16.) Erste Therapiestunde

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"Magst du rein kommen? ", sie öffnet die Tür zu ihrem Therapiezimmer.
Ich trete hinein und wunder mich. Es sieht ganz anders aus als beim Psychiater. Es sieht aus wie ein Kinderzimmer,  nur ohne Bett und aufgeräumter. In der Mitte stehen drei Stühle. Wir setzen uns gegenüber.
"Ich freue mich dich kennen zu lernen. Wie geht es dir?", fragt sie mich.
Ich hätte wieder am liebsten los geheult,  aber es geht immer noch nicht.
"Geht so", antworte ich, "Ich habe eben eine schlechte Nachricht erhalten."
"Was für eine?"
"Ich darf nicht mit auf Klassenfahrt fahren."
"Oh, warum denn nicht?"
Nun erzähle ich ihr alles. Alles, beziehungsweise fast alles,  was in der letzten Zeit nach dem Brief passiert ist. Sie erfährt auch von meinem selbstverletzenden Verhalten und von meinen früheren Versuchen,  mich umzubringen. Sie scheint nicht sonderlich erfreut zu sein. Schließlich kommen wir noch dazu,  genauer auf die Konflikte mit meinen Eltern einzugehen.
Als die Stunde vorüber ist sagt sie: "Ich hoffe,  dass wir uns nächste Woche wieder sehen. Da gibt es ja eine ganze Menge,  worüber wir noch reden sollten."
Ich nicke nur mit dem Kopf. Dann verabreden wir uns für Dienstag in meinen Freistunden.
Als ich raus bin,  bin ich erleichtert. Endlich habe ich eine Person,  mit der ich über alles reden kann. Auch wenn es schwer fällt an manchen Stellen. Ich bin auch stolz auf mich,  dass ich die Sache mit meinem Freund verschwiegen habe. Obwohl... Sollte ich ihn meinen Freund nennen?  Nicht lieber Exfreund?  Schluss gemacht habe ich noch nicht und ich weiß auch nicht wie und ob das so schlau ist. Vielleicht sollte ich darüber noch einmal nachdenken.
Auf dem Weg zur Schule fasse ich den Entschluss, vor dem Unterricht noch mal bei der Schulsozialarbeiterin vorbei zu schauen.

HungerliebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt