisse entzweien.
Pass auf dich auf. Ich hab dich lieb.
Iz <3
Unter ihrer Nachricht hatte sie ein Bild von Jace, Max und mir mit angehängt. Es war von unserem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest. Wir trugen albernen Weihnachtsschmuck auf dem Kopf und lachten auf dem Foto. Dieser Anblick verpasste mir einen Stich ins Herz.
Ich vermisste sie alle wahnsinnig und konnte mir nicht vorstellen, dass wir alle irgendwann wieder mit unseren Eltern ausgelassen Weihnachten feiern würden.
Ehe ich mich versah, hatte ich Magnus' Zuhause erreicht und stand nun mit flauem Magengefühl vor Magnus' Wohnung. Von drinnen drang laute Musik und Gelächter in den Flur. Ich hoffte, angemessen gekleidet zu sein. 'Mit Hemd und einer Jeans konnte man doch nichts falsch machen, oder?'
Mit zittriger Hand betätigte ich die Klingel und wartete darauf, dass mir mein hübscher Freund und zugleich das Geburtstagskind des heutigen Tages die Tür öffnete. Nach wenigen Sekunden des Wartens flog die Haustür schwungvoll auf.
Zu meiner Überraschung stand nicht Magnus vor mir, sondern eine Frau in einem hautengen Cocktailkleid, das ihr gerade mal bis über den Po reichte. Da wollte jemand wohl ein Statement setzen. Ihre tiefschwarzen Haare reichten ihr bis über die Schulter. Einige ihrer Strähnen ragten in ihren Ausschnitt hinein, der ebenso tiefe Einblicke zuließ.
Mit deutlicher Ablehnung musterte sie mich. Ich bemühte mich, mir meine Unbehaglichkeit nicht anmerken zu lassen.
"Magnus, Schatz?! Erwartest du noch jemanden?", rief sie ins innere der Wohnung. Fassungslos starrte ich sie an und stotterte höchst unbeholfen: "Ich bin eingeladen."
"Soso. Und wer bist du?", fragte mich diese höchst unfreundliche Person, von der ich kaum glauben konnte, dass sie mit Magnus befreundet war. 'Mit was für Leuten gab er sich ab? Ich wusste ja, dass wir aus verschiedenen Welten kamen, aber...'
"A-Alexander. Magnus' fester Freund", erwiderte ich standhaft. "Ja, sicher!", reagierte sie mit einem hässlichen Lachen. So langsam wurde mir das hier zu bunt. Vielleicht hatte es sich Magnus anders überlegt und er wollte mich hier gar nicht. Dann hätte er doch aber was sagen können.
"Magnus hat gar nichts von dir erzählt", erklärt sie mir mit einem hämischen Grinsen. Das intensive Rot ihrer Lippen bringt mich aus dem Konzept. Ich stehe da wie ein Trottel, der offensichtlich an der falschen Tür geklingelt hat.
Ich war wir erstarrt und klammerte mich nun wie ein Ertrinkender an Magnus' Porträt. 'Wer war diese Frau, der meinem Freund kitschige Kosenamen gab, und wie kam es, dass sie nichts von mir wusste?'
Fortsetzung folgt....
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Searching for Love
FanfictionKann eine einzige Begegnung ein ganzes Leben verändern? Rückblickend betrachtet kann ich dem nur zustimmen. Ich hatte nichts und hoffte jeden Tag aufs Neue auf ein bisschen Glück und Liebe. Vielleicht klingt das kitschig, aber sind das nicht die Din...