Der überraschende Besuch

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Charlie und Fawn sahen sich an, beide wie erstarrt. „Erwartest du jemand?" wollte Charlie dann wissen.

Fawn schüttelte den Kopf. „Nein. Eigentlich nicht. Es kann natürlich immer sein, dass jemand unangekündigt vorbeikommt. Hier draußen aber eher selten. Kannst du an die Tür gehen und schauen? Vielleicht hat sich jemand verirrt oder verletzt."

Charlie stand auf und ging durch Fawns Flur zur Tür. Als er sie öffnete, konnte er schon sehen, dass Fawns Vermutung falsch gewesen war. Es war niemand, der sich verirrt oder verletzt hatte. Ein Mann in einem solchen Anzug würde definitiv nicht durch die Wildnis wandern und danach noch immer wie frisch gebügelt aussehen.

Er zuckte, als der Mann sich räusperte und begriff, dass er wohl gesprochen hatte. „Oh. Ähm... ja. Können Sie das vielleicht wiederholen?" Er grinste, rieb sich den Nacken und versuchte nicht all zu verlegen auszusehen. Bei dem strengen Blick, den er von dem Mann bekam, war das aber alles andere als einfach.

„Ich bin hier um einige Überprüfungen anzustellen. Herr Lundgren, mein Name, ich bin mit der Behörde zur Kontrolle der magischen Geschöpfe. Ich hatte Frau Centaurea erwartet." Der Mann hielt Charlie seinen Ausweis hin und dieser warf einen Bick darauf, konnte damit aber nicht viel anfangen.

„Fawn? Sie ist in der Küche. Kommen Sie doch herein. Sie ist ein bisschen beschäftigt." Charlie trat zur Seite und ließ den Mann ins Haus. Er schloss die Tür hinter ihm und führte ihn dann in die Küche. Zu seiner Überraschung gab der Mann keinen Kommentar zu Fawns kreativer Dekoration oder dem leichten Chaos, dass in der Garderobe herrschte.

In der Küche stockte der Mann dann doch und Charlie konnte hören, wie er überrascht die Luft einzog. Fawn, die noch immer mit dem Teig beschäftigt war, hob den Kopf und sah die beiden Männer mit schief gelegtem Kopf an. Ihr Blick wanderte über den Mann in seinem Anzug und Charlie merkte, wie ihre Gedanken einen ähnlichen Gang nahmen wie seine. Nie im Leben war der Mann zum Wandern oder für einen Ausflug hierhergekommen.

„Guten Tag. Könne wir ihnen etwas anbieten? Tee oder Kaffee?" Sie versuchte trotz ihres albernen Aussehens eine gute Gastgeberin zu sein und lächelte. Der Mann hustete und Charlie schob ihn vorsichtig auf einen der Stühle. Ohne zu warten, stellte er ihm ein Glas mit Wasser hin. Die Bewegungen brachte das Augureybaby dazu den Kopf zu heben, sich umzusehen und dann zu zwitschern. So vergnügt es auch gemeint war, als Augurey klang es doch wie ein Trauergesang.

„Was... was ist das?!" Der Mann starrte auf den kleinen Vogel, rieb sich die Augen und griff nach dem Wasserglas, um es herunterzustürzen. Er schloss die Augen, öffnete sie wieder und starrte erneut auf den Vogel, der ihn ebenfalls neugierig musterte.

„Ein verwaistes Augureybaby. Wir sind dabei es aufzupäppeln und wenn es ausgewachsen ist, wildere ich es wieder aus. Die sehen etwas schräg aus und klingen sehr traurig, aber sie sind absolut harmlos." Fawn zuckte mit den Schultern und lachte etwas hilflos.

„Sie diese Vögel geschützt?" Der Mann schien sich wieder gefangen zu haben. Er räusperte sich und holte ein Klemmbrett aus seiner Mappe.

„Ich denke nicht mehr, nein. Sie wurden zwar gejagt und ihre Zahl dezimiert, aber seitdem haben sie sich wieder erholt." Sie warf einen hilfesuchenden Blick zu Charlie, der zustimmend nickte.

Der Mann machte sich eine Notiz auf seinem Klemmbrett und lehnte sich dann zurück. Er warf einen Seitenblick zu dem Vogel, ehe er sich wieder Fawn zuwandte. „Ich wurde hierhergeschickt, um zu überprüfen, dass ihre Angaben zu dem Land korrekt sind. Die Kopie ihrer Besitzurkunde befindet sich im Ministerium und wurde überprüft, die ist fehlerfrei. Allerdings wurde eine Beschwerde eingereicht, dass sich auf diesem Land keine gefährdeten Tierarten befinden und es damit keine Grundlage für ein Reservat auf diesem Grund gibt." Er hob den Kopf und seine Augen bohrten sich in Fawns.

„Ich kann ihnen versichern, dass dieses Land von bedrohten Tierarten bewohnt wird. Er wurde..."

„Können sie mir die Zahlen zeigen?" unterbrach der Mann sie, den Blick wieder auf sein Klemmbrett gerichtet.

„Mister. Äh... ja. Sie haben sich nicht vorgestellt. Das hier ist kein Züchtungsreservat, sondern ein Wildnisreservat. Ich führe kein Buch darüber, wie viele Tiere von welcher Tierart hier leben, weil sich die Bestände hier selbst regulieren sollen. Das sind die Vorgaben für ein Wildnisreservat." meinte Fawn, rollte den Teigklumpen zusammen und deckte die Schüssel mit einem Tuch ab.

„Sie können also nicht beweisen, dass es hier bedrohte Tierarten gibt?"

„Als ob ein Blatt mit Zahlen ein Beweis wäre. Ich könnte ihnen die Tiere hier zeigen, aber ich denke nicht, dass sie es vorziehen würden mit uns durch die Wildnis zu wandern und die Tiere selbst zu sehen. Ich kann ihnen ein paar der gefährdeten Arten aufzählen, wenn sie das möchten. Und wenn sie mir nicht glauben, er wurde hergeschickt, um den seltenen Drachen im Reservat zu überwachen. Von einem der Drachenreservate." Sie wies mit dem Daumen über die Schulter zu Charlie.

„Ah ja. Ein Dra...DRACHE?!" Der Mann wirbelte zu Charlie herum, die Augen so weit aufgerissen, dass Charlie sich Sorgen machte, dass seine Augenwinkel reißen würden.

Charlie nickte und grinste. „Ja. Ein sehr seltener Drache. Es ist das einzige Exemplar, dass im Moment bekannt ist. Das es auch noch in freier Wildbahn lebt ist ein Glücksfall. Es wäre eine Schande das Reservat zu schließen, wenn es ein solch seltenes Wesen hier lebt. Neben der Tatsache, dass es hier nicht nur den Drachen gibt. Einige der Arten hier sind nicht gefährdet, andere sehr wohl. Inklusive der Gryffinflys und Juwelensinger."

Der Mann notierte auf seinem Klemmbrett. Fawn kam von der Spüle herüber, die Hände an einem Handtuch abtrocknend. „Wir haben auch größere, seltene Tiere. Im Winter kommen Mosswölfe vorbei, manchmal auch nordische Einhörner. Im Meer leben alle möglichen großen und kleinen Lebewesen, genug davon bedroht. Gehörnte Eisfische, 7-Sternschwimmer, Silber Haie, schwimmende Schnatze, und viele mehr."

„Sind diese Arten hier heimisch?"

„Ja. Okay... ah, das war der Drache." Fawn sah zum Fenster als der typische Klang des Drachen erklang.

Der Mann zuckte, notierte noch etwas und schloss dann sein Klemmbrett. „Eine bessere Bestätigung als einen Experten dafür kann ich wohl nicht finden. Ich belasse es dabei. Mehr als eine Beschwerde eines Nachbarn hatte ich auch nicht."

Drachen tanzen nicht nur am HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt