Schweiß nass wache ich am nächsten Morgen auf. Ich muss schrecklich geträumt haben und ich bin auch noch total müde. Die Uhr zeigt 5: 55. Gleich kommt mein Vater rein und weckt mich. Wie jeden Morgen während der Schulzeit wenn er nicht bei der Arbeit ist. Dann kommt er rein, gibt mir einen Kuss und macht mein Radio an. Eine halbe Stunde später stehe ich dann auf und gehe ins Badezimmer mich waschen. Heute ist es genauso. Meine Mutter ist schon bei der Arbeit und mein Vater weckt mich, weil er noch Urlaub hat.
Ich setze mich in meinem Bett auf und möchte mich gerade auf den Weg in das Badezimmer machen, als ich einen ziehenden Schmerz im Hüftbereich spüre. Schnell suche ich Pflaster heraus und merke, dass mein Kopf so schwer wie blei ist. Vielleicht sollte ich heute zu Hause bleiben? Aber gleich am ersten Schultag nach den Ferien fehlen? Nein! Außerdem ist es in der Schule sogar erholsamer als hier.
Als ich mich an den Frühstückstisch setze, ist nicht mehr alles ok. Mein Vater wird aufeinmal ganz wütend, was eher selten bei ihm passiert.
"Warum bist du heute so schlecht gelaunt?"
"Bin ich nicht."
"Doch. Und ess ordentlich! Du krümelst alles auf den Boden."
"Ich pass schon auf."
"Was ist nur los mit dir momentan?"
"Nichts! Mir geht's gut!"
"Lüg hier nicht rum! Ich und deine Mutter merken doch das etwas nicht stimmt."
"Ich muss los, es ist schon spät."
"Jaja. Hau doch ab!"
Ich steh auf und weiß nicht was mit mir los ist. Ich könnte anfangen zu weinen. Mein Vater war agressiver als sonst. So kenne ich ihn gar nicht. Im Badezimmer zücke ich mein Handy. Draußen gießt es in strömen. Normalerweise würde mein Vater mich mit dem Auto zur Schule fahren, aber dazu bin ich zu egoistisch. Für den Bus ist es auch schon zu spät.
Ich will sterben. Ich will einfach nur sterben. So kann ich nicht weiter leben. Langsam bekomme ich auch Angst vor der Schule. Immerhin habe ich meine Lehrerin in der E-mail auch als unfähig beleidigt. Ausgerechnet heute habe ich auch unterricht bei ihr. Doppelstunde Englisch.
Ich schreibe meinem Freund eine Nachricht: Bist du schon losgefahren?
Mir geht's nicht gut! Kannst du bei mir rum fahren? Ich garantiere für nichts heute!Tatsächlich spiele ich mit dem Gedanken mich vor ein Auto zu schmeißen. Ich will und kann nicht mehr.
Schon bekomme ich eine Antwort:
Ich komme zu dir. Warte an der Straße auf mich!Ich bin froh als er kommt. Es ist noch dunkel und ohne ein Wort zu sagen fahren wir zur Schule. In der Schule angekommen sind wir pitsche nass.
Die Stunden bis zur Mittagspause sind eine Qual. Mit dem Kopf gesenkt sitze ich nur so da und bin mit den Gedanken ganz woanders, aufjedenfall nicht bei der Schule. Nach der Mathestunde fragt mein Lehrer mich auch, ob alles in Ordnung sei.
"Ja", lüge ich.
Die Mittagspause ist in der sechsten Stunde. Ich mache mich auf den Weg zur Schulsozialarbeiterin. Ich brauche unbedingt jemanden der mir zuhört und mich aufheitern kann.
Das Büro von ihr ist im Keller des Hauptgebäudes unserer Schule.
Ich schleiche langsam die Treppen hinunter. Es könnte ja sein, dass noch jemand unten bei ihr ist und da möchte ich nicht stören. Unten an der Treppe biege ich nach rechts ab und gucke vorsichtig um die Ecke. Da sitzt noch jemand bei ihr. Ich riskiere noch einmal einen kurzen Blick und erschrecke: Gegenüber der Schulsozialarbeiterin, die gerade telefoniert, sitzt meine Klassenlehrerin. Beide scheinen mich gesehen zu haben. Mir geht so viel durch den Kopf: Was macht meine Lehrerin hier? Ist sie wegen mir da? Wegen der E-mail? Oder mache ich mir umsonst Sorgen?
Ich gehe zurück zur Treppe. Daneben steht ein Tisch auf den ich mich rauf setze. Ich senke meinen Blick und weiß nicht wie ich mich verhalten soll. Angst umgibt mich. Am liebsten möchte ich flüchten. Ich höre wie die Tür auf geht und die Schulsozialarbeiterin sagt: Ja, sie ist gerade hier zu mir gekommen.
Mit wem redet sie? Telefoniert sie noch?
Dann kommt meine Lehrerin und ich traue mich nicht, ihr in die Augen zu gucken.
"Hallo könntest du schon sagen!", spricht sie mich mit erhobener Stimme an. Ich blicke kurz hoch, sehe eine wütende Frau die sich gerade auf den Weg nach oben macht und schneller als ich sehen kann befinde ich mich schon im Büro bei der Schulsozialarbeiterin.
Sie guckt mich besorgt an und deutet auf dem Platz direkt neben ihr.
"Setz dich."
Ich folge ihrer Anweisung.
"Da hast du aber ganz schön mist gebaut."
"Ich weiß", mehr bekomme ich nicht heraus und gucke auf den Boden.
"Deine Lehrerin war eben hier."
"Habe ich mitbekommen."
"Ich merke das es dir nicht gut geht. Bevor du jetzt anfängst davon zu erzählen muss ich dir etwas sagen. Lass uns uns dafür auf die Couch setzen."
Ich mag die Couch eigentlich. Dort ist es gemütlicher als auf den Stühlen hier.
"Was wollen sie mir sagen?"
"Ich habe eben telefoniert, weil deine Klassenlehrerin sehr besorgt ist. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass du den Bogen jetzt überspannt hast. Wir können dein Problem mit Depressionen, schnippeln und Selbstmordgedanken nicht mehr tragen. Auch wenn du alle vier Wochen zu einem Psychiater gehst, was ja nicht wirklich was bringt, habe ich mir erlaubt deine Eltern anzurufen."
Ich gucke sie und sie mich. Ich sage nichts. Ich bin geschockt. Mir steigen die Tränen in die Augen.
"Ich weiß das du davon nicht begeistert bist. Aber ich habe dir ja gesagt, dass du irgendwann die Bombe zum Platzen bringst. Und das hast du nun mit deiner E-mail."
Sie hat recht. Nein hat sie nicht. Doch. Ich bin völlig durcheinander und bekomme nur wenige und zittrige Worte aus mir hinaus: "Was haben sie meinen Eltern gesagt?" Ich fange nun an auch mit meinen Beinen zu zittern.
"Ich habe ihnen die Mail vorgelesen."
"Ohnein. Und nun?"
"Und nun werden sie gleich hier her kommen."
"Was? Wieso? Muss das sein?!" Mein Herz fängt an zu rasen. Ich will hier weg und zwar schnell. Nun zitter ich am ganzen Körper.
"Kann ich noch schnell hier weg?", was für eine dumme frage.
"Ich denke das es besser ist, wenn wir das nun endlich alles klären. Du würdest sonst nur weiter leiden und das Risiko ist mir zu groß. Wenn du willst kannst du dich ja lieber auf einen Stuhl setzen."
Das mache ich auch. Für meine Eltern wäre nämlich nur noch platz auf der Couch neben mir und das würde ich nicht aushalten. Ich zitter immernoch.
"Ich bin doch bei dir. Versuche dich zu beruhigen. Wenn etwas passiert werde ich dich auch vor deinen Eltern beschützen."
Ich mag sie. Sie unterstützt mich so gut sie kann. Außerdem sagt sie immer was sie denkt. Genau das Richtige für meine Eltern. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sie selbst in ihrem Leben schon viel mitgemacht hat. Mit 17 ist sie ausgezogen, weil sie nur Ärger gemacht hat und ihr Vater sie rausgeschmissen hat. Von da an musste sie alleine klar kommen. Beruflich hat sie es trotzdem zu etwas gebracht. Finde ich zumindestens. Das schlimmste ist, dass sie einen ihrer Söhne schon beerdigen musste. Ich bin stolz auf sie. Sie ist ein echtes Vorbild wie sie alles meistert. So möchte ich auch mal sein.
Ich zitter immernoch. Gleichzeitig merke ich, wie mein Blut in meine Beine sinkt. Ich muss kreidebleich sein. Im nächsten Augenblick stockt mir ser Atem. An der Glastür stehen meine Eltern.
An dieser Stelle möchte ich mich für Rechtschreibfehler entschuldigen. Die kommen leider vor, wenn man mit dem Handy schreibt.
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Hungerliebe
Jugendliteratur18, weiblich, Schülerin. Das ist Moni. Sie kämpft mit sich selbst und gegen ihre innere fremde Stimme, die sie in den Abgrund trägt. Am Anfang merkt noch niemand, wie sehr sie leidet, bis es schließlich fast zu spät ist. Ich möchte davor warnen...