Fawns Nachbarn

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Auf der anderen Seite der Grenze trat jemand aus dem Unterholz. Walzte wäre auch ein passendes Wort gewesen, bedachte man, dass sie keinerlei Rücksicht auf die Natur nahm, als sie sich ihren Weg bahnte. Wie sie mit ihrer unauffälligen Gestalt so viel Lärm und Schäden veranstalten konnte, war ihm ein Rätsel.

Die Frau sah sich um, ihre Augen wurden weich und ihre Gestalt sanft, als sie die beiden Jungs sah. Als ihr Blick zu Fawn wanderte, baute sie sich auf und verschränkte ihre Arme mit blitzenden Augen. Charlie schmunzelte, denn so sehr sich die Frau auch aufbaute, sie konnte seine Größe nicht erreichten. Aber sie schien nur Fawn beeindrucken zu wollen, denn Charlie war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt gesehen hatte.

„Du schon wieder! Wie oft müssen wir dir noch sagen, dass wir eine lebenslange Erlaubnis haben, dass Land zu nutzen! Nur weil du dummes kleines Ding das nicht in deinen hohlen Kopf bekommst! Wir! Haben! Ein! Recht! Das! Land! Zu! Nutzen!" Sie spuckte bei jedem Wort kleine Tröpfchen aus und Charlie war froh, weit genug von ihr weg zu stehen, um davon nicht getroffen zu werden.

Fawn rieb sich die Stirn. „Ich frage mich, wer hier einen hohlen Kopf hat." wisperte sie und Charlie grub die Fingernägel in seine Arme, um nicht laut zu lachen. „Ich muss es dir also nochmal sagen. Alles, was nicht im Vertrag niedergeschrieben wurde oder mit mir persönlich über Landnutzung vereinbart wurde, ist mit dem Verkauf des Landes nichtig geworden. Ich habe dir eine Kopie des Vertrages gezeigt, Beamte haben dir bestätigt, dass dies der Vertrag ist und das mündliche Verträge mit Herrn Fin nichtig geworden sind. Was muss ich noch machen, damit ihr euch an die Gesetze haltet?"

„Wir halten uns an die Gesetze! Du bist die Person, die sich nicht an Verträge hält! Wir haben ein lebenslanges Recht, das Land nach unserer Vorstellung zu nutzen."

„Rede ich hier gegen eine Wand?" Fawns Stimme drang nur bis zu Charlie.

Charlie prustete und war prompt das Zentrum aller Aufmerksamkeit. „Lass euch von mir hier nicht stören." Er winkte ab und drückte eine Hand gegen seinen Mund.

„Es gibt keinen Vertrag! Er ist nichtig geworden, als Herr Fin mir das Land verkauft hat und den mündlichen Vertrag nicht in den Kaufvertrag geschrieben hat. Wie oft eigentlich noch? Beamten des Staats haben dir das bestätigt, haben dir die Passagen im Gesetzt gezeigt, die das Aussagen. Könnt ihr euch nicht einfach an die Regeln des Reservates halten? Oder mein Land nicht betreten?"

„Deine dreckigen Viecher interessieren mich nicht! Die Gefahr für die Leute wird sowieso bald ausgelöscht und dann wirst du nichts haben! Dann wirst du dir wünschen, dass du mir das Nutzen erlaubt hättest! Dann werden wir den Vertrag durchsetzen!" spuckte die Frau aus und piekst ihren Zeigefinger in Fawns Richtung, die sich nur weiter die Stirn reibt.

„Frau, hörst du dir selbst eigentlich zu? Alles, was du sagst, ist bereits entkräftet worden. Mit Ausnahme deiner Drohung gegen gefährdete Tierarten, die das Reservat ihr Zuhause nennen. Ich kann dir bereits sagen, dass du mit einem rechtlichen Vorgehen hier zu nichts kommen wirst." schaltete sich nun Charlie ein.

Die Frau wirbelte erneut zu ihm herum und in ihren Augen stand Feuer. „Du Jungspund hast hier gar nichts zu sagen. Wer hat euch denn erzogen?! Absolut kein Respekt vor den Älteren! Du hast hier gar nichts zu suchen! Wir haben dir nicht erlaubt unser Land zu betreten!"

„Das ist schön für sie, Madam, aber ich bin nicht auf ihrem Land. Ich bin auf ihrem Land." Er zeigte auf Fawn. „Und das hier ist ein offizielles Reservat, dass jedem den Zutritt erlaubt, der sich an die Regeln hält. Ich darf hier sein. Und Respekt? Madam, man verdient sich Respekt. Man erhält ihn nicht, nur weil man älter ist als eine andere Person."

Sie blies die Wangen auf und sah aus, wie ein Hamster, ehe sie die Luft in einem Huffen entweichen ließ. „Diese Unverschämtheit ist nicht zum Aushalten. Wenn meine Jungs sich so verhalten würde, dann gäbe es ja Ärger. Mit deiner Mutter würde ich ja gerne mal ein Wort haben. Und je weniger über die Eltern von diesem Ding gesagt wird umso besser."

Fawn zuckte, als die Frau in ihre Richtung zeigte, und Charlie ballte eine Faust. „Aber wir werden ja sehen, wer das letzte Lachen hat. Diese Viecher will niemand in der Gegend haben. Und dass werdet ihr bald auch merken. Eine Gefahr für die Gemeinschaft! Kommt mit. Ich will nicht, dass dieses Ding auf euch abfärbt. Oder die Unverschämtheit von dem Rotschopf. Wie der schon aussieht. Narben. Und diese Klam..." Ihre Stimme klang noch durch die Gegend, da war sie schon wieder im Unterholz verschwunden, ihre Jungs an ihren Rockzipfeln.

„Ist die Wirklichkeit? Habe ich das gerade wirklich erlebt und nicht nur einen sehr seltsamen Traum gehabt?" Charlie sah mit weit aufgerissenen Augen zu Fawn.

Die seufzte. „Nein. Das ist wirklich passiert. Ein eins A Beispiel meiner Nachbarn. Das passiert immer. Es tut mir leid, dass sie dich beleidigt haben."

„Du solltest dich dafür nicht entschuldigen. Du kannst nichts dafür, dass jemand der Frau ins Hirn geschissen hat. Und wenn sie sich über meine Klamotten beschwert, heißt das nur, dass ich nicht in ihren furchtbaren Kleidungssinn passe. Ich sehe das eher als Kompliment."

Fawn prustete vor Lachen. „Das ist auch eine Möglichkeit all das zu sehen. Vielleicht sollte ich auch anfangen so zu denken. Das würde meine Treffen auf die drei zumindest ein bisschen ertragbarer machen."

„Sind nur die drei eine Familie? Oder triffst du die anderen nur nie?"

„Da ist noch ein Großvater, den ich noch nie getroffen habe. Aber Herr Fin meinte, dass er mit dem alten Mann Karten gespielt hat. Und dann ist da Karens Ehemann. Aber der vertreibt sich seine Freizeit wohl lieber in der Stadt bei jüngeren Frauen, als Zuhause bei seinem, wie sie in der Stadt sagen, Ehemonster."

„Oh ho, das ist passend. Ich kann sehen, warum man keine Zeit mit DIESER Frau verbringen möchte. Ich würde ja sagen, du tust mir leid, dass du mit denen interagieren musst, aber gleichzeitig... Ihre Dummheit hat mich zu dir gebracht. Ansonsten hätten wir einander wohl nie getroffen. Und ich bewundere dich mehr dafür, wie ruhig du mit ihrer Dummheit umgehst. Ehemonster. Da komme ich nicht mehr drüber weg." Charlie schüttelte lachend den Kopf.

Fawn lachte und wand sich von der Grenze ab. „Danke für das Kompliment. Wir können gehen. Heute werden sie nicht nochmal kommen. Auch wenn ich nicht wissen will, was sie jetzt wieder plant."

„Glaubst du das Ehemonster plant etwas?"

„Das tut sie immer, wenn sie nicht ihren Willen bekommt. Und das macht dir wirklich Spaß sie so zu nennen, oder?" Mit glitzernden Augen sah sie Charlie an. Der nickte genauso lachend. „Na dann. Hier in der Gegen gibt es ein paar Waldschratte. Möchtest du sie sehen?"

„Kleine grumpige Waldmänner, die gerne mit Kiefernzapfen werfen?! Immer doch."

„Dann los." Fawn übernahm die Führung und gemeinsam gingen sie wieder tiefer in das Reservat.

Drachen tanzen nicht nur am HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt