20|| Die Vorhersehung

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P.O.V. Thalia:

Nachdem ich in Helheim war fühlte ich mich um Tonnen leichter. Das Laufen und Atmen - allein das Existieren - fühlte sich einfacher an, es war als hätte jemand eine Last von meinen Schultern genommen. Das schien auch Mey aufgefallen zu sein. Während wir in dem Bus saßen (natürlich ohne gültiges Fahrticket) schaute sie zu mir rüber und hob eine Augenbraue.
,,Du scheinst irgendwie zu glänzen. Genauer kann ich es nicht beschreiben."
Ich blickte zu ihr und lächelte. Und zum ersten Mal in langer Zeit war es ein ehrliches Lächeln. Der Abschied von Gwen hätte mich eigentlich emotional mitnehmen sollen, aber irgendwie fühlte ich mich frei. Alles was mich bedrückte war weg. Die Schuld, die auf mir lastete und der Wunsch nach einem letzten Gespräch mit ihr waren weg. Die Reise nach Helheim war wie eine gute Therapie.
,,Danke.", war alles was ich sagte, dann drehte ich mich wieder von ihr weg.
So viele Menschen sehnen sich nach ein paar letzten Worten mit ihren Geliebten. So viele wollen sie ein letztes Mal wieder sehen. Mey hat mir diesen Wunsch gewährt und machte mich zu einer der wenigen, die Frieden finden und einen Schlussstrich ziehen konnten. Dafür war ich unglaublich dankbar.
Trotz des guten Gefühls, das ich verspürte fühlte ich immernoch etwas, das tief verborgen war. Es war wie ein Knoten, der sehr lange brauchen würde um ihn zu lösen. Meinen Frieden hatte ich gefunden, aber verheilt war ich noch nicht, das war klar.
In den wenigen Jahren, in welchen ich Psychologie studiert hatte habe ich gelernt, dass man Gefühle zulassen muss um heilen zu können. So unangenehm das auch erscheinen mag, das war der einzige Weg um wieder ein normales Leben führen zu können.
Ganz hatte ich es damals in der Uni nicht verstanden, aber jetzt tat ich es. Seit Gwens Tod hatte ich kein einziges Mal geweint. Jedes Mal wurden die Gefühle ganz weit nach unten gedrängt, bis ich schlussendlich nichts mehr spürte und depressiv wurde.
So paradox das auch klingen mochte, ich musste trauern um wieder glücklich sein zu können.
Für diese Erkenntnis war ich ebenfalls dankbar. Mey schien mir anfangs wie ein Monster zu wirken, aber meiner Beobachtung nach war sie nur eine gute Seele der Schlechtes widerfahren war.
Mey war gut, dass wusste ich jetzt. Zwar war sie sadistisch, provokant und manisch, aber in ihr steckte ein weicher Kern, der von einer Schale aus Vibranium umgeben war. Das Gute in ihr hatte sich nur verirrt und ich war mir sicher, dass es bald wieder seinen Weg nachhause finden würde.
Ich merkte wie eine Träne meine Wange runterrollte und lächelte ironischer weise breiter. Nachdem das hier alles vorbei war würde ich mich zurückziehen und die Zeit nutzen um mich selbst wieder zu finden.
Mey schien im Moment nicht darüber reden zu wollen, was bei ihr in Helheim passiert ist, also fragte ich auch nicht weiter nach.

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Ich wusste, dass wir im Moment auf dem Weg zu Steve und Bucky waren, die aus irgendeinem Grund nach Sibirien oder so gereist sind. Mey sagte, dass wir ihnen aus irgendeinem Grund folgen sollten, und da ich eh nichts besseres zu tun hatte hörte ich auf sie.
Wir waren in einer Art Bunker und laut Mey war es arschkalt. Was wusste ich schon, ich war zur Hälfte Eisriese.
Wir liefen irgendeine Treppe hoch, als ich mir über die Lage bewusste wurde und abrupt stehen blieb.
Mey drehte sich verwirrt um. ,,Wurdest du grad von hinten erstochen oder wieso stehst du so da?"
Alles was mir Kilian, Gwens kleiner Bruder, erzählt hatte machte nun Sinn.
,,Captain America und Iron Man kämpfen zusammen. Zwei Mädchen sind dabei. Eine davon im Illusion Outfit."
Ich schaute an mir runter. Ich trug das Illusion Outfit.
Meine Tante runzelte die Stirn. ,,Du hast aber eine tolle Beobachtungsgabe."
Kilian hatte recht. Nun war ich komplett verwirrt. Hatte er eine Gabe? Und wenn ja, hatte Gwen vielleicht auch eine gehabt?
,,Kommst du jetzt oder soll ich dich die Treppe runterschubsen?"
Mey zog mich aus meinen Gedanken und brachte mich dazu, mich in Bewegung zu setzen.
,,Danke aber ich laufe schon."
,,Was war denn los?", fragte Mey während wir einen Gang entlang liefen. ,,Hattest du eine Erleuchtung?"
,,Sowas in der Art.", seufzte ich.
Und dann begann das Chaos. Wir traten in einen Raum ein und sahen schon Tony, Steve und Bucky, die sich die Köpfe einschlugen. Ein wenig Sorgen machte ich mir schon, aber ich wusste nicht genau was ich tun solle. Also versuchte ich als erstes Mal die Lage zu beurteilen. Ich lief zu einer Art Computer, auf der eine Kameraaufnahme eines Unfalls zu sehen war. Na ja, nicht wirklich Unfall sondern eher eine Assassination.
Es war der Winter Soldier, der eine Frau und einen Mann in einem Auto tötete.
Den Mann erkannte ich sofort. Es war Howard Stark, also musste die Frau Maria Stark sein. Es dauerte nicht lange bis ich verstand was hier los war. Tony hatte erkannt, dass der Winter Soldier seine Eltern umgebracht hat und nun war er auf Rache aus. Ich spürte plötzlich ein kleines Stechen in meinem Kopf.
,,Der Emo hat die Eltern von Blechbüchse umgebracht?"
Mey stand hinter mir und schaute über meine Schulter.
,,Woher weißt du, dass die das sind?"
Mey grinste, das Stechen in meinem Kopf hörte auf. ,,Ich beherrsche da ein paar Tricks."
Ihr Blick fiel nach vorne und das Lächeln verschwand. ,,Und wer ist der Typ?"
Ich folgte ihrem Blick und sah einen Mann hinter einer Glasscheibe. Irgendwie erinnerte er mich an den Schauspieler aus dem Film "Das Cloverfield-Paradoxon".
Der Kerl grinste. ,,Mein Name ist Zemo. Es ist mir eine Freude."
,,Dein Name ist Zero?", fragte ich und betrachtete ihn genauer. ,,Siehst auch wie einer aus."
Er schien meinen Roast erst garnicht wahrzunehmen und verschwand. Das gab meinem langsamen Gehirn die Möglichkeit, sich daran zu erinnern, dass sich zwei Avengers gerade prügelten.
Nun schaltete sich mein Körper ein und ich rannte in die Richtung, in der die Jungs verschwunden waren.
Mey lachte auf und rannte mir hinter her. ,,Ich habe mich schon gefragt, wie lange dein Fliegenhirn braucht, bis es das realisiert."
Ich musste ein wenig klettern bis ich die anderen erreicht hatte, dann versuchte ich auch schon Tony von Bucky wegzuziehen.
,,Was zur-", Tony blickte nach hinten als ich seinen Arm festhielt, mit welchem er gerade ausholte. Sein Blick sprach Bände. Er fühlte sich nun auch von mir verraten.
,,Ich weiß wie du dich fühlst, Tony. Aber das war nicht Bucky, das war der Winter Soldier."
Ich konnte den Konflikt in seinen Augen erkennen, er schaute mich noch einmal an und schubste mich nach hinten. Da ich darauf nicht vorbereitet war fiel ich auf meinen Hintern und schaute ihn beleidigt an, während er Bucky eine Faust aufs Gesicht verpasste.
Mey ging neben mir in die Russenhocke. ,,Lass ihn noch ein wenig seine Frust abbauen, dann wird es leichter sein, ihn zu beruhigen."
,,Nein.", meinte ich entschlossen und stand wieder auf. ,,Er wird sich da nur reinsteigern je länger wir warten."
Steve und Bucky rannte zusammen auf Tony zu, der auf die beiden zielte. In letzter Sekunde erschuf ich eine Eiswand zwischen den beiden Parteien. Alle blieben verwirrt stehen und blickten zu mir.
Ich schaute zu Mey weil ich nicht genau wusste was ich sagen sollte. Sie grinste und zuckte mit den Schultern. Also musste ich improvisieren.
,,Ok, ihr geht jetzt alle in die Ecke!"
Es herrschte ein Schweigen, das sehr viel aussagte. All die Semester des Psychologie Studiums und das ich alles was ich hinbekam.
,,Für dich habe ich jetzt keine Zeit.", meinte Tony leise und schaute mich entschuldigend an.
Er hob seinen Arm in meine Richtung und schoss einen Repulsorstrahl in meinen Bauch. Die Luft wurde aus meinen Lungen gedrückt und mir wurde kurz schwarz vor Augen. Als ich wieder bei mir war lag ich auf ein paar zertrümmerten Kisten und sah Meys schadenfreudiges Gesicht kopfüber von der Decke hängen. Wieso hang sie von der Decke? Ein guter Moment verging, bis ich realisierte, dass ich es war, die kopfüber war. Und noch ein paar Momente vergingen, bis ich realisierte, dass mein gesamter Körper schmerzte. Dann brauchte ich noch einen letzten Moment um zu realisieren, dass Tony gerade auf mich geschossen hatte.
,,Das solltest du persönlich nehmen.", meinte Mey und reichte mir die Hand. Ich griff nach ihr und bemerkte, dass ich blau war. Hatte ich wohl unterbewusst gemacht um mich vor schweren Schäden zu schützen. Ich stöhnte auf als ich meinen Rücken durchstreckte.
,,Das tue ich auch. Du bist dran, ich geh die Null suchen."
Mey machte ihren Mund auf um etwas zu sagen.
,,Und damit bin nicht ich gemeint.", unterbrach ich sie.
Sie grinste, drehte sich um und lief auf die Jungs zu. Ich sah ihr noch dabei zu, wie sie Tony eine reinhaute und es sichtlich genoss, dann ging ich auch schon los. Es vergingen gute zehn Minuten, dann ging ich raus und fand schließlich Zemo zusammen mit T'Challa.
,,,Hey, Furry!", machte ich auf mich aufmerksam. Beide schauten zu mir rüber. Ich hatte plötzlich gar keine Lust mehr, mich um den Typen zu kümmern, also streckte ich beide Daumen nach oben. ,,Mach weiter so, bin stolz auf dich."
Dann drehte ich mich um und ging Mey suchen. Als ich sie nicht fand beschloss ich einfach meinen Sinn für Magie zu benutzen und der Spur der mächtigen Kraft zu folgen. Das musste sie sein.
Ich fand sie zusammen mit Bucky und Steve auf dem Weg zum Jet, den sie sehr wahrscheinlich gestohlen hatten. Wir redeten nicht wirklich, sondern stiegen einfach nur ein und schwiegen.
,,Geht es Tony gut?", fragte ich nach langer Zeit.
Steve schaute nach vorne zum Cockpit und nickte. Ich schaute zu Bucky, der sehr wahrscheinlich gerade in einer negativen Gedankenspirale festsaß. Dann blickte ich zu Mey. Sie war in Gedanken versunken und wirkte entspannt. Was sie wohl in Helheim erlebt hatte? Es war interessant zu sehen, wie eine Person, die eigentlich so stark schien im Moment so verwundbar aussah.
Ich lächelte leicht. Anscheinend hatte wirklich jeder eine weiche Seite, die einfach nur nach Liebe und Anerkennung sehnte. Bei manchen schien dieses Verlangen verloren gegangen zu sein, jedoch wusste ich in dem Moment, dass es sich einfach nur versteckte. Das passierte bei mir nicht oft, aber ich wünschte mir vom ganzen Herzen, dass auch Mey ihren Frieden finden würde.
Ich wünschte ihr alles gute auf der Welt.

~ManiacLaughter

My aunt - Das Leben geht abwärts!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt