L U N A
In der ganzen Aufregung über die verlorenen Punkte hatte ich ganz vergessen, dass wir noch Strafarbeiten vor uns hatten.
Gleich würde Mine klagen, wieder sei eine ganze Nacht für die Wiederholung verloren, doch sie sagte kein Wort.
Wie ich hatte sie das Gefühl, nichts besseres verdient zu haben.
Um elf Uhr an diesem Abend verabschiedeten wir uns im Gemeinschaftsraum von Ron und gingen mit Neville hinunter in die Eingangshalle.
Filch wartete schon - und Draco.
Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass es Draco auch erwischt hatte.
„Folgt mir.", sagte Filch, zündete eine Laterne an und führte uns nach draußen. „Ich wette, ihr überlegt es euch das nächste Mal, ob ihr nochmal eine Schulvorschrift brecht, he?"
„Oh ja ... harte Arbeit und Schmerzen sind die besten Lehrmeister, wenn ihr mich fragt ... Jammerschade, dass sie die alten Strafen nicht mehr anwenden ... Könnt euch ein paar Tage lang in Handschellen legen und von der Decke hängen lassen, die Ketten hab ich noch in meinem Büro, hält sie immer gut eingefettet, falls sie doch nochmal gebraucht werden...
Schön, los geht's, und denkt jetzt bloß nicht an Weglaufen, dann wird's nur noch schlimmer für euch."
Wir machten uns auf den Weg über das dunkle Schlossgelände.
Neville schniefte unablässig.
Ich fragte mich, worin die Strafe wohl bestehen würde.
Es müsste etwas schreckliches sein, sonst würde Filch sich nicht so vergnügt anhören.
Der Mond war sehr hell, doch die Wolken, die über uns dahintrieben, tauchen uns immer wieder in Dunkelheit.
Vor uns konnte ich die Fenster von Hagrid's Hütte erkennen.
Dann hörten wir einen Ruf aus der Ferne.
„Bist du das, Filch? Beeil dich, ich will aufbrechen."
Mir wurde leichter ums Herz; wenn wir mit Hagrid arbeiten würden, dann könnte es uns nicht so schlecht ergehen.
Die Erleichterung stand anscheinend auch Harry ins Gesicht geschrieben, denn Filch sagte: „Ihr glaubt, ihr werdet euch mit diesem Hornochsen einen netten Abend machen? Überlegt es euch lieber noch mal. Es geht in den Wald und es würde mich wundern, wenn ihr in einem Stück wieder rauskommt."
Bei diesem Worten stöhnte Neville leise auf und Draco blieb wie angewurzelt stehen.
„In den Wald?", wiederholte er, wobei er nicht mehr so kühl klang wie sonst. „Wir können da nachts nicht reingehen - da treibt sich allerlei herum - auch Werwölfe, hab ich gehört.", meinte er.
Neville packte den Ärmel von Harry's Umhang und gab ein ersticktes Geräusch von sich.
„Das sind schöne Aussichten, nicht wahr?", fragte Filch, wobei sich seine Stimme vor Schadenfreude überschlug. „Hättet an die Werwölfe denken sollen, bevor ihr euch in Schwierigkeiten gebracht habt."
Hagrid kam uns mit langen Schritten aus der Dunkelheit entgegen, mit Fang bei Fuß.
Er trug seine große Armbrust und hatte einen Köcher mit Pfeilen um die Schulter gehängt.
„Wird allmählich Zeit.", sagte er. „Warte schon 'ne halbe Stunde. Alles in Ordnung, Harry, Hermine, Luna?"
„Ich wär lieber nicht so freundlich zu ihnen, Hagrid.", empfiehl ihm Filch kalt. „Schließlich sind sie hier, um sich ihre Strafe abzuholen."
„Deshalb bist du zu spät dran.", antwortete Hagrid mit einem Stirnrunzeln. „Hast ihnen 'ne Lektion erteilt, was? Nicht deine Aufgabe, das zu tun. Du hast deine Sache erledigt und ich übernehme ab hier."
„Bei Morgengrauen bin ich zurück.", sagte Filch. „Und hol die Reste von ihnen ab.", fügte er gehässig hinzu, drehte sich um und machte sich mit in der Dunkelheit hüpfender Laternen auf den Weg zurück zum Schloss.
Nun wandte sich Draco an Hagrid.
„Ich gehe nicht in diesen Wald.", meinte er und ich bemerkte den Anflug von Panik in seiner Stimme.
„Du musst, wenn du in Hogwarts bleiben willst.", erwiderte Hagrid grimmig. „Du hast was ausgefressen und jetzt musst du dafür bezahlen."
„Aber das ist die Sache der Bediensteten, nicht der Schüler. Ich dachte, wir würden die Hausordnung abschreiben oder so was. Wenn mein Vater wüsste was ich hier tue, würde er -", wurde jedoch unterbrochen.
„- dir sagen, dass es in Hogwarts eben so zugeht!", knurrte Hagrid. „Die Hausordnungen abschreiben! Wem nützt das denn? Du tust was nützliches oder du fliegst raus. Wenn du glaubst, dein Vater hätte es lieber, wenn du von der Schule verwiesen wirst, dann geh zurück ins Schloss und pack deine Sachen. Los jetzt!"
Das nenne ich mal eine Ansage.
Draco rührte sich nicht vom Fleck.
Voll Zorn sah er Hagrid an, doch dann senkte er den Blick.
„Na also.", sagte Hagrid. „Nun hört mal gut zu, weil es gefährlich ist, was wir heute Nacht tun und ich will nicht, dass sich einer von euch unnötig in Gefahr bringt. Folgt mir kurz hier rüber."
Er führte uns dicht an den Rand des Waldes.
Mit hochgehaltener Laterne wies er auf einen engen, gewundenen Pfad, der zwischen den dicht stehenden schwarzen Bäumen verschwand.
Als wir in den Wald hineinsahen, zerzauste uns eine leichte Brise die Haare.
„Seht mal her.", sagte Hagrid. „Seht ihr das Zeug, das da auf dem Boden glänzt? Silbriges Zeug? Das ist Einhornblut. Irgendwo ist da ein Einhorn, das von irgendetwas schwer verletzt worden ist. Das ist jetzt das zweite Mal in einer Woche. Letzten Mittwoch hab ich ein totes gefunden. Wir versuchen jetzt das arme Tier zu finden. Vielleicht müssen wir es auch von seinem Leiden erlösen."
„Und was passiert, wenn das andere - was das Einhorn verletzt hat - uns zuerst findet?", fragte Draco, ohne dass er die Furcht aus seiner Stimme verbannen konnte.
„In diesem Wald ist nichts was euch etwas zuleide tut, solange ich und Fang dabei sind.", antwortete Hagrid. „Und bleibt auf'm Weg. Also dann, wir teilen uns in zwei Gruppen und folgen der Spur in verschiedene Richtungen. Hier ist überall Blut, das Tier muss sich mindestens seit gestern Nacht herumschleppen."
Draco warf einen raschen Blick auf Fangs lange Zähne.
„Ich will Fang."
„Na gut, aber ich warn dich, er ist ein Feigling.", brummte Hagrid. „Also gehen Harry, Hermine, Luna und ich in die eine Richtung und Draco, Neville und Fang in die andere. Und wenn einer von uns das Einhorn findet, schicken wir grüne Funken aus, klar? Holt eure Zauberstäbe hervor und probiert das mal - sehr gut - und wenn einer in Gefahr ist schickt rote Funken aus und wir kommen zu Hilfe - also, seid vorsichtig - und nun los."
Der Wald war schwarz und still.
Wir legten ein Stück des Wegs gemeinsam zurück und stießen dann auf eine Gablung.
Harry, Mine, Hagrid und ich gingen nach links, Draco, Neville und Fang nach rechts.
Wir gingen schweigend, die Augen auf die Erde gerichtet.
Hie und da beleuchtete ein Mondstrahl einen Fleck silbrig blauen Blutes auf den herabgefallenen Blättern.
Ich bemerkte, dass Hagrid sehr besorgt aussah.
„Könnte ein Werwolf die Einhörner töten?", fragte Harry.
Ich zuckte zusammen und frage mich, was alle heute mit den Werwölfen haben?
„Nicht schnell genug.", antwortete Hagrid und warf mir einen Blick zu. „Es ist nicht leicht, ein Einhorn zu fangen. Sie sind mächtige Zaubergeschöpfe. Ich hab noch nie gehört, dass eines verletzt wurde."
Wir kamen an einem moosbewachsenen Baumstumpf vorbei.
Ich konnte Wasser plätschern hören, irgendwo in der Nähe musste ein Bach sein.
An manchen stellen entlang des gewundenen Pfades war noch Einhornblut.
„Alles in Ordnung mit dir, Hermine?", flüsterte Hagrid. „Keine Sorge, es kann nicht weit weg sein, wenn es so schwer verletzt ist und dann können wir - HINTER DEN BAUM!"
Hagrid packte Harry, Mine und mich und schubste uns vom Pfad in die Deckung einer riesigen Eiche.
Er zog einen Pfeil aus dem Köcher, spannte ihn auf die Armbrust und hielt sie schussbereit in die Höhe.
Wir vier spitzten die Ohren.
Ganz in der Nähe raschelte etwas über die toten Blätter.
Es hörte sich an wie ein Mantel, der über den Boden schleifte.
Hagrid spähte den Pfad hoch, doch nach einer Weile entfernte sich das Geräusch.
„Ich wusste es.", murmelte er. „Da ist etwas im Wald, was nicht hierher gehört."
„Ein Werwolf?", fragte Harry.
Man! Was hat er mit Werwölfen?!
„Das war kein Werwolf und auch kein Einhorn.", antwortete Hagrid grimmig. „Gut, folgt mir, aber vorsichtig jetzt."
Wir gingen jetzt langsamer, gespannt auf das leiseste Geräusch achtend.
Plötzlich, auf einer Lichtung vor uns, bewegte sich etwas.
„Wer da?", rief Hagrid. „Zeig dich - ich bin bewaffnet!"
Und es erschien - ein Zentaur.
Bis zur Hüfte ein Mann mit rotem Haar und Bart, doch darunter hatte er den glänzenden, kastanienbraunen Körper eines Pferdes mit langem, rötlichem Schwanz.
„Ach, du bist es, Ronan.", stellte Hagrid erleichterte fest. „Wie gehts's?"
Er trat vor und schüttelte die Hand des Zentauren.
„Einen guten Abend dir, Hagrid.", begrüßte Ronan ihn.
Er hatte ein tiefe, melancholische Stimme.
„Wolltest du gerade auf mich schießen?"
„Man kann nie vorsichtig genug sein, Ronan.", sagte Hagrid und tätschelte seine Armbrust.
„Was Böses streift in diesem Wald herum. Das sind übrigens Harry Potter, Hermine Granger und Luna Black, Schüler vom Schloss oben. Und das ihr drei ist Ronan. Er ist ein Zentaur."
„Das haben wir schon bemerkt.", antwortete ich lächelnd.
„Guten Abend.", sagte Ronan. „Schüler seid ihr? Und lernt ihr viel da oben in der Schule?"
„Ähm -"
„Ein wenig.", sagte Mine schüchtern.
„Ein wenig. Nun, das ist doch schon etwas.", seufzte Ronan.
Er warf den Kopf zurück und blickte geb Himmel.
„Der Mars ist hell heute Nacht."
„Ja.", sagte Hagrid und schaute ebenfalls empor.
Hagrid fragte Ronan noch, ob er ein verletztes Einhorn begegnet ist, doch Ronan wiederholte nur das gesagte.
Plötzlich kam ein zweiter Zentaur. Sein Name war Bane.
Er begrüßte Hagrid, stellte sich neben Ronan und wiederholte schon das gesagte wieder.
Langsam ging es Hagrid auf die Nerven und wir gingen.
Wir gingen weiter durch den dunklen Wald.
Plötzlich tauchten rote Funken im Himmel auf.
Hagrid zog seine Armbrust.
Er sagte, wir sollen warten und brach dann durch das Unterholz.
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Luna Black 1 - Harry Potter
FanfictionIn einem Leben voller Geheimnisse und Ungewissheit ist Luna Black keine gewöhnliche Hexe. Seit ihrem 15. Lebensmonat lebt sie unter der Obhut ihres Patenonkels, während ihr Vater, Sirius Black, in Askaban gefangen ist. Luna hat stets an die Unschuld...