12. We fell in love in october

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(Dreamcatcher)

"Ich liebe dich, Yoohyeon."

Minji sah auf, in ihre Augen und versuchte sich an einem Lächeln, obwohl ihre Mundwinkel, ob ihrer Aufregung, kaum merklich zitterten.

Wenige Sekunden später wandte sie sich jedoch ab und vergrub die Hände in ihren langen, dunklen Haaren. Die bunten Strähnen in einer Farbe irgendwo zwischen Pink und Lila, die Yoohyeon so gut gefallen hatten, waren bereits fast wieder herausgewachsen.

Aber das würde wohl erst einmal so bleiben, denn so kurz vor Weihnachten würde Minji sich sicher nicht um einen Termin bei der Friseurin ihres Vertrauens bemühen. Wozu auch? Die meiste Zeit würden die Strähnchen unter einer warmen Schicht, bestehend aus Mütze, Schal, und Winterjacke verborgen bleiben, sofern Minji sich aus ihrem Haus wagen sollte, hatte sie doch dort Wärme, Essen und einen Fernseher. Ohnehin hatte sie momentan Wichtigeres zu tun.

So wie vor ihrem großen Wandspiegel im Flur das Gestehen ihrer Gefühle für Yoohyeon zu üben.

"Ich liebe dich, Yoohyeon? Ernsthaft? Viel zu kitschig", murmelte sie und zog langsam die Finger aus den Haaren.

Sie schlenderte ins Wohnzimmer und ließ sich auf das rote Sofa fallen. Vielleicht war es besser, es einfach sein zu lassen? Ihre Highschoolfreundinnen waren teilweise bis zu acht Jahre in einen Jungen verliebt gewesen und nicht mit ihm zusammengekommen, dagegen waren diese zwei Jahre nicht viel. Vielleicht verdiente sie Yoohyeons Liebe noch nicht, wenn auch Seolji und Mi-rae Jinhyuks Liebe nicht hatten erobern können. Gott, klang das bescheuert.

Yoohyeon war jedoch kein Junge aus ihrer Schule. Seitdem sie sich beim Nachsitzen zum ersten Mal gesehen und Minji sie nach ihrer Nummer gefragt hatte, waren sie beste Freundinnen geworden. Minji hatte ihr Handy während des Unterrichts benutzt und Yoohyeon war ihrer Lehrerin gegenüber "laut geworden". Dabei hatte sie sich bloß auf die unfaire Behandlung eines Schülers hin für diesen eingesetzt.

Minji konnte sich nicht mehr an das genaue Geschehen erinnern, doch bei der Erinnerung an die entschlossene Miene ihrer nun besten Freundin, bei dem erfolglosen Versuch, dem Aufsichtslehrer die Situation zu erklären, musste sie unbewusst lächeln. Yoohyeon hatte nie etwas Unrechtes geschehen lassen, ohne sich dagegen zu wehren, sehr zum Missfallen ihrer Lehrer.

Es war Oktober gewesen, der Oktober vorletzten Jahres, und sie hatten auf dem Dach des grauen Wohnhausblocks gesessen, in dem Yoohyeon mit ihren Eltern gelebt hatte, als es ihr klar geworden war.

Yoohyeon hatte wie immer wunderschön ausgesehen, ihr wie so oft gefärbtes Haar - damals war es dunkelblond gewesen - wehte sanft im Wind und immer wieder strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht.

Minji hatte einfach nur dagesessen, die Beine über den Rand des Daches hängen lassen und ihre beste Freundin lächelnd angesehen.

Plötzlich, als wäre ihr etwas eingefallen, wandte Yoohyeon den Blick von den bunten Baumkronen ab und sah Minji in die Augen.

"Ji, wir werden doch Freunde bleiben, wenn du nächstes Jahr deinen Abschluss machst?", fragte sie vorsichtig, Besorgnis glitzerte in ihren Augen.

Minji sah ihre beste Freundin verwundert an. "Aber natürlich! Was dachtest du denn?"

"Gut", antwortete ihr Gegenüber nur halblaut. "Du bedeutest mir nämlich wirklich viel."

"Du mir auch." Als sie diese Worte aussprach, fühlte sich irgendetwas anders an. Als würde dieser simple Satz viel mehr bedeuten, als sie erfassen konnte. Als würde ein Teil von ihr schweben. Minji spürte ein neuartiges Gefühl in ihrer Magengegend aufkommen, doch es war nicht unangenehm. Es ließ sie schwerelos fühlen und sie lächelte automatisch noch breiter.

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