Kapitel 39 ✔️

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E R Z Ä H L E R

Der Basilisk schlängelte auf Harry zu, er konnte seinen schweren Körper über den staubigen Körper gleiten hören.
Die Augen immer noch geschlossen, rannte Harry mit tastenden Händen an der Wand entlang - Voldemort lachte -
Harry stolperte.
Er schlug hart auf den Steinboden auf - die Schlange war nur ein paar Meter von ihm entfernt, er hörte sie näher kommen - und dann traf ihn etwas schweres so heftig, dass er gegen die Wand geschleudert wurde.
Gleich würden Giftzähne in seinen Körper dringen, dachte er, und wieder hörte er ein rasendes Zischen und etwas, das wütend gegen die Säule klatschte.
Er konnte nicht anders - er öffnete die Augen weit genug, um etwas sehen zu können.
Die riesige Schlange, leuchtend Giftgrün, dick wie ein alter Baumstamm, hatte sich hoch in die Luft erhoben und ihr großer, stumpfer Kopf wankte wie betrunken zwischen den Säulen umher.
Harry erschauderte, bereit, die Augen zu schließen, sobald sie sich umdrehte - und dann sah er, was die Schlange abgelenkt hatte.
Fawkes schwebte um ihren Kopf herum und der Basilisk schnappte mit langen, säbeldünnen Giftzähnen nach ihm -
Fawkes stürzte sich kopfüber in die Tiefe.
Sein länger goldener Schnabel verschwand und ein jäher Schauer von dunklen Blut benetzte den Boden.
Die Schlange schlug mit den Schwanz aus und verfehlte Harry nur knappt und noch bevor Harry die Augen schließen konnte, schoss sie herum - er blickte ihr direkt ins Gesicht und sah, dass ihre Augen, beide großen wulstigen Augen, vom Phönix durchstochen worden waren; Blut floss auf den Boden und die Schlange zischte in tödlicher Qual.
Nein!", hörte Harry Voldemort schreien, „lass den Vogel! Lass den Vogel! Der Junge ist hinter dir! Du kannst ihn riechen! Töte ihn!"
Die geblendete Schlange wankte, verstört, doch immer noch todbringend.
Fawkes umkreiste weiter ihren Kopf, sein schauriges Lied singend und hackte hin und wieder auf ihre schuppige Nase ein, während das Blut aus ihren zerstörten Augen quoll.
„Helft mir, helft mir.", flüsterte Harry fiebrig, „jemand - irgendwer -"
Wieder peitschte die Schlange mit dem Schwanz über den Boden.
Harry duckte sich.
Etwas weiches hatte ihn im Gesicht getroffen.
Der Basilisk hatte den sprechenden Hut in Harry's Arme gewischt.
Harry packte ihn.
Er war alles, was er noch hatte, sein einzige Chance - er drückte ihn auf den Kopf und warf sich flach zu Boden und schon peitschte der Schwanz des Basilisken über ihn hinweg.
Hilf mir - hilf mir -", dachte Harry, die Augen unter dem Hut fest zugekniffen - „bitte, hilf mir -"
Keine Stimme antwortete.
Stattdessen zog sich der Hut zusammen, als würde ihn eine unsichtbare Hand fest umklammern.
Etwas sehr hartes und schweres fiel auf Harry's Kopf und er wurde fast Ohnmächtig.
Er sah Sterne funkeln und packte die Spitze des Hutes, um ihn herunterzureißen, doch unter dem Stoff spürte er etwas langes und hartes.
Im Innern des Hutes war ein silbern schimmerndes Schwert erschienen, auf dessen Griff eiergroße Rubine glitzerten.
Töte den Jungen! Lass den Vogel! Der Junge ist hinter dir, schnuppere - riech ihn!"
Harry stand auf, bereit zum Kampf.
Der Kopf des Basilisken fiel herab, der Körper wälzte sich umher und schlug gegen die Säulen, als er sich Harry zuwandte.
Er konnte die riesigen, blutigen Augenhöhlen sehen, das Maul, weit aufgerissen, weit genug, um ihn auf einmal zu verschlingen, versehen mit Zähnen, so lang wie sein Schwert, schimmernd und giftig -
Blindlings stieß der Kopf vor - Harry duckte sich weg und schlug gegen die Wand.
Wieder stieß der Basilisk zu und seine gespaltene Zunge peitschte Harry gegen die Schulter.
Harry hob das Schwert mit beiden Händen -
Der Basilisk stieß abermals zu und diesmal zielte er richtig - Harry stürzte sich mit der Kraft seines ganzes Gewichts nach vorn und trieb das Schwert bis zum Heft in das Gaumendach der Schlange -
Warmes Blut strömte über Harry's Arme herab, doch nun spürte er oberhalb des Ellbogens einen stechenden Schmerz.
Ein langer, giftiger Zahn senkte sich tiefer und tiefer in seinen Arm und splitterte ab, als der Basilisk zur Seite kippte und zuckend zu Boden fiel.
Harry glitt an der Mauer herunter.
Er packte den Zahn, der Gift durch seinen Körper und zog ihn aus dem Arm.
Doch er wusste, dass es zu spät war.
Glühend heißer Schmerz breitete sich von der Wunde aus.
Er ließ den Zahn fallen und sah noch, wie sein eigenes Blut den Umhang durchnässte, dann trübte sich sein Blick.
Die Kammer verschwamm in einem Wirbel dunkler Farben.
Ein Fleck Scharlachrot schwebte vorbei und Harry hörte das leise Geklapper von klauen hinter sich.
„Fawkes.", sagte Harry mit schwerer Zunge. „Du warst Klasse, Fawkes..."
Er spürte, wie der Vogel seinen schönen Kopf auf die Stelle legte, wo der Schlangenzahn ihn durchstochen hatte.
Harry hörte Schritte widerhallen und dann tauchte ein dunkler Schatten vor ihm auf und neben sich kam jemand zum Knien.
„Harry? Harry! Ist alles okay?", hörte er die Stimme von Luna.
Er nickte ihr zu.
„Du bist tot, Harry Potter.", hörte er Riddle's Stimme über sich. „Tot. Selbst Dumbledore's Vogel weiß das. Siehst du, was er tut, Potter? Er weint."
Harry blinzelte.
Fawkes' Kopf wurde klar und verschwamm dann wieder.
Dicke, perlene Tränen kullerten die glänzenden Federn hinab.
„Ich bleibe hier sitzen und sehe zu, wie du stirbst, Harry Potter. Lass dir Zeit. Ich hab's nicht eilig."
Harry fühlte sich benommen.
Alles um ihn her schien sich zu drehen.
„So endet der berühmte Harry Potter.", sagte Riddle's fern Stimme und er hörte Schluchzer von Luna. „Allein in der Kammer des Schreckens, aufgegeben von seinen Freunden, am Ende besiegt vom dunklen Lord, den er so vorwitzig herausgefordert hat. Bald bist du bei deiner lieben Schlammblutmutter, Harry... sie hat dir 12 Jahre geborgte Zeit verschafft... doch Lord Voldemort hat dich schließlich gekriegt und du wusstest, dass es so kommen musste..."
Wenn dies Sterben ist, dachte Harry, dann ist es gar nicht so übel.
Selbst der Schmerz ließ nach.
Aber war dies das Sterben?
Die Kammer, anstatt schwarz zu werden, schien wieder schärfere Umrisse anzunehmen.
Harry drehte den Kopf leicht zur Seite und sah Fawkes, der immer noch den Kopf auf seinen Arm gelegt hatte.
Perlene Tränen schimmerten im Umkreis der Wunde - aber da war gar keine Wunde mehr -
„Weg von ihm, Vogel.", ertönte plötzlich Riddle's Stimme. „Weg von ihm - ich sagte, weg hier -"
Harry hob den Kopf.
Riddle deutete mit Harry's Zauberstab auf Fawkes; es gab einen Knall, laut wie ein Gewehrschuss und wieder flatterte Fawkes in einem Wirbel aus Gold und Scharlach davon.
„Phönixtränen...", sagte Riddle leise und starrte auf Harry's Arm. „Natürlich... heilende Kräfte... ganz vergessen."
Er sah Harry ins Gesicht.
„Macht nichts. In Wahrheit mag ich es lieber auf die Weise. Nur du und ich, Harry Potter... du und ich..."
Er hob den Zauberstab -
Doch da, heftig mit den Flügeln schlagend, kam Fawkes wieder herbeigeschwebt und ließ etwas in seinen Schoß fallen - das Tagebuch.
Den Bruchteil eine Sekunde lang starrten Harry und Riddle mit immer noch erhobenem Zauberstab auf das Tagebuch.
Dann, ohne nachzudenken, ohne zu zögern, als habe er es schon immer vorgehabt, hob Harry den Basiliskzahn vom Boden und stach ihn mitten ins Herz des Buches.
Ein langer, fürchterlicher, durchdringender Schrei ertönte.
Tinte quoll in Sturzbächen aus dem Buch, strömte über Harry's Hände und überflutete den Boden.
Riddle wand und krümmte sich, schreiend und mit den Armen rudern, und dann -
Er war verschwunden.
Harry's Zauberstab fiel klappernd zu Boden und es herrschte Stille.
Stille mit Ausnahme des stetigen tropf, tropf der Tinte, die immer noch aus dem Tagebuch heraussickerte.
Der Giftzahn des Basilisken hatte ein knisterndes Loch mitten hindurch gebrannt.
Am ganzen Leib zitternd richtete Harry sich, mit der Hilfe von Luna, auf.
Ihm drehte sich alles, als ob er gerade meilenweit mit Flohpulver gereist wäre.
Schwerfällig sammelte er den Zauberstab und den sprechenden Hut auf und dann, mit einem gewaltigem Ruck, zog er das schimmernde Schwert aus dem Maul des Basilisken.
Da hörte er ein schwaches Stöhnen vom Ende der Kammer und Luna eilte sofort los.
Ginny regte sich.
Bis Harry bei ihr und Luna war, hatte sie sich schon aufgesetzt.
Ihr verwirrter Blick wanderte von der riesigen Gestalt des toten Basilisken zu Harry in seinem blutgetränktem Umhang und zum Tagebuch in seiner Hand.
Sie stöhnte laut auf und erschauderte und Tränen flossen ihr übers Gesicht.
„Harry, ach, Harry - ich wollte es dir beim F... Frühstück sagen, aber ich k... konnte es nicht vor Percy - ich war's, Harry - aber ich - ich sch... schwöre, ich wollte es nicht - R... Riddle hat mich dazu gebracht, er h... hat mich geholt - und - wie hast du dieses - dieses Ding da - getötet? Wo ist Riddle? Das letzte, an das ich mich erinnere, ist, dass er aus seinem Tagebuch kam -"
Luna nahm Ginny tröstend in den Arm.
„Es ist alles gut.", sagte Harry, hielt das Buch empor und zeigte Ginny das Loch, das der Giftzahn hinterlassen hatte.
„Riddle ist erledigt. Schau! Er und der Basilisk. Kommt, Ginny, Luna, verschwinden wir von hier -"
„Sie werden mich von der Schule schmeißen.", weinte Ginny, als Luna ihr auf die Beine half. „Ich hab mich so gefreut, nach Hogwarts zu kommen, schon seit B...Bill hinging und j...jetzt muss ich wieder fort und - w... was werden Mum und Dad sagen?"
„Ganz ruhig, du fliegst nicht von der Schule.", tröstete Luna Ginny.
Fawkes wartete auf sie, über dem Eingang der Kammer schwebend.
Harry drängte Ginny und Luna, schnell zu gehen; sie stapften über den reglosen Schwanz des toten Basilisken, durch die von Echos erfüllte Düsternis und zurück in den Tunnel.
Harry hörte, wie die Steintore hinter ihnen mit einem leisen Zischen zuschlugen.
Nachdem sie ein paar Minuten durch die Finsternis gegangen waren, hörte Harry von fern ein Geräusch.
Es waren Steine, die über den Boden geschleift wurden.
„Ron!", schrie Harry und ging schneller. „Ginny geht es gut! Wir haben sie!"
Er hörte den gedämpften Freudenschrei Ron's und als sie um die nächste Biegung kamen, sahen sie sein begeistertes Gesicht durch den erstaunlich breiten Spalt lugen, den er zwischen den Felsbrocken geschaffen hatte.
Ginny!"
Ron versagte die Stimme, als er einen Arm durch die Lücke steckte, um sie zuerst hindurchzuziehen.
„Du lebst! Ich kann's nicht fassen! Was ist passiert?"
Er versuchte sie in den Arm zu nehmen, doch Ginny sträubte sich schluchzend.
„Aber du bist gesund, Ginny.", sagte Ron und strahlte sie an. „Es ist vorbei, es ist - wo kommt eigentlich dieser Vogel her?"
Fawkes war nach Ginny durch den Spalt geflattert.
„Er gehört Dumbledore.", sagte Harry und quetschte sich nun ebenfalls hindurch und als letztes Luna.
Luna nahm dann erst Harry in den Arm und danach Ron und auch nochmal Ginny.
„Und wie kommst du zu dem Schwert?", sagte Ron und starrte mit offenem Mund die schimmernde Waffe in Harry's Hand an.
„Das erklär ich dir, wenn wir hier raus sind.", sagte Harry mit einem Seitenblick auf Ginny.
„Aber -"
„Später.", sagte Harry rasch.
Er hielt es für keine gute Idee, Ron jetzt schon zu sagen, wer die Kammer des Schreckens geöffnet hatte, nicht vor Ginny jedenfalls.
„Wo steckt Lockhart?"
„Dahinten.", sagte Ron grinsend und nickte mit dem Kopf zum Rohr an anderen Ende des Tunnels. „Geht ihm ziemlich dreckig. Kommt mit."
Von Fawkes geführt, dessen scharlachrote Flügel einen sanften goldenen Schimmer in der Dunkelheit verbreitete, gingen sie den ganzen Weg zurück zur Mündung des Rohrs.
Dort saß, friedlich vor sich hin summend, Gilderoy Lockhart.
„Er hat sein Gedächtnis verloren.", sagte Ron. „Der Vergessenszauber ist nach hinten losgegangen. Hat ihn selbst erwischt. Er hat keine Ahnung, wer er ist, wo er ist und wer wir sind. Ich hab ihm gesagt, er soll hier warten, sonst bringt er sich noch selbst in Gefahr."
Lockhart schaute gut gelaunt zu ihnen hoch.
„Hallo.", sagte er. „Komischer Ort ist das. Lebt ihr hier?"
„Nein.", sagte Luna und sah Ron und Harry stirnrunzelnd an.
Harry beugte sich hinunter und schaute in die lange dunkle Röhre.
„Habt ihr eine Idee, wie wir hier wieder hochkommen?", fragte Harry Ron und Luna.
Ron schüttelte den Kopf, Luna auch, doch der Phönix war an Harry vorbeigerauscht und flatterte nun vor seinem Gesicht.
Seine Perlenaugen leuchteten hell in der Dunkelheit.
Er wedelte mit seinem langen goldenen Federschweif.
Harry sah ihn unsicher ab.
„Sieht aus, als wollte er, dass du dich festhältst...", sagte Ron verdutzt. „Aber du bist viel zu schwer, als dass ein Vogel dich da hochziehen könnte."
„Fawkes", sagte Harry, „ist kein gewöhnlicher Vogel."
Er wandte sich rasch zu den andern um.
„Wir müssen uns aneinander festhalten. Ginny, du nimmst Ron's Hand. Professor Lockhart -"
„Er meint Sie.", sagte Ron in scharfem Ton zu Lockhart.
„Sie halten Ginny's andere Hand. Ich nehme Luna an meine Hand."
Harry steckte das Schwert und den sprechenden Hut in den Gürtel, Ron hielt sich hinten an Luna's Umhang fest, Harry nahm Luna's Hand und streckte die Hand aus und griff nach Fawkes' merkwürdig heißen Schwanzfedern.
Eine ungewöhnliche Leichtigkeit schien durch seinen ganzen Körper zu fluten und einen Augenblick später rauschten sie durch das Rohr nach oben.
Harry konnte Lockhart unter sich hin und her schwingen hören.
„Unglaublich! Unglaublich!", rief er. „Das ist ja wie Zauberei!"
Die kalte Luft peitschte durch Harry's Haar und bevor er den Spaß an der Fahrt verlor, war sie auch schon vorbei - alle fünf klatschten auf den nassen Boden im Klo der Maulenden Myrte und während Lockhart seinen Hut zurechtrückte, glitt das Waschbecken, dass das Rohr verbarg, wieder an seinen Platz.
Myrte machte Glubschaugen.
„Du lebst ja noch.", sagte sie mit tonloser Stimme zu Harry.
„Kein Grund, so enttäuscht zu sein.", sagte er grimmig und wischte die Blut- und Schleimspritzer von seiner Brille.
„Nun ja... ich hab nur ein wenig nachgedacht. Wenn du gestorben wärst, hättest du gerne meine Toilette mit mir teilen können.", sagte Myrte und lief silbern an.
„Uääh.", sagte Ron, als sie das Klo verließen, Luna schmunzelte und in dunklen, verlassenen Korridoren hinaustraten. „Harry! Ich glaub, Myrte hat sich in dich verknallt! Du hast eine Konkurrentin, Ginny!"
Doch immer noch kullerten Tränen über Ginny's stummes Gesicht.
„Wohin jetzt?", fragte Ron mit einem besorgten Blick auf Ginny.
Harry deutete nach vorn.
Fawkes, golden im dunklen Gang glühend, wies ihnen den Weg.
Sie gingen ihm nach und kurze Zeit später standen sie vor Professor McGonagall's Büro.
Luna klopfte und öffnete die Tür.

Luna Black 2 - Harry PotterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt