Kapitel 2: Prophezeiung

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Pov. Shoto

"Und wenn ich mich weigere?", knurrte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust.

"Es ist Gesetz", betonte mein Vater noch einmal. "Du hast keine Wahl!"

Ich seufzte genervt und hörte Touya hinter mir kichern... Dass er sich daran erfreute war klar...

"Vielleicht ist es dann mal an der Zeit das Gesetz zu ändern", meinte ich entschieden.

Er hob eine Augenbraue. "Dafür müssten wir alle Götter einberufen und das ist das letzte Mal vor... 50.000 Jahren passiert..."

"Ich will aber nicht auf die Erde...", murrte ich wie ein kleines Kind.

"Alle 700 Jahre kehren wir auf die Erde zurück, um unter den Menschen zu leben... Das ist schon immer so gewesen! Und du wirst dich nicht davor drücken!", grollte mein Vater und sah mich eindringlich an.

Ich stöhnte gequält auf. "Die Menschen denken, ich wäre eine Frau!!! Das ist so erniedrigend!"

"Das kann dir doch egal sein!", behauptete mein Vater laut und ich merkte, dass er langsam die Geduld verlor. "Du wirst unter deinem echten Namen in der Menschenwelt leben!"

Ich verdrehte genervt die Augen.

Menschen... Menschen waren die schlimmsten Geschöpfe, die meine Eltern jemals erschaffen hatten... Sie waren alle schwach und dumm...

Und ein Jahr unter ihnen leben...?! Das war jedesmal die reinste Qual und ich war immer froh, wenn das Jahr vorbei war...

Ich konnte Jahre vor mich hin existieren ohne das ich es wirklich mitbekam... Aber EIN Jahr unter Menschen und die Zeit verging quälend langsam...

"Geh nun! Und mach dich bereit!", forderte er ungeduldig und wedelte unwirsch mit seiner Hand in der Luft, so als würde er ein lästiges Insekt loswerden wollen.

Genervt seufzte ich. "Was für eine Rolle werde ich spielen...?"

"Die eines 18-jährigen Highschool Schülers", antwortete mein Vater gelangweilt.

Schockiert riss ich meine Augen auf. "Dein Ernst?!"

"Das war der Vorschlag deines Bruders... Und ich fand die Idee ganz reizend", meinte mein Vater lächelnd.

Ich war stark versucht Touya in Sonnenfeuer verbrennen zu lassen...

"Alles klar... Wann breche ich auf?", fragte ich und ließ in meiner Stimme deutlich mitschwingen wie sehr ich das alles hasste...

"So schnell wie es geht... Geh zu deiner Mutter. Sie wird dich auf die Erde schicken", meinte er, beugte sich dann zu mir vor und sah mich eindringlich an. "Und denk dran: Niemand darf sehen, wer du wirklich bist!"

Ich verdrehte die Augen. "Ich kenne die Regeln... Ist nicht mein erstes Mal auf der Erde..."

Mein Vater nickte zufrieden und entließ mich dann mit einer Handbewegung.

Ich ging mit geschlossenen Augen durch die unendlichen Korridore unseres Reiches...

Zu meiner Mutter zu gelangen dauerte... Sie und mein Vater lebten jeweils am anderen Ende unserer Welt, um sie im Gleichgewicht zu halten... Nur einmal alle tausend Jahre war es ihnen erlaubt sich zu treffen...

Meistens gab es dann eine schreckliche Naturkatastrophe auf der Erde... Aber da mussten die Menschen halt durch...

Ich könnte auch zu ihr fliegen, aber ich hatte keine Eile... Schließlich sehnte ich mich nicht nach der Erde...

Ich bewegte meine Finger leicht und spürte die Sonnenstrahlen zwischen meinen Fingern... Allein die Energie der Sonne konnte mich beruhigen und mich zum Lächeln bringen... Als ich die Sonne damals erschuf, war sie das größte und schönste, was die Menschen jemals gesehen haben...

Bis heute verehrten sie mich mehr als jeden anderen Gott... Dabei waren sie mir alle egal... Ihre Gebete bedeuteten mir nichts...

Mein Vater sah das nicht so, aber die Menschen waren bis ins Mark verdorben...

"Du kommst spät", tadelte mich die Stimme meiner Mutter, bevor ich sie überhaupt sehen konnte.

"Ich kam zu Fuß", sagte ich dazu nur und ging um die letzte Ecke.

Neben ihr stand Momo... Was machte sie hier? Muss sie auch auf die Erde?!

"Bevor ich dich auf die Erde entsende, wollte Momo dich sprechen... Ich gewähre euch zehn Minuten", sagte meine Mutter streng und verschwand dann aus meinem Blickfeld...

Ich würde mich auch gerne unsichtbar machen können...

Schnell kam Momo auf mich zu und packte mich an beiden Schultern. "Du darfst nicht auf die Erde gehen!"

Ich hob nur ne Augenbraue. "Meinst du echt, dass ich freiwillig gehe?"

Sie schluckte schwer. "Du verstehst nicht... Du DARFST nicht gehen!"

Ich runzelte leicht die Stirn und verstand dann plötzlich. "Was... hast du gesehen?"

Momo war die Göttin der Vorsehung... Und eigentlich war es ihr verboten über ihre Visionen zu sprechen, weil es den Lauf der Welt zu sehr beeinflussen könnte...

Ihre Augen huschten kurz hin und her, bevor sie sich etwas näher zu mir vorbeugte und flüsterte: "Du wirst sterben, wenn du auf die Erde gehst..."

Meine Augen weiteten sich und ich sah sie entsetzt an...

Für ein paar Augenblicke sahen wir uns einfach an...

Dann brach ich in lautes Gelächter aus. "Willst du mich auf den Arm nehmen?! Das ist ja lächerlich!"

Beleidigt blies sie ihre Wangen auf. "Es ist wahr! Ich hab es gesehen!"

Ich schüttelte immer noch lachend meinen Kopf. "Das ist unmöglich, Momo! Das wird nicht passieren!"

Sie biss sich leicht auf die Lippe und sah betrübt auf ihre Füße. "Ich hab auch gesehen, dass du mir nicht glauben wirst..."

Kurz sah ich sie verunsichert an, bevor ich mich wieder im Griff hatte. "Mach dir keine Sorgen, Momo... Ich bin in einem Jahr wieder hier! Du wirst sehen!"

Sie sah mich nicht überzeugt an, doch ich ging ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei, bevor sie auf die Idee kam mir noch mehr zu erzählen... Was sie noch alles gesehen hatte...

Götter waren unsterblich... Es gab nur eine Art, wie wir sterben konnten...

Liebe...

Wenn wir uns verliebten, sterben wir... Da 'Liebe' eine Erfindung der Menschen war, geschahen die meisten Göttertode, wenn wir auf der Erde waren... Wir verliebten uns in einen Menschen und starben...

Ich schnaubte allein bei dem Gedanken...

Als würde ich mich in einen Menschen verlieben...

Das ist ja abartig!

"Bist du soweit?", hallte die Stimme meiner Mutter durch den Raum.

Ich schloss meine Augen und nickte kurz.

Ein kaltes Licht umgab mich und ich spürte den Strudel aller Welten... Die vermeintliche Schwerkraft der Erde zog mich zu sich und ich ballte meine Fäuste fest zusammen...

Ein Jahr auf der Erde...

Hoffentlich ging es schnell und still um...

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