Zurück zu dem Drachen

422 30 0
                                    

„...im Herbst ist dann alles rot und orange und gelb und wunderschön. Man hört die Hirschbrunst und die Drachen jagen die gerne. Aber sie kommen dennoch nah an die Reservate heran. Es gibt einfach zu viele Hirsche als das die Drachen sie alle fressen könnten. Aber sie versuchen es immer und sitzen dann vollgefressen in der Gegend rum und sind sehr zufrieden und faul." erzählte Charlie mit Gesten, während er und Fawn über die kleine Insel liefen.

Fawn neben ihm lachte. „Das hört sich so schön an. Ich meine, hier ist auch schön, aber auch kalt. Aber besonders toll ist es hier, wenn der Schnee alles bedeckt und man sich mit heißem Tee vor dem Kamin kuschelt. Ich komme dich dann im Herbst besuchen und du kommst im Winter. Ja?" Mit einem schelmischen Glitzern in den Augen sah sie ihn an.

„Das hört sich nach einem Plan an. Hey. Was ist denn nun?"

Fawns Gesicht wurde traurig, dann schüttelte sie den Kopf. „Ich habe mich nur daran erinnert, dass du bald wieder zurück ins Reservat gehst. Ich habe mich schon so ein bisschen daran gewöhnt, dass du hier bist. Es wird für eine Weile komisch sein, wenn du nicht mehr da bist. Und unser Baby wird dich vermissen."

„Du solltest wirklich aufhören den Vogel dein Baby zu nennen."

„Nicht mein Baby, unser Baby." lachte Fawn und Charlie schüttelte den Kopf, was sie nur noch heftiger lachen ließ. Zwischen den Bäumen kam ein Geräusch hervor, dass klar von dem Drachen kam. Aber selbst Fawn stockte, als sie das Trillern hörte, dass erschöpft klang. Ohne noch etwas zu warten, beeilte sie sich, durch den Bäumen hindurchzukommen. Der Geruch von Blut ließ sie rennen.

Charlie brauchte einen Moment, ehe er ihr folgte. Als er sie einholte, kniete sie neben dem Erdnests und war über den Rand gebeugt. Von dem Drachen konnte Charlie nichts sehen, aber der metallische Geruch von Blut und der sehr deutliche von Salz und Algen stand so dick in der Lichtung, dass Charlie nach Luft schnappen musste. Die rötlichen Spuren auf dem Erdnest sorgten dafür, dass er sich an einem Baum abstützen musste.

Fawn drehte den Kopf, sah ihn aus Tränen gefüllten Augen an und Charlie schloss für einen Moment die Augen. Als er sie wieder öffnete, winkte Fawn ihn zu sich. Er schluckte um den dicken Klumpen in seinem Hals und stolperte zu ihr hinüber. Schnell konnte er den Drachen in ihrem Nest liegen sehen, die Schnauze mit Blut verschmiert.

Er sank neben Fawn auf die Knie und stoppte überrascht, als er das Lächeln auf ihren Lippen sah. „Schau mal, schau. Nicht mich. Hier, kuck." Sie zeigte in das Nest und Charlie folgte ihrem ausgestreckten Arm mit angehaltenem Atem. Als er erkannte, auf was sie zeigte, wurden seine Augen groß und größer.

Er drehte sich zu Fawn und die nickte, das Lächeln auf ihrem Gesicht wie festgetackert und ihre Augen strahlend, wie die eines Kindes zu Weihnachten, mit Tränen der Rührung gefüllt. „Sind das... sind das wirklich Dracheneier?" Er stolperte über seine Worte und sah auf die Eier, die zum Teil noch von Blut und einer schleimigen Substanz bedeckt waren. Unter dem konnte er einen Farbverlauf zwischen blau, grün und türkis erkennen, die wie Wasserfarben zusammenliefen. Unter den Eiern lag eine dicke Schicht an Wasserpflanzen.

„Ja. Oh, ich bin so stolz auf dich, meine Schöne. Du hast das so gut gemacht. Deine Eier sind so hübsch." Sie strich dem Drachen über den Kopf. Die schaute stolz, drückte sich gegen Fawns Hand und leckte dann die Eier ab. Sie gurrte und dann erklang ein hohes, summendes Geräusch, dass Charlie Kopfschmerzen bereitete.

„Ist sie das?" fragte er nach, die Hände über den Ohren.

Fawn sah auf und ihn an. „Das Summen?" Charlie nickte. „Ja. Ich glaube, es sind ihre Maultentakeln. Jedenfalls bewegen die sich immer, wenn man es hören kann. Es ist unangenehm, nicht?"

„Wie kannst du das aushalten? Ich habe das Gefühl, dass mein Gehirn vibriert."

„So neugierig ich auch bin, woher du weißt wie sich das anfühlt, ich glaube, dass ich das Gefühl kenne. Ich habe mich daran gewöhnt, als ich sie versorgte. Sie hat die Angewohnheit neue Dinge mit den Tentakeln abzutasten. Schau." Sie wies auf den Drachen, der tatsächlich mit den Tentakeln die Eier abtastete.

Charlie rieb sich den Kopf. „Vermutlich agieren sie als Tastorgan. Du meintest ja, sie könne nicht gut sehen. Vermutlich um das auszugleichen. Ich weiß nicht, wie tief sie jagt. Aber wenn es da eh dunkel ist, dann würde ihr eine gute Sicht nicht so viel helfen wie ein ausgezeichneter Tastsinn. Kannst du mich später daran erinnern, dass ich das aufschreibe?"

„Natürlich. Lecken andere Drachen ihre Eier auch sauber?"

„Nein. Aber normalerweise sind die nur von einem durchsichtigen Schleim umgeben und die Mutter blutet auch nicht, von daher." Charlie zuckte mit den Schultern. Nicht dass Fawn das mitbekam. Sie war wieder dem Drachen zugewandt und wisperte Bewunderung und Komplimente für den Drachen.

Für einige Minuten blieb Charlie neben Fawn und dem Drachen sitzen, doch das Summen des Drachen erklang durchgehend und Charlie konnte es nicht einfach so ignorieren. Er tippte Fawn auf die Schulter. „Können wir gehen? Sie macht mir Kopfschmerzen und ich denke, dass sie ein bisschen Zeit mit ihren Eiern allein verbringen will."

Fawn warf dem Drachen einen Blick zu, nachdenklich und überprüfend, und nickte dann. „Vielleicht hast du recht. Und ich will sie nicht stören."

„Meine Kopfschmerzen stören dich nicht wirklich, oder?"

„Doch, natürlich. Aber ich hätte dich einfach auf einen Spaziergang geschickt und wäre selbst bei meiner Schönen geblieben. Sie sieht so erschöpft aus. Aber sie sind so hübsch. Ihre Babys werden so putzig und schön und umwerfend sein. Kannst du dir das vorstellen? Babydrachen, die hier herumtollen. So so, putzig. Sie werden, wie kleine Hunde, über ihre Füße fallen." Fawns Augen leuchteten, als sie vor sich hinplapperte.

Charlie ließ sie. Ihre Worte füllten ihren Weg zurück zu dem kleinen Haus und Charlie betrachtete Fawn fasziniert dabei, wie sie über die Dracheneier schwärmte. Er konnte sie dafür nicht einmal belächeln. Wenn irgendwas musste er sich daran erinnern, wie er selbst reagierte, als er das erste Mal mit Dracheneiern und den Babys gearbeitet hatte. Viel besser als sie hatte er sich auch nicht verhalten, dass wusste er.

Sie vertäuten das Boot gemeinsam und vor dem Haus blieb Fawn mit einem Mal stehen. Sie hockte sich neben eines ihrer Beete, pflückte ein paar grüne Blätter und eilte Charlie dann hinterher, der bereits die Haustür geöffnet hatte.

Drachen tanzen nicht nur am HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt