Kapitel 18 ✔️

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L U N A

„Ich hab immer gewusst, dass Salazar Slytherin ein verrückter alter Schwachkopf war.", sagte Ron zu Harry, Mine und mir, als wir uns nach Ende der Stunde durch die dicht gedrängten Gänge kämpften, um unsere Taschen vor dem Abendessen nach oben zu bringen. „Aber ich hab nicht gewusst, dass er diesen ganzen Unsinn mit den reinen Blut angefangen hat. Ich wollte nicht in seinem Haus sein und wenn man mich dafür bezahlte. Ehrlich gesagt, wenn der sprechende Hut versucht hätte mich nach Slytherin zu stecken, hätte ich gleich wieder den Zug nach Hause genommen..."
Mine und ich nickten eifrig, doch Harry sagte kein Wort.
Irgendwie sieht es aus, als wäre er in Gedanken.
Während der Schülerstrom uns in die eine Richtung trug, schwamm in der Gegenrichtung Colin Creevey vorbei.
„Hi, Harry!"
„Hallo, Colin.", sagte Harry beiläufig.
„Harry - Harry - ein Junge in meiner Klasse hat gesagt, dass du -"
Doch Colin war so klein, dass er nicht gegen die Welle von Schülern ankämpfen konnte, die ihn zur Großen Halle trug; wir hörten ihn noch quieken: „Bis nachher, Harry!" und dann war er verschwunden.
„Was sagt ein Junge in seiner Klasse über dich?", fragte Mine.
„Dass ich der Erbe von Slytherin bin, vermute ich.", antwortete Harry.
Ich verdrehte die Augen.
„Die Leute hier glauben auch alles.", fluchte ich angewidert.
Die Menge verlor sich und die nächste Treppe nahmen wir ohne Mühe.
„Glaubst du wirklich, dass es eine Kammer des Schreckens gibt?", fragte Ron Mine.
„Ich weiß nicht.", erwiderte sie stirnrunzelnd. „Dumbledore konnte Mrs. Norris nicht heilen und deshalb denke ich, was immer Sie angegriffen hat, ist vielleicht kein - nun ja - menschliches Wesen."
Ich nickte zustimmend.
Glaube ich auch nicht.
Während sie sprach, bogen wir um eine Ecke und fanden uns nun ganz am Ende jenes Korridors, in dem der Angriff geschehen war.
Wir hielten inne und sahen uns um.
Der Schauplatz sah genauso aus wie in jener Nacht, nur hing keine steife Katze vom Fackelhalter und ein leerer Stuhl stand an der Wand, auf der immer noch zu lesen war: „Die Kammer wurde geöffnet."
„Da hat Filch Wache gehalten.", murmelte Ron.
Wir sahen uns an.
Der Korridor war menschenleer.
„Kann nicht schaden, wenn wir uns ein wenig umsehen.", meinte Harry.
Er stellte seine Tasche ab, ging auf die Knie und kroch nach Spuren suchend auf dem Boden umher.
„Brandflecken!", sagte er. „Hier - und hier -"
„Komm und schau dir das an!", sagte Mine. „Das ist merkwürdig..."
Harry stand auf und ging hinüber zum Fenster neben der Schrift an der Wand.
Ich folgte ihm.
Mine deutete auf die oberste Fensterscheibe, wo sich etwa 20 Spinnen auf einem Haufen drängten und offenbar mit aller Kraft versuchten durch einen kleinen Riss zu kommen.
Ein langer silberner Faden pendelte hin und her wie ein Seil, als ob sie alle schnell daran hochgekrabbelt wären, um hinauszugelangen.
„Habt ihr jemals so etwas bei Spinnen gesehen?", fragte Mine kopfschüttelnd.
„Nein", sagte ich, „und du, Ron? Ron?"
Ich wandte den Kopf ab.
Ron hielt weiten Abstand zu uns und schien gegen den Drang anzukämpfen, einfach wegzulaufen.
Ach ja, er mag keine Spinnen... voll vergessen.
„Was ist los?", fragte Harry.
„Ich mag keine Spinnen.", antwortete Ron gepresst.
„Das hab ich nicht gewusst.", sagte Mine und sah Ron überrascht an. „Du hast doch so oft Spinnen in Zaubertränke gemischt..."
„Gegen tote hab ich ja nichts.", erklärte Ron, der sorgfältig den Blick aufs Fenster vermied. „Ich mag nur nicht, wie sie sich bewegen..."
Mine kicherte, ich hab ihr einen leichten Stoß.
„Das ist nicht komisch.", sagte Ron beleidigt. „Wenn du's wissen willst: Als ich drei war, hat Fred meinen... meinen Teddybären in eine eklige große Spinne verwandelt, weil ich seinen Spielzauberstab zerbrochen hatte... Du würdest sie auch nicht ausstehen können, wenn du deinen Bären geknuddelt hättest und der hätte plötzlich zu viele Beine..."
Erschaudernd brach er ab.
Mine bemühte sich offenbar immer noch, sich das Lachen zu verkneifen.
Harry hatte anscheinend das Gefühl, wir sollten das Thema wechseln und sagte: „Erinnert ihr euch an das viele Wasser auf dem Boden? Wo kam das her? Jemand hat es aufgewischt."
„Es war ungefähr hier.", sagte Ron, der sich wieder gesammelt hatte und ging ein paar Schritte an Filch's Stuhl vorbei: „Auf Höhe dieser Tür."
Er streckte die Hand nach dem bronzenen Türknauf aus, zog sie aber jäh wieder zurück, als ob er sich verbannt hätte.
„Was ist denn jetzt wieder los?", wollte ich wissen.
„Ich kann da nicht rein.", erklärte Ron grantig. „Das ist ein Mädchenklo."
„Ach Ron, da wird niemand drin sein.", versicherte Mine.
Sie richtete sich auf und kam zu ihm herüber.
„Da lebt die Maulende Myrte. Komm, lass uns mal nachsehen."
Sie setzte sich über das große „Defekt"-Schild hinweg und öffnete die Tür.
Es war der düsterste und trostloseste Toilettenraum, den ich je betreten hatte.
Unter einem riesigen gesplitterten und fleckigen Spiegel zog sich eine Reihe angeschlagener Waschbecken entlang.
Der Boden war feucht und spiegelte trübe das Licht einiger Kerzenstummel wieder, die in ihren Haltern ausbrannten; von den zerkratzten Holztüren der Kabinen schälte sich die Farbe ab und eine hing in den Angeln.
Mine drückte die Finger an die Lippen und schlich hinüber zur hintersten Kabine.
Dort angelangt, sagte sie: „Hallo, Myrte, wie geht es dir?"
Harry, Ron und ich traten neugierig hinzu.
Die Maulende Myrte schwebte über der Kloschüssel und drückte an einem Pickel auf ihrem Kinn herum.
„Das ist ein Mädchenklo.", sagte sie und musterte Ron und Harry misstrauisch. „Das sind keine Mädchen."
„Nein.", stimmte Mine ihr zu. „Ich wollte ihnen nur zeigen, wie - ähm - nett du es hier hast."
Mit einer Armbewegung deutete sie auf den schmutzigen alten Spiegel und den feuchten Boden.
„Frag sie, ob sie etwas gesehen hat.", hauchte Harry in Mine's Ohr.
„Was flüsterst du da?", fragte Myrte und starrte ihn an.
„Nichts.", sagte Harry rasch. „Wir wollten nur fragen -"
„Ich wünschte, die Leute würde aufhören, hinter meinem Rücken zu reden!", sagte Myrte mit tränenerstickter Stimme. „Ich hab auch Gefühle, müsst ihr wissen, obwohl ich tot bin -"
„Myrte, niemand will dich ärgern.", versicherte Mine, „Harry wollte nur -"
„Niemand will dich ärgern! Guter Witz!", heulte Myrte. „Mein Leben hier drin war nichts, als das reine Elend und nun kommen auch noch Leute, die mir den Tod ruinieren!"
„Wir wollen dich fragen, ob du in letzter Zeit etwas Merkwürdiges gesehen hast.", sagte Mine rasch. „Denn direkt vor der Tür wurde an Halloween eine Katze angegriffen."
„Hast du an diesem Abend jemanden hier gesehen?", fragte ich.
„Ich hab nicht drauf geachtet.", antwortete Myrte aufbrausend. „Peeves hat mich derart zur Verzweiflung getrieben, dass ich hierher geflüchtet bin und versucht habe mich umzubringen. Dann ist mir natürlich eingefallen, dass ich... dass ich..."
„Dass du schon tot bist.", half Ron ihr weiter.
Myrte stieß ein dramatisches Schluchzen aus, stieg hoch in die Luft, drehte sich um und stürzte sich, uns vier mit Wasser bespritzend, kopfüber in die Kloschüssel, wo sie verschwand; ihren dumpfen Schluchzern nach zu schließen war sie irgendwo im Abflussrohr zur Ruhe gekommen.
Harry und Ron standen mit offenen Mündern da, doch Mine und ich zuckten matt die Achseln und Mine meinte: „Offen gestanden war das für Myrte's Verhältnisse eine fast fröhliche Unterhaltung... kommt, gehen wir."
Harry hatte kaum die Tür hinter Myrte's gurgelnden Schluchzern zugeschlagen, als eine laute Stimme uns vier zusammenzucken ließ.
„RON!"
Percy Weasley, mit glänzendem Vertrauensschülerabzeichen, stand wie angewurzelt am Treppenabsatz, mit dem Ausdruck ungläubiges Staunens auf dem Gesicht.
„Das ist ein Mädchenklo!", sagte er entsetzt. „Was habt ihr -?"
„Haben uns nur ein wenig ungesehen.", meinte Ron achselzuckend. „Spuren, weißt du -"
Percy schwoll auf eine Weise an, die mich stark an Molly erinnerte.
„Verschwindet - auf - der - Stelle.", befahl er, schritt auf uns zu und begann uns mit den Armen fuchtelnd fortzuscheuchen. „Ist euch denn egal, was das für einen Eindruck macht? Hierher zurückzukommen, während alles beim Abendessen ist?"
„Warum sollten wir nicht hier sein?", versetzte Ron aufgebracht.
Er hielt an und stellte sich wütend vor Percy auf.
„Hör zu, wir haben diese Katze nicht angerührt!"
„Das hab ich auch Ginny gesagt", sagte Percy erbost, „aber sie denkt offenbar immer noch, dass ihr von der Schule fliegt, ich hab sie nie so aufgeregt gesehen, sie heult sich die Augen aus, denk doch mal an sie, alle Erstklässler sind wegen dieser Geschichte völlig aus dem Häuschen -"
„Dir ist Ginny doch egal.", meine Ron und die Ohren liefen ihm jetzt rot an. „Du machst dir nur Sorgen, dass ich dir die Chance vermassle, Schulsprecher zu werden -"
„Fünf Punkte Abzug für Gryffindor!", sagte Percy barsch und befingerte sein Vertrauensschülerabzeichen. „Und ich hoffe, dass ist dir eine Lektion! Keine Detektivarbeit mehr, oder ich schreibe an Mum!"
Und er schritt davon, sein Nacken so rot wie Ron's Ohren.
Harry, Ron, Mine und ich setzten uns an diesem Abend im Gemeinschaftsraum so weit wie möglich von Percy weg.
Ron war immer noch schlecht gelaunt und bekleckste ständig seine Zauberkunst-Hausaufgaben.
Als er gedankenverloren nach seinem Zauberstab griff, um die Kleckse zu entfernen, fing das Pergament Feuer.
Ron, der vor Zorn Fast rauchte wie seine Hausaufgaben, schlug das Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 2 zu.
Zu meiner Überraschung tat es ihm Mine gleich.
„Aber wer könnte es denn sein?", fragte sie mit ruhiger Stimme, als würde sie gerade ein Gespräch fortsetzten. „Wer würde alle Squib's und Muggelkinder aus Hogwarts vertreiben wollen?"
„Überlegen wir mal.", sagte Ron mit gespielter Ratlosigkeit. „Wer, den wir kennen, denkt, Muggelkinder seien Abschaum?"
Er sah Mine an.
Mine gab den Blick zurück, nicht gerade überzeugt.
„Wenn du von Malfoy redest -"
„Natürlich tue ich das!", sagte Ron. „Du hast ihn gehört - „Ihr seid die Nächsten, Schlammblüter!"  -, du musst dir nur sein fieses Rattengesicht ansehen, dann weißt du, dass er es ist -"
„Draco, der Erbe von Slytherin?", sagte ich ungläubig und skeptisch.
„Schau dir seine Familie an, die du ja anscheinend kennst.", sagte Harry und schlug ebenfalls seine Bücher zu. „Die ganze Bande war in Slytherin, damit prahlt er doch immer. Sie könnten ohne weiteres die Nachfahren von Slytherin sein. Sein Vater ist böse genug."
„Vielleicht haben sie schon seit Jahrhunderten den Schlüssel zur Kammer des Schreckens!", meinte Ron. „Geben ihn immer weiter, die Väter den Söhnen..."
„Gut.", Mine zögerte. „Ich denke, es wäre möglich..."
Ich sah sie entgeistert an.
„Aber wie beweisen wir es?", fragte Harry.
„Es könnte da eine Möglichkeit geben.", sagte Mine langsam und mit einem raschen Blick hinüber zu Percy senkte die ihre Stimme noch weiter. „Natürlich ist es schwierig. Und gefährlich, sehr gefährlich. Wir würden wahrscheinlich 50 Schulregeln brechen, fürchte ich -"
„Wenn du irgendwann mal Lust haben solltest, uns das näher zu erklären, vielleicht in einem Monat oder so, dann sag einfach Bescheid?", sagte Ron gereizt.
„Na gut.", sagte Mine kühl. „Wir müssen in den Gemeinschaftsraum der Slytherins kommen und Malfoy ein paar Fragen stellen, ohne dass er merkt, dass wir es sind."
„Aber das ist unmöglich.", meinte Harry und Ron lachte auf.
„Nein, ist es leider nicht.", murmelte ich. „Alles, war wir brauchen, wäre ein wenig Vielsaft-Zaubertrank."
„Was ist das?", fragten Ron und Harry wie aus einem Munde.
„Snape hat es neulich im Unterricht erwähnt..."
„Glaubst du, wir haben in Zaubertränke nichts besseres zu tun, als Snape zuzuhören?", murrte Ron.
„Er verwandelt einen in jemand anderen. Denkt darüber nach! Wir könnten uns in vier Slytherins verwandeln. Keiner würde wissen, dass wir es sind. Malfoy würde wahrscheinlich alles vor uns ausplaudern. Er prahlt damit bestimmt gerade jetzt im Gemeinschaftsraum der Slytherins, wenn wir ihn nur hören könnten."
„Dieses Vielsaft-Zeugs klingt ein wenig tückisch.", sagte Ron stirnrunzelnd. „Was, wenn wir stecken bleiben und für immer wie vier Slytherins aussehen?"
„Nach einer Weile verliert sich die Wirkung", erklärte ich, ungeduldig mit der Hand wedelnd, „aber an das Rezept zu kommen wird schwierig werden. Snape meine, es sei in einem Buch namens Höchst potente Zaubertränke und es wird sicher in der Verbotenen Abteilung der Bibliothek sein."
Es gab nur eine Möglichkeit, ein Buch aus der Verbotenen Abteilung zu bekommen: Wir brauchen die schriftliche Erlaubnis eines Lehrers.
„Schwer einzusehen, warum wir eigentlich das Buch brauchen sollten.", sagte Ron. „Wenn wir nicht einen der Zaubertränke zusammenbrauen wollen."
„Ich glaube", sagte Mine, „wenn wir so tun, als ob wir einfach an der Theorie interessiert wären, haben wir vielleicht eine Chance..."
„Ach komm, kein Lehrer wird darauf reinfallen.", meinte Ron. „Der müsste schon ziemlich blöde sein."

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