"Ich bin für dich da. Ich weiß ja wie deine Eltern drauf sind und ich kann dich beschützen", das waren die letzten Worte der Schulsozialarbeiterin bevor sie zur Tür ging, um diese zu öffnen und meinen Eltern Einlass zu gewähren.
Ich sehe das meine Eltern wütend sind und traurig zu gleich. Meiner Mutter rollen ein paar Tränen über die Wange.
"Hast du dich da am Arm auch verletzt?", war das erste was meine Mutter heraus brachte.
Ich gucke an mir hinunter. Ich habe nur ein Tshirt an und an der rechten Schulter guckt ein Pflaster heraus. Ich antworte ihr nicht.
Automatisch setzen sich beide auf die Couch. Die Sozialarbeiterin nimmt gegenüber von ihnen Platz und ich sitze schräg zu ihnen.
Plötzlich fängt meine Mutter an stärker zu weinen:
"Warum hast du uns nichts erzählt? Vertraust du uns nicht? Wir haben dich in letzter Zeit doch immer darauf angesprochen ob etwas nicht stimmt. Du hast uns belogen und ich hasse Lügner! Das weißt du ganz genau!"
Ich bringe kein Wort hervor. Mir brennt mein Herz. Ich halte es nicht aus meine Mutter so leiden zu sehen.
"Wir sind doch immer für dich da! Du hast uns so enttäuscht."
Aufeinmal mischt mein Vater sich mit ein. Ich hatte ihn zunächst gar nicht beachtet. Auch er schluchzte.
Ich kann ihnen nicht in die Augen gucken. Am liebsten würde ich auch weinen, aber es geht nicht.
Meine Mutter wendet sich an die Sozialarbeiterin: "Was haben wir nur all die Jahre falsch gemacht?"
"Hier geht es um keine Schuldfrage. Es geht darum, dass wir uns etwas überlegen müssen, damit es Moni wieder besser geht."
Ich halte mich aus dem Gespräch heraus und schalte zwischendurch auf Durchzug, damit ich nicht gleich durchdrehe. Es ist interessant: Meine Eltern geben sich für mein Verhalten die ganze Schuld. Dabei müssen sie das gar nicht. Klar haben sie einen Anteil daran, denn psychische Probleme haben einen Auslöser, aber der Rest der Verwandtschaft hat auch dazu beigetragen. Wenn ich da jetzt aber zu diskutieren anfange, glaubt mir eh keiner.
Inzwischen hat meine Mutter fast die ganze Taschentuchbox leer gemacht, die vor ihr auf dem Tisch steht.
Zusammen mit der Schulsozialarbeiterin einigen wir uns alle darauf, dass ich meinen Eltern nur nichts gesagt habe, um sie zu schützen. Ich werde weiterhin alle drei/vier Wochen zum Psychiater gehen und wir werden an uns arbeiten. Meine Eltern stehen auf und kommen zu mir. Jetzt ist meine Mauer auch durchbrochen und ich muss weinen. Wir umarmen uns alle, als wäre alles wieder gut. Zu schön um wahr zu sein, denn ich weiß genau, dass zu Hause etwas ganz anderes auf mich warten wird.
Als sie gegangen sind wendet sich die Sozialarbeiterin wieder an mich: "Ist doch besser gelaufen als gedacht, oder?"
"Ja, das stimmt. Ich bin auch etwas erleichtert. Als ob eine ganze Last mir vom Rücken gefallen ist." Diesmal lüge ich nicht. Ich fühle mich tatsächlich so.
"Vielleicht ändert sich bei dir zu Hause endlich was."
"Zu schön um wahr zu sein."
"Aber nun müssen wir uns beide um ein weiteres Problem kümmern: Deine Lehrerin."
"Hmm", die hatte ich fast vergessen.
"Heute morgen hat sie mich die ganze Zeit gesucht. Erst bin ich nämlich zu spät gekommen und dann war ich in Klassen unterwegs. Die Liebe war so durch den Wind, hat sie mir erzählt, dass sie noch nicht mal ordentlich unterrichten konnte. Deshalb ist aus dem eigentlichen kleinen Problem ein größeres geworden. Normalerweise wollte sie das nur mit mir klären, aber da sie mich nicht fand, ist sie zum Direktor gegangen und hat ihm alles erzählt und ihm auch die E-mail gezeigt."
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Hungerliebe
Novela Juvenil18, weiblich, Schülerin. Das ist Moni. Sie kämpft mit sich selbst und gegen ihre innere fremde Stimme, die sie in den Abgrund trägt. Am Anfang merkt noch niemand, wie sehr sie leidet, bis es schließlich fast zu spät ist. Ich möchte davor warnen...