Alecs POV
"Ich bin etwas nervös. Was, wenn mich dein Dad nicht mag?", gestand ich Magnus meine Besorgnis. Schlimm genug, dass meine eigenen Eltern nicht genügend Liebe für mich übrig hatten. Wenn Magnus' Dad mich nicht akzeptierte, wüsste ich nicht, wie ich damit umgehen sollte.
"Alexander, ich denke nicht, dass das möglich ist. Mein Vater weiß wie viel du mir bedeutest. Sei einfach du selbst", riet mir mein Freund und küsste zärtlich meine kalten Lippen. Seine hingegen verströmten eine wohlige Wärme. Vielleicht hatte er recht und ich machte mir wieder einmal zu viele Gedanken.
Ich nahm einen tiefen Atemzug als Magnus die Klingel seines Elternhauses betätigte und umfasste fest seine Hand. Er war mein Anker, schon von Anfang an. Ich hoffte, mich eines Tages für seine Geduld und Unterstützung revanchieren zu können. Ohne ihn würde ich mich immer noch selbst bemitleiden und Trübsal blasen.
"Magnus! Selamat Natal!", begrüßte Mr. Bane seinen Sohn mit einem liebevollen Lächeln und zog ihn zugleich in eine innige Umarmung. Ich sah sofort die Ähnlichkeit zwischen den beiden und mir wurde bei diesem Anblick wohlig warm ums Herz.
"Das wünsche ich dir auch, Dad", erwiderte Magnus und deutete nun auf mich. "Das ist Alexander." Nun war der Moment gekommen. Nach einem prüfenden Blick reichte mir Mr. Bane seine Hand, die ich herzlich ergriff. "Endlich lernen wir uns kennen. Magnus hat schon viel von dir erzählt. Ich freue mich, dass du Weihnachten mit uns verbringst", entgegnete er höflich und schenkte auch mir ein liebliches Lächeln.
"Danke für die Einladung, Mr. Bane. Es ist mir eine Freude." Magnus' Dad winkte uns ins Innere des Hauses und ließ mich wissen: "Nenn mich Amir, bitte. Ich komme mir neben meinem Sohn ohnehin schon alt vor."
Der Geruch von warmen und frisch gebackenen Brot stieg mir in die Nase und steigerte die Vorfreude auf den bevorstehenden Abend nur noch mehr. "Das Brot muss noch etwas abkühlen. Möchtet ihr in der Zwischenzeit den Baum schmücken?", wandte sich Amir an uns.
"An Heilig Abend gibt es bei uns immer frisches Brot, geräucherte Entenbrust und Gänseschmalz. Alte Tradition. Ich hoffe, du magst das", klärte mich Magnus auf und gab seinem Dad nebenher das Okay für das Schmücken des Weihnachtsbaums.
In den letzten Jahren hatte sich ausschließlich meine Mutter um das Schmücken gekümmert. Sie wollte, dass alles perfekt war und offensichtlich waren meine Geschwister und ich nicht dazu fähig, die Kugeln an die richtigen Zweige zu hängen. Dabei war es doch für uns Kinder immer das Schönste gewesen, zusammen den Weihnachtsbaum zu dekorieren.
Bevor Magnus und ich uns an den Weihnachtsbaum wagten, bekam ich noch eine kleine Führung durch sein Elternhaus, das wirklich gemütlich, aber dennoch schlicht eingerichtet war. Nachdem ich das erste Mal Magnus' riesiges und luxuriöses Apartment gesehen hatte, stellte ich mir vor, wie viel imposanter sein Zuhause sein musste. Umso überraschter war ich nun, dass es nicht so war.
"Du hast ein sehr schönes Zuhause Magnus. Wirklich", gestand ich ihm und sah mich nochmals um. "Ich glaube ja, das Haus könnte etwas weiblichen und dekorativen Charme vertragen", verriet mir Magnus kichernd und zog mich ins Wohnzimmer. Früher hatte wohl Magnus' Mutter für diesen besonderen Charme gesorgt. Wie gern hätte ich die Frau kennengelernt, die diesen wunderbaren Menschen geboren hatte.
Im Wohnzimmer angekommen, fiel mein Blick sofort auf einen großen, aber trotzdem recht kargen Weihnachtsbaum. Ohne, dass ich fragen musste, erklärte mir mein Freund was es mit den Weihnachtsbäumen in der Familie Bane auf sich hatte.
"Meine Mutter hatte irgendwann damit angefangen, nur noch die Bäume zu kaufen, die von niemanden Beachtung erhielten. Sie meinte immer, dass das Schicksal eines Weihnachtsbaumes ohnehin recht traurig sei und es noch trauriger wäre wenn die Bäume, die nicht perfekt waren, umsonst gefällt wurden."
Etwas Schöneres hatte ich lange nicht mehr gehört. Magnus' Mutter schien eine gütige und weise Frau gewesen zu sein.
"Der Trick ist, so viele Kugeln wie möglich an den Baum zu hängen", erklärte uns Amir kichernd, der zugleich den Raum betrat und einen antiken Plattenspieler in Gang setzte. Die rauchige Stimme von Bill Crosby ertönte und ich erkannte sofort den Song 'O Holy Night'. Die alten Weihnachtsklassiker waren doch immer noch die schönsten.
Etliche glitzernde Kugeln in den verschiedensten Farben lagen vor uns ausgebreitet und warteten darauf zu brillieren. "Dad und ich mögen es bunt." "Bunt ist perfekt für mich", versicherte ich und half Amir dabei die Lichterketten anzubringen. In der Vergangenheit hatte sich mein Dad immer darum kümmern müssen, inklusive um das Entheddern der Kabel, denn dafür hatte meine Mom keine Geduld gehabt.
Gemeinsam schmückten wir nun alle den Weihnachtsbaum. Ich fühlte eine tiefe Zufriedenheit in mir. Es war fast so, als ob ich bereits zu dieser Familie gehörte.
"Ich glaube, diese Kugel ist für dich bestimmt, Alexander", erklärte mir Amir und reichte mir eine rotglitzernde Weihnachtskugel, auf der in goldener und filigraner Schrift stand: 'Aku cinta kamu.'
Ich starrte auf dies drei Worte und auch wenn ich sie noch nie zuvor gelesen hatte, wusste ich instinktiv, was sie bedeuteten. Gerührt blickte ich zu Magnus, der mich liebevoll anlächelte.
"Ich liebe dich auch", flüsterte ich ihm zu und ergriff seine Hand. Mit der anderen hängte ich die Kugel an einen grünen Tannenzweig und betrachtete nun den Weihnachtsbaum in seiner ganzen Farbpracht. Und obwohl dieser Baum nicht perfekt war, hatte ich noch nie zuvor einen schöneren gesehen.
"Deiner Mutter würde er gefallen", sprach Amir zu seinem Sohn und seufzte leise. Weihnachten machte einem immer wieder bewusst, welche Menschen uns besonders fehlten.
"Lasst uns essen, Kinder", verkündete Magnus' Dad sanft und nahm die leeren Schachteln mit sich, in der sich zuvor die Kugeln befunden hatten. Für Eltern wird man wohl ewig ein Kind bleiben.
"Du hast einen tollen Dad, Magnus." "Ich weiß. Er mag dich", erzählte er mir. Ich spitzte die Ohren. "Was macht dich so sicher?", wollte ich wissen und lauschte gespannt Magnus' Antwort.
"Du bist der erste, den ich hierher mitbringe. Er weiß, dass du etwas ganz Besonderes für mich bist und vertraut darauf, dass ich nur Menschen in unser Leben lasse, die reinen Herzens sind."
"Danke, Magnus. Danke für das hier, für dein Vertrauen, für deine Liebe. Das ist das größte Geschenk für mich", offenbarte ich Magnus meine tiefsten Gedanken und umarmte ihn ganz fest. Ich spürte, dass sich etwas in meinem Leben gewaltig verändert hatte, dass ich Momente viel bewusster wahrnahm und dankbarer war.
Ich besaß nicht viel und doch fühlte ich mich reicher, als viele Menschen, denn ich wurde bedingungslos geliebt.
Fortsetzung folgt...
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Searching for Love
FanfictionKann eine einzige Begegnung ein ganzes Leben verändern? Rückblickend betrachtet kann ich dem nur zustimmen. Ich hatte nichts und hoffte jeden Tag aufs Neue auf ein bisschen Glück und Liebe. Vielleicht klingt das kitschig, aber sind das nicht die Din...