17.) Wir geben nicht kampflos auf

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"Hey!  Wie geht's dir? Wie war es bei Frau Kaiser?", fragt sie mich.
"Ganz gut. Sie ist nett,  aber auch merkwürdig. Es ist ganz anders als beim Psychiater."
"Ich glaube es ist auch gut,  dass es eine Kinder- und Jungentherapeutin ist."
"Wussten sie schon das ich nicht mit nach Malta darf?", überfalle ich sie.
"Nein!  Warum das denn nicht?", sie scheint geschockt zu sein.
Ich berichte ihr von dem Gespräch heute morgen mit dem Direktor. Endlich kann ich weinen. Meine Tränen fließen wie ein ganzer Wasserfall über meine Wangen.
"Beruhigt dich erstmal. Hat er tatsächlich gesagt,  dass das keine Bestrafung,  sondern eine Chance für dich sein soll an dir zu arbeiten?"
"Ja",  schluchze ich.
"Das müssen wir ändern! Ich werde gleich übermorgen mit denen mal reden."
"Danke,  und was sage ich meinen Eltern? Die werden durchdrehen,  mich anschreien,  fertig machen!"
"Das glaube ich nicht. Hast du jetzt noch unterricht?"
"Ja, Physik und Geschichte."
"Möchtest du da noch hin?"
"Ich probier es zumindestens."
"Wenn was ist kannst du mir gerne schreiben oder im Notfall auch anrufen,  ok?"
"Mhh..."
Ich gehe mit gesenktem Blick nach draußen und warte vor dem Physikgebäude auf meine Mitschüler und meinen Lehrer.

"Alles ok?",  Fragt mich meine Sitznachbarin mich.
"Ja, geht schon."
Lone ist ganz ok. Wir kennen uns schon Ewigkeiten und sie gehört auch zu denjenigen, mit denen ich am meisten Kontakt in der Klasse habe.
"Du siehst gar nicht gut aus."
"Ich darf nicht mit nach Malta", platzt es plötzlich aus mir heraus.
"Was? Warum?"
"Es ist einfach so."
Danach schweigen wir und nach dem Unterricht fahre ich nach Hause. Ich habe keine Lust mehr auf Schule und Geschichte.
Bevor ich los radel rufe ich meinen Vater an: "Papa,  ich komme jetzt schon nach Hause."
"Ok, warum denn?  Fällt wieder etwas aus? Wir sind leider noch unterwegs."
"Ich bin fertig. Ich habe erfahren das ich nicht mit nach Malta darf."
"Fahr nach Hause! Wir kommen sofort! "
Ich lege auf. Zum Schluss klang er sehr verstört.

Als ich zu Hause ankomme, sind meine Eltern noch nicht da. Ich lege meine Jacke beiseite und setzte mich auf die Couch im Wohnzimmer. Ich mag unser Wohnzimmers. Es ist in den Farben rot/orange/braun gehalten und an der Wand hängt ein wunderschönes Bild: Ein Sonnenuntergang.
"Maus?  Wo bist du?"
Meine Eltern sind da. Wieder kann ich nur weinen. Sie umarmen mich und dann erzähle ich ihnen vom heutigen Tag.
"Warum hast du uns gestern nicht schon erzählt,  dass der Direktor mit dir reden möchte? Und warum hast du uns wenigstens danach nicht sofort Bescheid gegeben?  Vertraust du uns nicht? Willst du dein Leben nicht mit uns teilen?  Willst du uns nur noch weiter belügen?"
Ich werde mit Vorwürfen überworfen. Als Antwort habe ich nur Tränen. Eine nach dem anderen rollt mir die Wange hinunter.
"Wir kommen morgen früh mit zur Schule und reden ein Wörtchen mit ihm", sagt mein Vater bedrohlich.
"Das hast du ja wieder toll hinbekommen!", mischt sich jetzt meine Mutter ein,"morgen haben wir keine Zeit. Aber Donnerstag,  da kommen wir."
"Ok.", antworte ich. Dagegen bin ich machtlos. Sonderlich erfreut bin ich darüber nicht,  aber was meine Eltern sich in den Kopf setzen,  kann ich nicht ändern.
"Und von nun an erzählst du uns alles!"
"Ja Mama, natürlich."
Ich bin fertig mit der Welt. Schnell verkrümel ich mich ins Bad und danach lege ich mich schlafen. Diese Nacht bekomme ich wieder kaum schlaf. Immer wieder überlege ich,  wie ich meine Eltern vielleicht doch überzeugen kann, dass sie nicht zur Schule kommen. Denn ich kenne meine Eltern und besonders meinen Vater: Beide würden alles für mich geben. Wirklich alles. Das ist zwar ganz lieb, aber manchmal können sie mit ihrer Liebe auch alles schlimmer machen. Mein Vater kann manchmal so bösartig werden. Dann vergisst er sich selbst und alle, die sein kleines Mädchen angreifen,  werden beschimpft und auf das Schlimmste gedemütigt.
Ich würde es so gerne schaffen,  die Sache alleine zu klären. Schließlich bin ich schon volljährig. Außerdem denke ich,  dass man daran eh nichts mehr ändern kann. Aber was wird in der Zeit passieren,  wenn alle auf Malta sind und ich zu Hause sitze?  Ich glaube erst dann werde ich wirklich realisieren,  was vor sich geht und dann garantiere ich für gar nichts mehr.

HungerliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt