12 - Die richtige Frage

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Rosie dürfte am nächsten Tag das Krankenhaus verlassen. Es war Silvester. Eigentlich hatten wir vorgehabt auf den Times Square zu gehen und zusammen mit gut einer Million anderer ins neue Jahr zu feiern, doch das hatte sich jetzt erst einmal erledigt. Keinem von uns war zum Feiern zu Mute und Rosie musste sich eh schonen.

Parker war noch immer nicht vernehmungsfähig. Er lag mit schweren Verletzungen im Krankenhaus, weshalb die Polizei ihn nicht mit auf die Wache nehmen konnte. Man hatte uns erzählt, dass sein Kiefer so sehr geschwollen sei, sodass er nicht einmal sprechen konnte. Geschah ihm Recht.

In Rosies Gegenwart sprachen wir nicht ein Wort mehr über diese Nacht. Stattdessen saßen wir den ganzen Tag vor dem Fernseher und sahen uns gemeinsam Sitcoms an. Rosie hatte strikte Bettruhe. Wir gaben wirklich unser Bestes, um sie aufzuheitern. Bobby kochte ihr Lieblingsessen. Irgend so eine irische Spezialität, die sie immer bei ihrer Großmutter in Newbridge gegessen hatte. Selbst wenn ich keine Vegetarierin wäre, hätte ich das nicht angerührt. Dort war tatsächlich Schweinemagen drin. Alle bei dem Gedanken drehte sich bei  mir im Körper alles um. Doch Rosie schmeckte es und das war die Hauptsache. Ich versorgte sie dazu mit heißem Kakao und Marshmallows. Wir konnten ihr zwar weder den Schmerz, noch die Erinnerungen nehmen, aber wir versuchten zumindest das Hier und Jetzt für sie erträglicher zu machen.

Rosie versuchte stark zu sein. Sie lachte, wenn es der Moment in der Serie erforderte. Sie regte sich auf, wenn jemand etwas Dummes tat und klatschte in die Hände, wenn ein Paar endlich zu einander fand. Ich nahm ihr das nicht ab. Sie tat so, als wäre nichts gewesen. Wahrscheinlich war das im Augenblick besser für sie, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie das auf Dauer durchziehen konnte. Sie würde Hilfe brauchen. Einen Psychologen vielleicht. Doch die ganze Angelegenheit war noch zu frisch, um es anzusprechen. Heute Morgen wollte ich Bobbys und Rosie Vater anrufen und ihn über die Ereignisse informieren, doch Bobby hatte das abgelehnt. Ich war mir nicht sicher warum, aber ich akzeptierte es.

„Ihr könnt trotzdem auf dem Times Square gehen! Ihr müsst nicht wegen mir hier im Appartement bleiben", sagte Rosie und zog die Decke etwas höher. Mir war aufgefallen, dass sie nicht wie sonst etwas tief Ausgeschnittenes trug.  Sie trug einen Rollkragenpullover, was Rosie sonst nur im Skiurlaub tat.

„So ein Quatsch. Wir lassen dich doch nicht hier alleine! Wir bleiben bei dir", reagierte Kent sofort.

„Müsst ihr wirklich nicht. Wer weiß, wann wir je wieder zu Silvester nach New York kommen."

„Ist uns egal", sagte ich entschieden. „Ein Silvester ohne dich, wäre kein richtiges Silvester. Wir haben immer zusammen gefeiert und daran wird sich auch dieses Jahr nichts ändern."

„Ich darf wegen den Medikamenten nicht einmal Alkohol trinken. Das wird die langweiligste Party ever!"

Sie verzog das Gesicht.

„Rosie", sagte Bobby nun ernst und setzte sich direkt neben sie. „Das ist uns doch egal, ob die langweilig wird oder nicht. Hauptsache wir fünf sind zusammen." Er legte einen Arm um sie und küsste sie auf die Wange. Rosie lehnte sich an seine Schulter. Ihre Augen sahen einfach nur tottraurig aus.

„Was haltet ihr von Kindersekt?", fragte ich nun in die Runde.

„Haben wir denn welche da?", fragte Kent.

„Nein, aber der Supermarkt ist nicht mal einen Block entfernt. Ich brauch eh ein bisschen frische Luft."

„Hört sich gut an. Irgendetwas brauchen wir schließlich zum Anstoßen", stimmte Rosie zu.

Für mich war es das Zeichen meinen Mantel zu holen.

„Ich komm mit", sagte Drew entschlossen und sprang ebenfalls von der Couch auf.

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