L U N A
Die Tage flogen zäh dahin und hinter der verschlossen Tür war Fluffy zweifellos noch immer putzmunter.
Es war schwülheiß, besonders in den großen Klassenzimmern, wo wir unsere Arbeiten schrieben.
Für die Prüfung hatten wir neue, ganz besondere Federn bekommen, die mit einem Zauberspruch gegen Schummeln behext waren.
Wir hatten auch praktische Prüfungen.
Professor Flitwick rief uns nacheinander in sein Klassenzimmer und ließ sich zeigen, ob wir eine Ananas über einen Schreibtisch Stepp tanzen lassen konnten.
Bei Professor McGonagall mussten wir eine Maus in eine Schnupftabakdose verwandeln - Punkte gab es, wenn es eine sehr schöne Dose wurde, Punktabzug, wenn sie einen Schnurrbart hatte.
Snape machte uns alle nervös; wir spürten seinen Atem im Nacken, während wir verzweifelt versuchten, uns an die Zutaten für den Vergesslichkeitstrank zu erinnern.
Eigentlich lief es für mich ganz gut.
Bei den anderen weiß ich es leider nicht.
Die allerletzte Prüfung hatten wir in Geschichte der Zauberei.
Eine Stunde lang mussten wir Fragen über schrullige alte Zauberer beantworten, die selbstumrührende Kessel erfunden hatten und dann hatten wir frei, eine ganze herrliche Woche lang, bis es die Zeugnisse gab.
Als der Geist von Professor Binns uns anwies, unsere Federkiele aus den Händen zu legen und unsere Pergamentblätter zusammenzurollen, ließ auch ich mich von den Jubelschreien der anderen mitreißen.
„Das war viel leichter, als ich dachte.", sagte Mine, als wir uns den Grüppchen anschlossen, die auf das sonnendurchflutete Schlossgelände hinaus spazierten.
Ich stimmte Mine mit einem Nicken zu.
Die Prüfungen waren leicht.
„Die Benimmregeln für Werwölfe von 1637 und den Aufstand von Elfrich dem Eifrigen hätte ich gar nicht pauken müssen.", gab ich zu.
Mine und ich sprachen hinterher immer gern die Arbeiten durch, aber Ron meinte, ihm werde ganz schlecht bei dem Gedanken.
Also wanderten wir hinunter zum See und legten uns unter einen Baum.
Die Weasley-Zwillinge und Lee Jordan kitzelten die Tentakeln eines riesigen Tintenfischs, der sich im ufernahen warmen Wasser suhlte.
„Endlich keine Lernerei mehr.", seufzte Ron und streckte sich glücklich auf dem Gras aus. „Du könntest auch etwas fröhlicher aussehen, Harry. Wir haben noch eine Woche, bis wir erfahren, wie schlecht wir abgeschnitten haben, also kein Grund, sich jetzt schon Sorgen zu machen."
Harry rieb sich die Stirn.
„Ich möchte wissen, was das bedeutet.", stieß er zornig hervor. „Meine Narbe tut die ganze Zeit weh - das ist schon mal vorgekommen, aber so schlimm war es noch nie!"
„Geh zu Madame Pomfrey.", schlug Mine vor.
„Ich bin nicht krank.", erwiderte Harry. „Ich glaube, es ist ein Warnzeichen... es bedeutet Gefahr..."
Ron schien sich anscheinend nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
„Entspann dich, Harry. Hermine hat Recht, der Stein ist in Sicherheit, solange Dumbledore hier ist. Außerdem haben wir immer noch keinen Beweis dafür, dass Snape herausgefunden hat, wie er an Fluffy vorbeikommen kann. Einmal hat er ihm fast das Bein abgerissen und so schnell wird Snape es nicht wieder versuchen. Und ehe Hagrid Dumbledore im Stich lässt, spielt Neville Quidditch in der englischen Nationalmannschaft."
Harry nickte, doch ich sah in seinem Gesichtsausdruck, dass ihn etwas quälte.
Er versuchte es uns zu erklären, doch Mine meinte: „Das sind nur die Prüfungen. Gestern Nacht bin ich aufgewacht und war schon halb durch meine Aufzeichnungen über Verwandlungskunst, bis mir einfiel, dass wir das schon hinter uns haben."
Plötzlich sprang Harry auf die Beine.
„Wo willst du hin?", fragte Ron schläfrig.
„Mir ist eben was eingefallen.", sagte Harry.
Er war bleich geworden.
„Wir müssen zu Hagrid und zwar gleich."
„Warum?", keuchte Mine, mühsam Schritthaltend.
„Findest du es nicht ein wenig merkwürdig", begann Harry, den grasbewachsenen Abhang empor hastend, „dass Hagrid sich nichts sehnlicher wünscht als einen Drachen und dann überraschend ein Fremder auftaucht, der zufällig gerade ein Ei in der Tasche hat? Wie viele Leute laufen mit Dracheneiern herum, wo es doch gegen das Zaubergesetz ist? Ein Glück, dass er Hagrid gefunden hat. Warum hab ich das nicht schon vorher gesehen?"
„Worauf willst du hinaus?", fragte Ron, doch Harry, der jetzt über das Schlossgelände zum Wald hinüberrannte, antwortete nicht.
Ich fing langsam an zu verstehen.
Warum sollte auch ein Fremder einfach mal so mit einem Drachenei spazieren gehen?
Ich hoffe, Hagrid hat dem Fremden nichts über Fluffy gesagt.
Hagrid saß in einem Lehnstuhl vor seiner Hütte, die Ärmel und Hosenbeine hochgerollt; über eine große Schüssel gebeugt enthülste er Erbsen.
„Hallooh.", sagte er lächelnd. „Fertig mit den Prüfungen? Wollt ihr was trinken?"
„Ja, bitte.", keuchte Ron, doch ich schnitt ihm das Wort ab.
„Nein, keine Zeit. Hagrid, ich muss dich was fragen. Erinnerst du dich noch an die Nacht, in der du Norbert gewonnen hast? Wie sah der Fremde aus, mit dem du Karten gespielt hast?", fragte ich.
„Weiß nicht", sagte Hagrid lässig, „er wollte seinen Kapuzenmantel nicht ablegen."
Er sah, wie verdutzt wir vier waren, und hob die Augenbrauen.
„Das ist nicht so ungewöhnlich, da gibt's 'ne Menge seltsames Volk im Eberkopf - das ist einer von den Pubs unten im Dorf. Hätt'n Drachenhändler sein können, oder? Sein Gesicht hab ich nicht gesehen, er hat seine Kapuze aufbehalten."
Harry ließ sich langsam neben der Erbsenschüssel zu Boden sinken.
„Worüber habt ihr gesprochen, Hagrid? Hast du zufällig Hogwarts erwähnt?"
„Könnte mal vorgekommen sein.", antwortete Hagrid und runzelte die Stirn, während er anscheinend sich zu erinnern versuchte. „Ja... er hat mich gefragt, was ich mache, und ich hab ihm gesagt, ich sei Wildhüter hier... Er wollte hören, um was für Tiere ich mich kümmere... also hab ich's ihm gesagt... und auch, dass ich immer gerne einen Drachen haben wollte ... und dann... ich weiß nicht mehr genau, weil er mir ständig was zu trinken spendiert hat ... Wartet mal... ja, dann hat er gesagt, er hätte ein Drachenei und wir könnten darum spielen, Karten, wenn ich wollte... aber er müsse sicher sein, dass ich damit umgehen könne, er wolle es nur in gute Hände abgeben... Also hab ich ihm gesagt, im Vergleich zu Fluffy wär ein Drache doch ein Kinderspiel..."
„Und schien er ... schien er sich für Fluffy zu interessieren?", fragte ich ruhig.
„Nun - ja - wie viele dreiköpfige Hunde trifft man schon, selbst um Hogwarts herum? Also hab ich ihm gesagt, Fluffy ist ein Schoßhündchen, wenn man weiß, wie man ihm beruhigt, spiel ihm einfach 'n wenig Musik vor und er wird auf der Stelle einschlafen -"
Plötzlich trat Entsetzen auf Hagrid's Gesicht.
„Das hätte ich nicht sagen sollen!", sprudelte er hervor. „Vergesst es! Hey - wo lauft ihr hin?"
Harry, Ron, Mine und ich sprachen kein Wort miteinander, bis wir in der Eingangshalle ankamen, die nach dem sonnendurchfluteten Schlosshof sehr kalt und düster wirkte.
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Luna Black 1 - Harry Potter
Hayran KurguIn einem Leben voller Geheimnisse und Ungewissheit ist Luna Black keine gewöhnliche Hexe. Seit ihrem 15. Lebensmonat lebt sie unter der Obhut ihres Patenonkels, während ihr Vater, Sirius Black, in Askaban gefangen ist. Luna hat stets an die Unschuld...