2 - The Red Picture

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Wir waren fünf Freunde. Rosie, Drew, Bobby, Kent und ich. Bobby war Rosies älterer Bruder eine männliche Ausgabe von ihr.

Wir waren schon immer Freunde gewesen. An unseren Kühlschränken Zuhause hing überall das gleiche Foto. Es zeigte uns Fünf, vor etwa 16 Jahren. Wir alle standen mit unseren Windelpaketen auf einer Wiese unter dem Apfelbaum, der noch immer auf Kents Grundstück stand. Die Haare von Bobby und Rosie waren damals schon feuerrot, genau wie die riesige Schleife, die mir meine Mutter damals in meine paar blonden Flusen auf den gesteckt hatte. Kent und Drew schrien sich die Kehle aus dem Hals, weshalb ihre Köpfe ebenfalls rot waren. Wir nannten es deshalb The Red Picture. Es war das erste Foto, das uns alle gemeinsam zeigte. Wir haben damals alle in derselben Straße gewohnt und unsere Eltern waren beste Freunde. Als sich unsere Eltern zerstritten, blieben wir fünf trotzdem Freunde. Mittlerweile wohnt nur noch Kent in der Lake Street, doch wir Fünf hatten uns gesucht und gefunden. Daran änderte auch nicht, dass wir über die Stadt verteilt wohnten. Wir waren Freunde fürs Leben.

Als die Jungs in den Flur traten und uns der Geruch von Pizza in die Nase stieg, reagierten Rosie und ich wie ausgehungerte Löwen, die endlich eine geschwächte Antilope gefunden hatten. Sofort sprangen wir auf. Wir waren am verhungern. Unsere Mägen battelten sich schon viel zu lange und daran hatte auch die paar Erdnüsse nichts geändert, die wir im Flugzeug bekommen hatten.

„Wir haben Pizza mitgebracht", ließ Kent uns wissen und hob sie wie eine Trophäe in die Luft.

Meine Arme schnellten nach vorne und entrissen ihm den Pizzakarton. Ich öffnete ihn und fand eine Salamipizza vor. Angewidert verzog ich das Gesicht und gab den Karton zurück. Ich würde mit Sicherheit keine tote Kuh essen. Also nicht, dass ich eine lebendige essen würde.

„Das ist jetzt nicht euer Ernst!", sprach mein Hunger aus mir heraus.

„Du kannst die Salami doch einfach mir geben", sagte Bobby und schmiss seinen Mantel auf das Sofa.

„Ich will die nicht essen, wenn da Fleisch drauf gelegen hat", protestierte ich. „Ihr wisst, dass ich kein Fleisch esse."

„Jaja, die arme Kuh, der brutal die Kehle durchgeschnitten wurde und die wahrscheinlich ein verwaistes Kälbchen hinterlässt", machte sich Kent lustig. Ich griff nach ein paar Topflappen, die ich auf der Küchenanrichte fand und schmiss sie ihm zielgerichtet ins Gesicht.

„Halt die Klappe!", mahnte ich ihn.

Nun trat Drew hervor. Er war der Größte von allen. In seinen schwarzen Haaren hingen noch ein paar Schneeflocken, die langsam begonnen zu schmelzen. Vielleicht weil es hier drin mollig warm war, vielleicht aber auch weil Drew ein wirklich heißer Feger war, wie meine Grandma es formulieren würde. Dunkle Knopfaugen, braune Haut und männliche Gesichtszüge. Er sah aus wie ein Latino. Tatsächlich hatte er seine Wurzeln aber in Georgien.

„Entspann dich! Du bist nicht du, wenn du hungrig bist", scherzte er. „Wir haben dir eine mit Spinat und extra Käse mitgebracht. Lactosefrei natürlich. Für unser kleines Sensibelchen." Er drückte mir einen zweiten, kleineren Karton in die Hand, auf dem Sunny stand.

Ja, mein Name war Sunny und das war nicht nur ein Spitzname, sondern der Name, der auch in meinem Ausweis stand. Sunny Anderson. Ich konnte mit all den Promikindern, die nach Obst und Himmelsrichtungen benannt wurden mitfühlen. Bis heute hatten meine Eltern mir keine vernünftige Erklärung für diesen Namen liefern können. Es war einfach ein sonniger Tag gewesen, als ich das Licht der Welt erblickt. Da konnte ich ja noch von Glück sprechen, dass ich nicht Flash, Rainy oder Stormy hieß.

 „Danke", sagte ich und verzog mich mit meiner vegetarischen Pizza an den Esstisch.

Die anderen Vier folgten mir. Man hatte vom Esszimmer eine atemberaubende Sicht auf den verschneiten Central Park. Natürlich hätte sich keiner von uns so ein Luxusappartement leisten können, doch Kents Familie war reich. Die Sorte reicher Menschen, die mit silbernem Besteck von goldenen Tellern aß und dazu aus Bronzegefäßen ihren Wein tranken. Auch seine Tante  die dieses Appartement in New York besaß, war eine von diesen reichen Leuten, die nicht ihr Kleingeld durchzählten bevor sie zu Starbucks gingen. Sie hatte keine Kinder und nur Kent als Neffe, was sein Glück war. Da sie selbst in London ins neue Jahr rutschen würde, hatte sie Kent angeboten mit seinen besten Freunden hier über die Weihnachtsferien herzukommen. Weder Rosie, noch Drew, noch Bobby und schon gar nicht ich hatten auch nur einen Moment gezögert, als Kent uns gefragt hatte. Silvester in New York. Ich selbst war zwar kein Silvester-Fan, aber wenn ich es schon feiern musste, dann in der Stadt, die niemals schlief.

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