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Ayana war schmunzelnd wieder verschwunden, also stand ich Yoongi sprachlos gegenüber und versuchte zu verarbeiten, was ich gehört hatte. Sein Vater hatte ihm sowas eingeredet? Deswegen all sein Hass gegenüber mir?
"Was hat sie dir erzählt?", fragte der Blonde sofort schockiert. Wieso wollte er nicht, dass ich es erfuhr? Vielleicht, weil ich ihn dann noch eher verstehen konnte und er wegen seinem Vater niemals so eine Beziehung eingehen durfte.

"Hör auf, so viel nachzudenken! Erzähl schon!"
Was ich jetzt tat, musste verdammt dumm sein. Ich trat ein paar Schritte auf ihn zu und legte vorsichtig meine Arme um ihn. Ich umarmte ihn, obwohl er mich so oft verletzt hatte.
"N-nein, Jimin..", flüsterte er und alles in mir zog sich zusammen, als ich seine verletzliche Stimme hörte. All dieser Schmerz, den er mir zugefügt hatte, ging von der Person aus, die sich sein Vater nannte.. Natürlich konnte man nicht leugnen, dass Yoongi selber genug schlechtes getan hatte, doch ich war bereit, ihm irgendwann zu verzeihen.

"Ich habe dir noch lange nicht verziehen.", stellte ich klar und Iehnte mich zurück.
"Aber ich will deine Gründe verstehen und habe das Recht darauf, dass du mir alles erklärst. Denn dein komisches Verhalten erschließt sich mir trotzdem kaum."
Er nickte und ich meinte, kurz Tränen in seinen Augen zu sehen, doch mit einem Blinzeln seinerseits waren sie verschwunden.

"Lass uns in die Leseecke gehen. Da ist eh nie jemand.", schlug er vor, also folgte ich ihm dorthin und setzte mich in einen der weichen, bunten Sitzsäcke. Er ließ sich gegenüber von mir wieder und ich beobachtete, wie sich seine Brust langsam hob und senkte, während er tief einatmete. Ich war nervös, aber auch neugierig und hatte endlich das Gefühl, dass sich sein Verhalten in den letzten Wochen langsam aufklären würde.

"Nichts entschuldigt, was für ein Arschloch ich gegenüber dir war. Dass du überhaupt noch mit mir redest, ist schon sehr selbstlos von dir. Jimin... Es tut mir leid."
Er sah mir in die Augen und ich kaute wie verrückt auf meiner Unterlippe herum. Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, aber irgendwie erleichtertete es mich ungemein, dass er sich endlich entschuldigte. Leider war ich innerlich mehr als bereit, ihm wieder alles zu verzeihen, aber das durfte ich nicht so einfach preisgeben.

"Es ist wahr, was Ayana dir gesagt hat. Zumindest kann ich mir ungefähr denken, was sie gesagt hat. Es ist eine jämmerliche Erklärung, aber ich hatte von klein auf große Angst davor, mich in einen Jungen zu verlieben. Ich wollte meine Familie nicht enttäuschen, wollte nicht von ihnen verstoßen werden. Und dann kamst du und zuerst hat mich deine Schwärmerei nur etwas genervt, aber als ich irgendwann sah, wie nett du sein konntest und wie du für andere aufgestanden bist.. Da habe ich Angst bekommen, dass ich dich auch irgendwann mag. Ich habe dich mit allen Mitteln von mir gestoßen, aber du kamst immer zurück."

Er machte eine kurze Pause, wären ich ihn bloß sprachlos ansah.
"Nach der Schule habe ich oft an dich gedacht. Mich gefragt, wie es in deinem Leben weitergeht. Ich bin gereist und habe Erfahrungen gemacht.. Ich denke, du weißt, welche ich meine."
Sofort wurden meine Wangen rot, aber ich nickte. Solche Erfahrungen hatte ich noch nicht gemacht, aber ich stellte es mir unglaublich aufregend vor, in anderen Ländern schwule Männer kennenzulernen. Yoongi musste eine tolle Zeit gehabt haben.

"Als ich nach Hause kam, habe ich mir vorgenommen, nie wieder darüber zu sprechen und weiter zu leben. Auch wenn ich mich selber gefunden hatte, wollte ich das mit allen Mitteln unterdrücken. Genau hier wollte ich damit anfangen, wie ein normaler, heterosexueller Typ zu leben, doch dann bist du aufgetaucht. Ich war außer mir und ich hatte solche Angst, mich jetzt endgültig zu dir hingezogen zu fühlen."

Zu mir hingezogen fühlen..? Das würde zumindest erklären, wieso er mich geküsst hatte, aber glauben konnte ich das einfach nicht. Dafür hatte ich schon viel zu viel Hass von ihm erlebt. Allerdings hatte er mir auch erklärt, was es damit und mit all der Wut auf sich hatte..
"Deswegen solltest du all das eigentlich nie erfahren. Denn jetzt hast du Hoffnung. Und Jimin.. Würdest du mich nochmal wie an diesem Abend anschauen, würde ich dich genauso küssen und in mein verdammtes Zimmer mitnehmen.  Aber du musst mich verstehen und bitte in Ruhe lassen.. Ich denke du kannst nachvollziehen, dass meine Familie über sämtlicher Anziehung für mich steht."

Mein Mund stand offen und ich sah in die katzenartigen Augen, die plötzlich ganz fremd aussahen. So, als ob ich vorher keine Ahnung gehabt hatte, was hinter ihnen vor sich ging. Jetzt kamen so viele Emotionen auf einmal auf,  dass ich überwältigt nach Luft schnappte. Yoongi hasste mich nicht.. Er hatte Angst, mich zu mögen. Deswegen hatte er mich mir allen Mitteln von sich gestoßen, damit ich irgendwann so verletzt war, dass ich ihn selber nicht mehr leiden konnte. Nur leider hatte das nie ganz funktioniert.

"Wie.. wie habe ich dich denn an dem Abend angeguckt?", war das einzige und wohl das dümmste, was ich herausbrachte. Es klang so, als ob ich das gleich wieder tun wollte. Aber das stimmte nicht. Ich wollte einfach nur verstehen, wieso er mich geküsst hatte.
"Du weißt genau, wie du mich angeguckt hast.", erwiderte er und blieb trotz der blöden Frage ernst. Und tatsächlich wusste ich das. Ich hatte auf seine Lippen geschaut, mir auf meine gebissen und.. Über sie geleckt. Oh man, was war an dem Abend bloß in mich gefahren? Wohl sehr viel Alkohol.

"U-und du willst, dass ich dich in Ruhe lasse?", fragte ich nochmal nach und spürte einen Stich in meinem Herzen, als er nickte.
"Mach es nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist.", bat er mich und lehnte sich so mit breiten Beinen auf dem Sitzsack zurück, dass ich am liebsten den Blick vom Abend benutzen wollte.

Still falling for you || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt