Ungebetener Gast

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Charlie sprang nun doch auf und eilte zur Tür. Warum hörte er Fawn nicht? Sein Herz pochte, auch wenn sein Kopf versuchte ihm zu sagen, dass es in diesem Reservat nichts gab, dass ihr gefährlich werden konnte. Sie kannte hier alles besser als er, als jeder andere. Er rutschte um die Garderobe und beinahe in Fawn hinein, die scheinbar fassungslos in der Tür stand.

„Was ist das den hier? Ich weiß ja, dass du absolut keine Manier hast, aber du solltest lernen, dass man Gäste hereinbittet. Also?" Die Stimme war so unerwünscht. Charlie sah über Fawns Schulter und auf ihren ungebetenen Gast. Die hatte die Arme vor ihrer spotthässlichen Bluse verschränkt und tippte mit ihren unpassenden Schuhen auf den Boden.

Fawn spannte sich an und schluckte. „Komm doch bitte herein. Möchtest du einen Tee?" rang sie sich dann mit einem erzwungenen Lächeln ab.

„Das wurde ja auch Zeit. Los, geh aus dem Weg. Meine Güte. Ich kann deinen Geschmack ja an allem sehen, aber so schlecht kann es ja dann doch nicht sein. Aber wie ich hier sehen, dein Geschmack ist wirklich fraglich. Aber was erwarte ich eigentlich von jemandem, der seine Nachbarn so schlecht behandelt und stattdessen widerliche Viecher vorzieht. Als ob Menschen nicht viel wichtiger wären. Ich hoffe doch, dass du zumindest akzeptablen Tee dahast." Sie warf sich auf Fawns Sofa und stellte die Füße auf die zu Boden geworfene Kissen.

„Können wir sie nicht einfach rauswerfen?" Charlie lehnte sich zu Fawns Ohr und wisperte leise, während ihr Blick auf ihre Kissen fixiert war.

„Ich mag es auch nicht, dass sie hier ist, aber es ist das erste Mal, dass sie hergekommen ist. Ich will die Chance auf ein friedliches Zusammenleben nicht ruinieren, weil sie sich nicht benehmen kann. Und rauswerfen können wir sie später immer noch, wenn nichts passiert." Fawn atmete mehrmals tief durch, scheuchte Charlie mit einer kleinen Handbewegung ins Wohnzimmer und verschwand selbst in der Küche.

Charlie setzte sich in den Sessel, verschränkte die Arme und starrte auf Karens Füße. Weder bewegte er sich, noch registrierte er ihr pausenloses Geschnatter. Seine Blicke schienen irgendwann auszureichen, denn sie nahm die Füße von den Kissen, machte aber keine Anstalt diese wieder aufzuheben. Er ließ seinen missgelaunten Blick auf ihr, bis Fawn mit einem Tablet in den Händen zurück in den Raum kam.

Sie setzte das Tablet auf dem Tisch ab, verteilte die Tassen, ihre Hände leicht zitternde, und goss Tee in die Tassen. Neben der Schale mit Zuckerwürfeln stand eine kleine Kanne Milch und eine Zuckerzange lag bereit. Charlie konnte sehen, wie Fawn das Gesicht verzog, als sich Karen dennoch mit den Fingern Zuckerwürfel nahm.

„Wenigstens etwas kannst du halbwegs hinbekommen. Der Tee scheint ja annehmbar zu sein und du bringst direkt Milch und Zucker. Aber du musst dein Haus anders einrichten. Es ist einfach nur eine Beleidung für deine Gäste, wenn sie immer diese grässlichen Dinge ansehen müssen. Da vergeht einem direkt der Appetit und die Laune. Wie kann man nur in so einem Haus leben? Es ist einfach nur schrecklich. Nein, nein. So kann das nicht sein." Sie schüttelte den Kopf und Charlie ballte die Faust, besonders als er den Schmerz in Fawns Augen aufblitzen sah.

„Du hättest nicht herkommen sollen, wenn du dich nur beschwerst." presste Charlie leise hervor. So leise, dass sie es nicht hörte. Fawn tat es allerdings und sie warf Charlie einen Blick zu, zwischen bittend und beschwichtigend. Er lehnte sich zurück und ließ Karen nicht aus den Augen. Jede Bewegung verfolgte er mit einem Adlerblick.

Karen rutschte auf ihrem Platz hin und her und spielte mit ihren grässlichen Ringen. „Ich kann dir ein paar Tipps geben, wie du dein Haus in dieser Umgebung dekorieren solltest. Wir sind ja trotz allem Nachbarn. Und Nachbarn sollten keine zu großen Probleme haben. Außer natürlich es gibt ein großes Problem und dann muss man dranbleiben. Sonst werden die übermütig und glauben sich alles leisten zu können und dass sich niemand ihnen entgegenstellen wird. Das sie einfach machen können was sie wollen." Karen plapperte vor sich hin, lächelte Fawn mit einem Mal süßlich an und griff nach ihrer Teetasse.

Sie spreizte ihren kleinen Finger schon albern weit von der Tasse weg, spitzte die Lippen und sippte an ihrer Tasse, den Ellenbogen abgespreizte. Charlie verdrehte die Augen, nahm sich seine eigene Tasse und rieb sich mit der anderen Hand an der Schläfe. Das waren keine Nachwirkungen von dem Drachen, dass wusste er. Das waren die Gefahren davon in engen Kontakt mit dem Idioten zu sein, die sich gerade auf dem Sofa zum Clown machte.

„Aber es ist so schön, dass wir uns nun vertragen haben und auf Augenhöhe miteinander reden könne. Auch wenn dein Geschmack absolut scheußlich ist. In Einrichtung, Leidenschaft und Männern." Sie ließ ihren Blick über Charlie wandern und machte dann etwas, dass nur ein schlecht geschauspielertes Schütteln sein konnte. Fawn und Charlies Blicke trafen sich und Charlie zog eine Augenbraue nach oben.

„Aber deinen Geschmack kann man ja verbessern. Besonders den in Partnern. Du liebes wirst dich selbst kaum wiedererkennen, wenn du einmal in die Gesellschaft hier aufgenommen wurdest. Du wirst dir nicht mal mehr vorstellen können, wie es sich anfühlt kein Teil der Gesellschaft zu sein. Es ist so toll, dass du endlich vernünftig geworden bist und diese Dummheit aufgegeben hast. Dem Ministerium kannst ja nicht einmal du widersprechen. Aber wie schön, dass wir uns nun so gut verstehen, da unser Streitthema vorbei ist. Und da es nun ja kein Reservat mehr ist, können wir das Land ja auch wieder nutzen. Ich bringe dann also morgen mein Boot vorbei."

Fawn verschluckte sich, stellte ihre Tasse auf den Tisch und rang nach Luft. Charlie lehnte sich vor und rieb ihr über den Rücken, bis sie wieder befreit atmen konnte. Vorsichtig half er ihr sich wieder zu setzen. Sie funkelte und sah Karen an. „Wie meinst du das denn nun?"

„Nun. Das ist doch ganz klar verständlich. Aber ich bin ja so nett. Also werde ich es dir noch einmal erklären. Aber bitte hör dieses Mal gut zu. Ich will es nicht noch einmal erklären müssen. Du hast nun kein Recht mehr dein Reservat zu haben. Das müsste dir der nette Beamter des Ministeriums ja bereits gesagt haben. Und da wir ja jetzt so gute Nachbarn sind und da kein Streitthema mehr ist und wir damit also Freunde sind wirst du ja bestimmt nichts dagegen haben, dass wir das Land wieder wie früher nutzen. Also bringe ich morgen mein Boot wieder vorbei."

„BITTE WAS?!"

Drachen tanzen nicht nur am HimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt