Kapitel 5 - Ein Otter und ein Spukhaus

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Die Bibliothek von Aramoor war ein hübsches, großes Sandsteingebäude, mit einem kleinen Kuppeldach und hohen Fenstern aus bunten Glaskacheln. Hinter der eisernen Doppelflügeltür befand sich ein kleines Vorzimmer mit Sesseln, einer Rezeption und einigen Pflanzen, dahinter führte der dunkle Holzboden in eine mit Bücherregalen versehene Halle.

Diese Bibliothek war vielleicht nicht die Größte des Kontinents, aber Abbas staunte trotzdem über all das Wissen, welches sich zwischen den Ledereinbänden in den Regalen auf zwei Etagen ausbreitete. Nur wenige Gäste waren zu dieser Tageszeit hier und die Lesetische deshalb spärlich besetzt.

„Habt ihr eine Ahnung, wo wir diesen Mo finden können?“, fragte Goal. Abbas drehte sich zu ihr und hielt ihr den Rüssel vor den Mund: „Pscht. Wir wollen doch niemanden stören!“ Während Goal gleichgültig mit den Schultern zuckte, blickte der Loxodon sich suchend um. Er war groß genug, um über die Regale hinwegzuschauen, aber er erkannte nichts Auffälliges. „Vielleicht sollten wir vorne an der Rezeption fragen?“, schlug Mia flüsternd vor. „Gute Idee!“, rief Goal wieder ein bisschen zu laut und wandte sich zum Gehen. „Äh, Leute? Ich glaube hier kommt schon jemand, der uns vielleicht we-“ Elaine wurde von einem hellen Quietschen unterbrochen und die Truppe schaute staunend auf die Gestalt, die einen Bücherwagen vor sich herschob und freundlich winkend auf sie zu ging. Goal fragte sich für einen Moment, ob das alles nur ein Traum war und rieb sich die Augen. Aber vor ihr stand wirklich ein waschechter Otter. Er war einen Kopf größer als Goal, trug ein bunt gemustertes Hemd, darüber eine graue Weste, an der eine Taschenuhr hinunterbaumelte. Seine Beine steckten in hochgekrempelten, grauen Hosen, in denen sich ein Loch für seinen Schwanz befand, der hinter ihm ungeduldig über den Boden peitschte. „Äh. Hallo“, sagte Mia zögerlich, „Bist du - Sind Sie - Mo?“ Der Otter gab erneut quietschende Geräusche von sich und nickte heftig. „Aha.“ „Kennst du Ruby?“, fragte Goal und Mo nickte. Er fing an, hektische Laute von sich zu geben, aber als er merkte, dass ihn niemand verstehen konnte, wurde er wieder still. „Tut mir leid, dass wir deine Sprache nicht sprechen“, meinte Elaine, aber Mo winkte ab. Mit weiteren Otterlauten stellte er seinen Bücherwagen an dem nächstgelegenen Regal ab und ging langsam zur hinteren Wand der Halle. Mit einer Bewegung seiner Pfote und einem Kopfnicken bedeutete er den anderen, ihm zu folgen, was diese auch nach einigem Zögern taten.

An der hintersten Wand der Bibliothek befand sich ein langes, ziemlich niedriges Regal, auf dem nur einige große, schwere Bücher standen, wie Lexika und Atlanten. Der Rest der Bretter war leer und eine kleine Staubschicht hatte sich auf ihnen angesammelt. Anscheinend wurde hier nur selten richtig geputzt. Umso auffälliger war darum der kleine schwarze Einband, der sich an die Seite des Regales presste, um noch einen Hauch Tarnung abzubekommen. Er war blitzblank und kleine, silbern glänzende Runen prangten auf seinem Rücken. Als sie nun alle vor ihn standen, hob Mo seine Pfote. Erst sah es so aus, als würde er das Buch nur aus dem Regal ziehen, aber dieses schien daran kleben zu bleiben und mit einem kaum hörbaren Klicken schwang plötzlich das gesamte Bücherregal zur Seite. „Wahnsinn“, hauchte Elaine in die Finsternis hinein und zauberte eine kleine Lichtkugel, die den Sandsteintunnel gerade so gut erleuchtete, dass die anderen auch sehen konnten, wo sie hintraten.

Mo ging vor ihnen eine steile Treppe hinab und entzündete eine kleine Fackel. Als er ihnen mit einem Schnattern das Signal zum Folgen gab, hallte seine Stimme leise von den Wänden wider. „Achtung, es ist ein bisschen rutschig“, flüsterte Mia und tastete sich mit den Händen an der Wand die Stufen hinunter.

Die Treppe machte nach einigen Stufen eine Biegung und gab den Blick in einen kleinen Raum frei. Dieser war sauber in den Stein gehauen und an einigen Stellen mit dicken Holz-Stehlen gestützt. Ein großer Schreibtisch stand in der Mitte, auf ihm befand sich ein Sammelsurium an Schriftrollen und Büchern. Leere Regale zierten die freien Wandstücke, in einigen wenigen standen dicke Ledereinbände, die mit Ketten an ihre Regalbretter angeschlossen waren. Das Imposanteste in diesem Raum war jedoch die Maschine, die gegenüber der Treppe montiert worden war und die ganze Wand einzunehmen schien.

Der Gefallene GottWo Geschichten leben. Entdecke jetzt