Kapitel 21 ✔️

552 21 0
                                    

L U N A

Wir saßen wieder in der Toilette von der Maulenden Myrte.
Wir saßen in einer verriegelten Kabine.
„Ich bin's.", hörte ich plötzlich eine Stimme, Harry betrat die Toilette und ich hörte eine Tür ins Schloss fallen.
Mine's spähte mit einem Augen durch das Schlüsselloch.
Harry!", sagte sie. „Hast du uns erschreckt! Komm rein - wie geht's deinem Arm?"
„Gut.", sagte Harry und zwängte sich zu uns in die Kabine.
Auf der Kloschüssel stand ein alter Kessel und darunter hatten wir ein prasselndes Feuer entfacht.
Tragbare, wasserdichte Feuer heraufzubeschwören, war eine Spezialität von Mine und mir.
„Wir wären dich ja besuchen gekommen, aber dann haben wir beschlossen mit dem Vielsaft-Trank anzufangen.", erklärte ich, während Harry mühsam die Tür hinter sich verriegelte. „Wir haben uns überlegt, dass wir ihn am besten hier verstecken."
Harry begann von Colin zu erzählen, doch Mine unterbrach ihn: „Das wissen wir schon, wir haben gehört, wir Professor McGonagall es heute Professor Flitwick gesagt hat.
Darum haben wir beschlossen, gleich loszulegen -"
„Je schneller wir ein Geständnis aus Malfoy rausholen, desto besser.", knurrte Ron. „Wisst ihr, was ich glaube? Er war nach dem Quidditch-Match ganz miserabler Laune und hat sie an Colin ausgelassen."
„Da ist noch etwas.", sagte Harry und beobachtete Mine, wie sie büschelweise Knöterich zerrupfte und in das Gebräu warf. „Mitten in der Nacht hat Dobby mich besucht."
Ron, Mine und ich hoben verblüfft die Köpfe.
Harry erzählte uns, was Dobby ihm gesagt - oder vielmehr nicht gesagt hatte.
Ron, Mine und ich lauschten mit offnen Mündern.
„Die Kammer des Schreckens wurde schon einmal geöffnet.", fragte Mine.
„Damit ist die Sache klar.", meinte Ron triumphierend. „Lucius Malfoy muss die Kammer geöffnet haben, als er hier in der Schule war und jetzt hat er dem lieben alten Draco verraten, wie es geht. Glasklar. Hätte dir Dobby doch bloß gesagt, was für ein Monster dadrin ist. Ich möchte wissen, wie es kommt, dass noch niemand gesehen hat, wie es in der Schule herumschleicht."
„Vielleicht kann es sich unsichtbar machen.", sagte ich, als ich gerade Blutegel auf dem Kesselboden zerstampfte. „Oder vielleicht kann es sich verkleiden und so tun, als wäre es eine Rüstung oder so was: Ich hab gelesen, dass es Chamäleon-Ghule gibt -"
„Du hast zu viel gelesen, Luna.", meinte Ron und schüttete den Blutegeln tote Florfliegen hinterher.
Er knüllte die leere Florfliegentüte zusammen und wandte sich zu Harry um.
„Also hat Dobby uns den Zug verpassen lassen und deinen Arm gebrochen..."
Er schüttelte den Kopf.
„Weißt du was, Harry? Wenn er nicht aufhört, dein Leben retten zu wollen, bringt er dich sicher noch um."
Die Nachricht, dass Colin Creevey angegriffen worden war und jetzt wie tot im Krankenflügel lag, hatte sich bis Montagmorgen in der ganzen Schule herumgesprochen.
Plötzlich schwirrte die Luft von Gerüchten und Verdächtigungen.
Die Erstklässler gingen jetzt nur noch in Grüppchen durch das Schloss, als ob sie Angst hätten, angegriffen zu werden, wenn sie sich allein auf den Weg machten.
Ginny, die in Zauberkunst neben Colin Creevey gesessen hatte, war ganz verstört, doch ich hatte den Eindruck, dass Fred und George das falsche Rezept einsetzten, um sie aufzumuntern.
Abwechselnd ließen sie sich Pelze oder Furunkel wachsen und lauerten ihr hinter Statuen auf, um ihr dann mitten in den Weg zu springen.
Sie hörten erst damit auf, als Percy vor Wut platzte und ihnen drohte, er werde an Molly schreiben und ihr sagen, dass Ginny Alpträume durchlitte.
Unterdessen kam es hinter dem Rücken der Lehrer zu einem blühenden Handel mit Talismanen, Amuletten und anderen schützenden Utensilien.
Neville kaufte eine große über riechende Zwiebel und den verwesenden Schwanz eines Wassermolchs, bevor die anderen Gryffindor-Jungen ihn darüber aufklärten, dass er nicht in Gefahr sei; er war ein Reinblüter und würde deshalb wohl nicht angegriffen werden.
„Sie haben sich Filch als Ersten vorgenommen", sagte Neville, das runde Gesicht voller Angst, „und jeder weiß, dass ich beinahe ein Squib bin."

In der zweiten Dezemberwoche kam wie üblich Professor McGonagall zu uns hoch und notierte sich die Namen der Schüler, die über Weihnachten in Hogwarts bleiben wollten.
Harry, Ron, Mine und ich trugen uns in die Liste ein; wir hatten gehört, dass auch Draco dableiben würde und das kam uns sehr verdächtig vor.
Na ja, mehr verdächtig für Mine, Harry und Ron. Ich glaube es ja immer noch nicht.
Die Ferien würden die beste Zeit sein, um den Vielsaft-Trank einzusetzen und zu versuchen, ein Geständnis aus ihm herauszukitzeln.
Leider war das Gebräu erst halb fertig.
Wir bräuchten noch das Zweihorn-Horn und die Baumschlangenhaut und die könnten wir uns nur aus Snape's privaten Vorräten beschaffen.
„Was wir brauchen", sagte Mine entschieden, als die donnerstägliche Doppelstunde Zaubertränke näher rückte, „ist ein Ablenkungsmanöver. Dann kann einer von uns in Snape's Büro schleichen und dort holen, was wir brauchen."
Harry und Ron sahen sich nervös an.
„Ich glaube, ich mach das besser selbst mit dem klauen.", fuhr Mine im sachlichen Ton fort.
Ich schmunzelte.
„Ihr beide werdet rausgeworfen, wenn ihr nochmal was anstellt und ich habe noch keinen Eintrag. Also müsst ihr nur genug Durcheinander stiften, um Snape etwa fünf Minuten lang in Atem zu halten."
Harry lächelte matt.
Einen Aufruhr in Snape's Klasse zu veranstalten war etwas so ungefährlich wie einem schlafenden Drachen ins Augen zu stechen.
Der Zaubertrankunterricht fand in einem der großen Kerker statt.
Am Donnerstagnachmittag ging es wie üblich zu.
Zwanzig Kessel brodelten zwischen den Holztischen, auf denen Messingwaagen und Töpfe mit Zutaten standen.
Snape durchstreifte die Dampfwolken und machte abfällige Bemerkungen über die Arbeit unseres Hauses, während die Slytherins genüsslich kicherten.
Bei mir fiel ihm nie eine Bemerkung ein und von ihm hatte ich auch noch keine Punkte abgezogen bekommen.
Draco, Snape's Lieblingsschüler, schnippte dauernd Pufferfischaugen gegen Ron und Harry, die wussten, wenn sie sich rächen würden, bekämen sie schneller Strafarbeiten aufgehalst, als sie „ungerecht" sagen konnten.
Ich sah Draco kurz an, er lächelte entschuldigend und ließ es.
Als Snape weiterging, um Neville zu hänseln, sah Mine zu Harry und nickte.
Harry duckte sich rasch hinter seinen Kessel, zog einen von Fred's Filibuster-Feuerwerkskracher aus der Tasche und tippte mit dem Zauberstab dagegen.
Der Kracher fing an zu zischen und zu knattern.
Harry, der wusste, dass er nur ein paar Sekunden Zeit hatte, zielte und warf ihn durch die Luft; er landete genau im Ziel, nämlich in Goyle's Kessel.
Goyle's Schwellgebräu explodierte und regnete über der ganzen Klasse herab.
Schüler, die einen Tropfen abbekommen hatten, schrien laut auf.
Draco hatte einen Spritzer mitten ins Gesicht bekommen und seine Nase begann sich zu blähen wie ein Luftballon.
Goyle tapste umher, die Hände über den Augen, die zur Größe von Tellern aufgequollen waren.
Snape mühte sich nach Kräften, Ruhe in die Klasse zu bringen und herauszufinden, was geschehen war.
Im Durcheinander sah ich, wie Mine sich in Snape's Büro stahl.
„Ruhe! RUHE!", dröhnte Snape. „Alle, die einen Spritzer abbekommen haben, hier herüber zum Abschwelltrank - wenn ich rauskriege, wer das war -"
Harry versuchte sich anscheinend das Lachen zu verkneifen, als er sah, wie Draco nach vorn rannte, den Kopf vom Gesicht einer melonengroßen Nase zu Boden gezogen.
Ich gab Harry einen Rippenstoß und sah ihn böse an.
Die halbe Klasse schlurfte vor zu Snape's Tisch.
Einige hatten Arme wie unförmige Holzprügel, andere brachten durch ihre gigantisch aufgequollenen Lippen kein Wort mehr heraus.
Unterdessen sah ich, wie Mine mit aufgebauschten Umhang wieder in den Kerker glitt.
Als alle einen Schluck des Gegenmittels genommen hatten und die verschiedenen Schwellungen abgeklungen waren, fegte Snape hinüber zu Goyle's Kessel und schöpfte die verhedderten schwarzen Überreste des Feuerwerkskörpers heraus.
Die Klasse verstummte.
„Wenn ich je rauskriege, wer das getan hat.", zischte Snape. „Dem garantiere ich, dass er rausfliegen wird."
Harry bemühte sich anscheinend, seinem Gesicht den Ausdruck von Verwirrung zu geben.
Snape's Blick fiel auf ihn und die Glocke, die zehn Minuten später läutete, war eine Erlösung.
„Er weiß, dass ich es war.", sagte Harry zu Ron, Mine und mir, nachdem wir wieder ins Klo der Maulenden Myrte gerannt waren. „Das hab ich deutlich gespürt."
Mine warf die neuen Zutaten in den Kessel und begann fieberhaft umzurühren.
„In zwei Wochen ist der Trank fertig.", sagte sie glücklich.
„Snape kann nicht beweisen, dass du es warst.", sagte ich aufmunternd.
„Was kann er denn machen?", fragte Ron.
„Wie ich Snape kenne, etwas ganz Fieses.", meinte Harry unter dem Schäumen und Blubbern des Zaubertranks.

Luna Black 2 - Harry PotterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt